A–Z Anglizismen

Do you speak? Eine neue Studie sagt: Deutsche sprechen schlecht Englisch. Aber was wäre Sport ohne Trainer? Unser Lexikon der Woche
Ausgabe 46/2013

A

Abgefuckt Heruntergekommen, kaputt, im Arsch, verwahrlost, abgewrackt, fertig, auf den Hund gekommen. Klar, das kann man sagen, zu versifften Tapeten, Hotels, Bars und Wohnhäusern, und eben auch zu ausgelaugten Menschen. Aber da ist immer noch ein Rest Poesie. So eine Aura der Laster: zu viel Sex, zu viele Drogen, wilde Nächte. Abstürze. Melancholie.Jemand kann liederlich sein, verlottert, einsam. Aber noch nicht ruiniert.Man kann ihm noch helfen. „You fucked up your life“, heißt es in einem Song von Element oft Crime aus den achtziger Jahren. Das klang so, als gebe es kein Morgen mehr. Und so war es auch gemeint. Nur das Wort „abgefuckt“ trifft das Verlorensein. Wenn nirgends mehr ein Ort ist, nur noch verrücktes Grinsen. Maxi Leinkauf

B

Baby So richtig vom Anglizismus mag man beim „Baby“ gar nicht sprechen, schließlich existiert dieses Wort seit dem 19. Jahrhundert im Standarddeutschen. Es ist wohl aufgrund des damaligen Prestiges der englischen Kindermädchen entlehnt worden. Das meint einen Säugling und das Kleinkind im ersten Lebensjahr, man kann es also nicht einfach so durch eins der beiden Worte ersetzen. Zudem ist ein Baby auch das Ungeborene im Mutterbauch. Für dieses gibt es sonst nur das Wort „Fötus“, möchte man nicht auf die nach veralteter Metaphorik klingende „Leibesfrucht“ zurückgreifen oder gar sagen: „Mein Keimling wird ein Konstantin.“ Baby soll außerdem hübsche Koseworte verdrängen. Aber mal ernsthaft, hätte DJ Ötzi in seiner Version des Dirty-Dancing-Klassikers gesungen „Hey, Püppi“ oder „Hallo, steiler Zahn“, dann gäbe es auf der Alm oder beim Après-Ski bis heute koa Sünd. Tobias Prüwer

Bullshit Eine der größten Bereicherungen des deutschen Wortschatzes durch die Anglizismen ist die gefühlt verhundertfachte Auswahl an Schimpfwörtern. Ein leidenschaftlicher Ärger, Wut, Aggression, Frust, all das will natürlich sprachlich zelebriert werden, und dazu gehört eben auch eine differenzierte Wortwahl. Bull-shit ist ein besonders schönes Beispiel aus dieser Reihe. Erstens ist es umgangssprachlich so etabliert, dass es unmissverständlich (also zu jeder sich bietenden Gelegenheit) verwendet werden kann. Zweitens klingt es so herrlich vollmundig. Das „B“ springt einem nur so von den Lippen. Drittens hat man damit die Möglichkeit, sich des Fäkalhumors zu bedienen, ohne dabei wirklich vulgär zu klingen. Im Gegenteil: der „Bulle“ verleiht dem Wort einen besonders sto-ischen und fast würdevollen Nachdruck. Dass das im Deutschen überhaupt nicht funktionieren kann, zeigt ein schneller Gegentest: Bullenscheiße? Im Ernst, wer sagt denn so was? Juliane Löffler

C

Call for Papers Meine heimliche Obsession gilt der Organisationsform „Tagung“ oder „Konferenz“. Seit vielen Jahren forsche ich darüber, bis vor etwa zehn Jahren noch als teilnehmender Beobachter, heute nur noch passiv. Ich möchte hier die Resultate meiner Forschungsarbeit bekannt geben: Es kann gesagt werden, dass die meisten Akademiker in der Tagung die höchste Erscheinungsform ihrer Existenz sehen. Durch Tagungen kommen der Akademiker und die Akademikerin zu Reisen, interessanten Vorträgen aus eigener und fremder Hand, sexuellen Handlungen und neuen Tagungen, die auf diesen Tagungen beschlossen werden. Ein Gutteil der Campus-Romane müsste eigentlich als Tagungsromane bezeichnet werden.

Natürlich bedarf so eine Tagung der intensiven Vorbereitung. Etwas zugespitzt lässt sich das Leben eines Akademikers in die Zeit der Tagung und in die Vorbereitungszeit aufteilen. Ernst wird es mit der Vorbereitungszeit, wenn den Tagungsteilnehmer der „Call for Papers“ erreicht. Das heißt übersetzt ungefähr: der Aufruf, seine Schriften, Thesen, Manuskripte, ja was denn, einzureichen, die Papers eben, man kann das nicht übersetzen. Ich frage mich, ob es überhaupt Tagungen gab, bevor diese wunderbare Formulierung zu uns kam. Michael Angele

Cool Schwer vorstellbar, wie es hier ohne das Wörtchen cool zuginge, das so viele deutsche Wörter auf einmal abdeckt und so verschiedene Bedeutungen hat. Es kann von gut, über lustig bis entspannt, gelassen und kaltschnäuzig alles heißen. Was diese Wörter eint, ist deren positive Bedeutung, und in dem Zusammenhang ist cool universell einsetzbar.

Ein angenehmer Umstand – denn findet man etwas irgendwie gut, kann es aber nicht richtig auf den Punkt bringen, macht man mal gar nichts verkehrt, wenn man es als „cool“ bezeichnet. Und nicht zuletzt steht es für jung und modern und hat so mindestens eine Jugendgeneration geprägt. Kann man sich ernstlich junge Menschen vorstellen, die etwas „dufte“ oder „knorke“ finden? Cool ist jedoch mehr als nur ein Adjektiv. Es steht für eine Lebenseinstellung und ist auch aus dieser Sicht vielseitig. Cool fühlen sich 15-Jährige mit Lederjacke und Moped genauso wie ewig junge Kreative. Hauptsache, man steht über den Dingen und gibt nicht zu viel darauf, was die anderen über einen denken. Das muss man aber auch selten, vermeintlich coole Menschen liegen meist im Trend. Benjamin Knödler

D

Dad Unsere Eltern wollten immer schon etwas unkonventionell sein, zum Beispiel nicht Mutti und Vati heißen. So schlugen sie meinem Bruder und mir eines Tages vor, wir könnten sie doch auch mit ihren Vornamen anreden. Wir weigerten uns. Einige 68er und ihre Kinder fanden so was lässig. Unsere aber waren weder Hippies, noch sind wir in einer Kommune groß geworden. Natürlich zählte in der DDR das Kollektiv viel, aber hierarchielos war diese Gemeinschaft nie. Ende der 1990er Jahre flogen wir dann zusammen nach New York. Und da schlich es sich so ein. Auf einmal sagten wir Mom und Dad – unsere Eltern fanden das cool. In Berlin kam uns das plötzlich seltsam vor, Mom und Dad gar nicht. Wir nennen sie noch heute so. ML

G

Gender Wenn das Gender Mainstreaming etwas geschafft hat, dann das: den Begriff „Gender“ in Deutschland zu etablieren. Heute gibt es an den Universitäten die „Gender Studies“ als Studiengang, im Freitag die Gender-Seite. Einige meinen, es gäbe keine deutsche Übersetzung für den Begriff, doch das ist falsch. Sie lautet: soziales Geschlecht. Allerdings lädt das zu Missverständnissen ein. Was sind soziale Geschlechtsstudien? Gibt es auch asoziale Geschlechtsstudien?

Das Charmante am Gender-Begriff ist die Abgrenzung zwischen zwei Arten von Geschlecht: gender und sex. Allerdings wird das auch in der deutschen Sprache so gehandhabt, wenn auch nur von einer akademischen und politischen Minderheit: Die Rede ist dann vom sozialen und dem biologischen Geschlecht. Die deutsche Sprache lässt eine (wie auch immer geartete) Gemeinsamkeit zwischen sozialem und biologischem Geschlecht vermuten, schließlich ist das Hauptwort dasselbe. In der englischen Sprache hingegen ist keine Ähnlichkeit zu erkennen.Was der Realität näherkommt? Das ist Ansichtssache. Felix Werdermann

I

Internet Vorsicht im Weltnetz! Der Begriff wird hauptsächlich von Rechtsextremen verwendet, auch wenn die natürlich kein Monopol darauf haben. Das ist eines der lustigsten Dinge auf rechten Websites („Netzseiten“): die bemühte Übersetzung von Begriffen, die sich im Deutschen längst durchgesetzt haben und teilweise sogar im Duden aufgeführt sind. Aus dem Internet wird das Weltnetz, aus der Homepage die Heimseite, aus der E-Mail die Epost und aus dem Link der Verweis. Wenn NPD-Funktionäre über das Internet sprechen, müssen sie aufpassen, dass ihnen nicht doch ein englischer Begriff rausrutscht. Diese Weltnetz-Sprache ist zwar ideologisch begründet, sie ist jedoch auch strategisch klug: Es gibt genügend Menschen, die sich von Computer-Fachwörtern abgeschreckt fühlen. Inzwischen haben sich jedoch schon so viele Begriffe durchgesetzt, dass für Rechtsextremisten nicht mehr viel zu holen ist. Jetzt müssen sie sich etwas Neues einfallen lassen. FW

P

Performance Alles muss heute performativ sein. Das Wort Performance aber, als Kunstform angesiedelt zwischen den Schubladen Theater, Tanz, bildende Kunst, ist sinnvoll. Der Aktionskunst und dem Happening – noch so ein böses Wort – entsprungen, betont das Wort die Situationsbezogenheit, Handlungsorientiertheit und Vergänglichkeit einer Aktion. Wenn der Verein Deutsche Sprache als bessere Alternativen „Vorstellung, Auftritt, Darbietung, Darstellung“ vorschlägt, muss man daher widersprechen. Die „Performance“ von Managern hingegen lässt sich ebenso unter den Kriterien der „Performanz“ betrachten. Die Entscheidungen der Bosse sind selten auf Handlung und Situation, sondern Gewinne orientiert – aber immerhin auch vergänglich. TP

S

Show Dass „Show“ nicht einfach durch „Schau“ ersetzbar ist und – wie „Event“ auch – nicht in Veranstaltung oder Feier aufgeht, macht schon der Duden klar. Als mögliche, jeweils Teilaspekte abdeckende Synonyme gibt dieser an: „Aufführung, Bühnenstück, Darbietung, Revue, Schau[stellung], Varieté, Vorführung, Vorstellung“. Etymologisch aber hängen „Schau“ und „Show“ – in beidem steckt „zeigen“ als Sinnkern – zusammen. Das leuchtet ein. Nur: Wer würde eine Radio-Schau senden oder gar hören wollen? So wohnt man zwar gern der Tagesschau bei, weil sie eben die neuesten Nachrichten des Tages zeigt. Aber schon die „Bastian-Sick-Schau“ führt namentlich in die Irre. Denn die Sendung des vermeintlich besser wissenden Sprachschützers enthielt viele Show-Elemente.

Übrigens bezeichnet auch der Showdown nicht bloß einen „Entscheidungskampf“. Er kommt vom Poker und meint das Spiel entscheidende Offenlegen der Karten – er steht also eher für das „Hosen runter!“ beim Skat. TP

T

Training Das scheinen Anglizismen so an sich zu haben, dass sie stets moderner klingen als ihre deutschen Pendants. So ist es auch beim Training. Die Alternative (Leibes-)Übung mag ja schön klingen, aber nicht sportlich, anders als Training. Und so wird es ja auch verwendet. Und dass das Wort Training wirklich Sinn macht, erkennt man spätestens dann, wenn man sich all die Worte ansieht, die sich daraus ergeben. Der Trainer wird im Deutschen zum Übungsleiter, das mag ja noch funktionieren. Spätestens, wenn der Trainingsanzug zum Übungsanzug wird, verwirrt das mehr, als dass es klärt. Was für Übungen? Das Beispiel des Trainers zeigt auch, dass all die Wörter rund um das Training eben nicht mehr wirklich aus dem deutschen Wortschatz wegzudenken sind.

Inzwischen wird der Trainer respektive Übungsleiter schon durch einen neuen Anglizismus ersetzt. Den Coach. BK

Z

Zero Der Vorteil von Anglizismen ist ja: Sie klingen einfach viel cooler. Oder kann sich jemand vorstellen, ein Limonadenkonzern würde ein Produkt einführen, das „Null“ heißt? Natürlich nicht. Auf Englisch hingegen null problemo. JAP

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