A–Z Durchschnitt

Bundesliga Nur wer den Durchschnitt von etwas kennt, kann sich darüber erheben. Jetzt geht das auch wieder vor dem Fernseher, beim Fußball. Unser Lexikon der Woche
Ausgabe 32/2013

A

Allrounder Viele Fußballer können auf mehreren Positionen spielen. Man nennt sie Allrounder. Für die meisten von ihnen gilt: Sie können viel, aber nichts wirklich herausragend. Ihr Talent verwässert in der Schnittmenge. Dass ein Allrounder aber auch zum Weltstar werden kann, zeigt das Beispiel des niederländischen Torwarts Edwin van der Sar. Er hatte keine außergewöhnlichen Reflexe oder Fangfähigkeiten. Er konnte aber mittelmäßig gut Fußball spielen und damit immer noch deutlich besser als andere Keeper. Im Spielsystem von Ajax Amsterdam wurde er zu Beginn der neunziger Jahre zum elften Feldspieler – und damit zum Prototypen des modernen Torhüters. Mark Stöhr

B

Ball „Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten“, soll Sepp Herberger mal gesagt haben. Für heutige Verhältnisse wäre die alte Lederkugel von 1954 der FIFA wohl nicht mehr rund genug. Wie ein Fußball auszusehen hat, ist zu einer wahren Philosophie geworden. Aus Leder sind die Bälle dabei schon seit Längerem nicht mehr. Heute fliegt beim Fußball nur noch Plastik durch die Luft. Die Bälle werden immer leichter und nehmen immer außergewöhnlichere Flugbahnen ein. Denn mit der Lederpille von damals wären Christiano Ronaldos eindrucksvolle Kunstschüsse schwierig geworden. Auch in der Ersten und Zweiten Bundesliga kickt man seit der Saison 2010/2011 erstmals mit einem einheitlichen Ball. Trotz seines vielversprechenden Namens „Torfabrik“ hat der Ball nicht für merklich mehr Tore gesorgt. Diese Saison ziert die Meisterschale den neuen Ball. Ob das für Ansporn sorgen soll? In der Zweiten Bundesliga kann man ohnehin nicht auf die Schale hoffen. Aber auch in der Ersten könnten die Bayern wieder früh jede Hoffnung zerstören. Benjamin Zimmermann

Bier Der durchschnittliche Stadionbesucher in Deutschland trinkt während eines Spiels 0,2 Liter Bier. Angesichts der Tatsache, dass auch viele Limo-Trinker anwesend sind, kann man sich ausrechnen, wie viele Liter des Gerstensaftes stellvertretend manch anderer Fan vertilgt, obwohl dies laut DFB-Richtlinien eigentlich nicht gestattet ist. Doch jenes Verbot wird großzügig überlesen, und nur bei sogenannten „Risikospielen“ mit konfliktbereiten Fangruppen herrscht Disziplin. Das Preisspektrum ist enorm. Bei Jahn Regensburg kostet der Liter günstige 5 Euro. In der Münchner Allianz-Arena, in Frankfurt, Stuttgart und bei der Hertha hält man sich mit 8 Euro die Waage, in der Hamburger ImTech-Arena muss man stolze 8,70 Euro blechen. Teurer wird es 2013 mit bis zu 9,85 Euro nur noch auf dem Münchner Oktoberfest, die Konfliktgefahr durch die betrunkenen (Fußball-)Fans bekommt man hier gratis dazu. Sophia Hoffmann

G

Grau Der VfL Bochum hatte jahrzehntelang den Spitznamen „die graue Maus“. Das hatte damit zu tun, dass der Club zwar stolze Männer des Ruhrgebiets in seinen Reihen hatte, die immer ihr Bestes gaben, aber nie gut genug waren für ganz oben. Für ganz unten wiederum waren sie nicht schlecht genug. Sie waren eben Durchschnitt, graues Mittelmaß. Bochum reagierte und funktionierte sich zu einer Fahrstuhlmannschaft im stetigen Auf und Ab zwischen Erster und Zweiter Liga um, was ja immer mit gewissen Aufregungen verbunden ist. Außerdem legte sich der Verein ein Maskottchen zu, „Bobby Bolzer“, eine blaue Maus. Der Staffelstab der Schnarchnasigkeit ging an andere Clubs. An Hannover 96 zum Beispiel. Selbst die alte Skandalnudel Hertha BSC ist auf dem besten Weg, grau zu werden. Das Fußballmagazin 11 Freunde überschrieb eine Saisonvorschau über die Berliner kürzlich mit „Ein Kilo Durchschnitt, bitte!“. MS

M

Marktwert Fußball bedeutet die Vermassung von Expertenwissen. Zu dieser Entwicklung trägt transfermarkt.de entscheidend bei, der wichtigste Wissensparameter auf dieser Site ist der „Marktwert“. Beziffert werden sowohl der Marktwert des Einzelspielers als auch der eines Kaders; auch der Mittelwert wird ausgewiesen. Ein durchschnittlicher Spieler bei den Bayern ist rund 18 Millionen Euro wert. Aktuell ist das Luiz Gustavo. Nimmt man den Mittelwert der Mittelwerte (die Bayern verzerren die Statistik ganz schön nach oben), dann landet man Handgelenk mal Pi bei 3,5 Millionen Euro. Also bei einem Verein wie Borussia Mönchengladbach, und hier wiederum kommt der Spieler Oscar Wendt (Foto) dem Wert am nächsten. Er liegt leicht darunter, aber das Frische und Lebensbejahende an der Sache sind ja die Änderungen dieser Werte, die „Marktwertentwicklung“, die auf der Seite sehr gut abgebildet ist. Bei Wendt weist die Kurve seit Oktober 2012 recht steil nach oben. Michael Angele

N

Nachspielzeit Was für ein Drama: Die Partie geht in die Nachspielzeit! In der Bundesliga ist von der Magie dieser Spielverlängerung nur selten etwas zu spüren. Dafür stellte die Bild-Zeitung im Januar fest, dass die Schiris der Bundesliga im Vergleich mit anderen europäischen Topligen am frühesten abpfeifen. Die durchschnittliche Nachspielzeit beträgt 2:05 Minuten – viel weniger als beispielsweise in England (4:13) oder in Italien (3:50). Ganz offensichtlich ein Fall von deutscher Effizienz! Der DFB jedenfalls stellt keine genauen Nachspielzeitregeln auf. Es liegt vielmehr im Ermessen des Schiris, die Nachspielzeit zu bestimmen. Laut DFB sind Gründe dafür gegeben bei: Auswechslungen, Verletzungen, Krankentransporten. Vielleicht haben die Deutschen einfach schnellere Notfallteams. Oder die Schiris sind fixer. Noch wahrscheinlicher: Viele Spiele finden am Sonntagnachmittag statt. Vermutlich haben es alle Beteiligten einfach eilig, zu Hause Tatort zu schauen. Ben Kochman

Q

Quote Frauenfußball erfreut sich bei den Zuschauern seit Jahren stetig zunehmender Popularität. So schalteten kürzlich beim WM-Auftaktspiel gegen Kanada (Deutschland gewann 2:1) 14,09 Millionen Zuschauer ein, das entspricht einem rekordverdächtigen Marktanteil von 58 Prozent. Die höchste Einschaltquote in der Geschichte des Frauenfußballs gab es bis dahin beim WM-Finale gegen Schweden vor acht Jahren, das inklusive Verlängerung 10,48 Millionen Zuschauer verfolgten. Zum Vergleich: Bei der Männer-WM 2010 wäre die Partie somit auf Platz zehn der Quotentabelle gelandet. Da schauten beim ersten Gruppenspiel der Deutschen 27,91 Millionen zu. Bedenkt man allerdings, dass die erste Frauen-WM 1991 in China stattfand (im Gegensatz zur ersten Männer-WM, die 1930 ausgetragen wurde), ist der Popularitätszuwachs grandios. SH

S

Spielertypen Gerne tönt es aus der Altherrenriege des deutschen Fußballs, dass sich das Spiel kaum verändert habe und man auch im modernen Zeitalter locker mitkicken könne. Dass sich Spielertypen und Spielweise aber durchaus weiterentwickelt haben, ist keine Erfindung von hornbebrillten Fanzine-Schreiberlingen. Die Website www.bundesliga.de hat knallharte Fakten gesammelt und die Spieler von vor zehn Jahren mit denen von heute verglichen. Der neue Profi ist nicht nur fast zwei Jahre jünger, größer und im Schnitt leichter als zu Beginn des Jahrtausends. Er holt sich auch weniger Gelbe Karten ab, passt deutlich häufiger und genauer und hält den Ball flach. Das sollten dann wohl auch die Ehemaligen und Nostalgiker mit ihren Prahlereien und kühnen Vergleichen lieber tun. Moritz Piehler

Stadion Seit der WM 2006 sind die meisten deutschen Stadien echte Dienstleistungsmaschinen: sicher, sauber, bequem und ganz nah dran am Spiel. Vor allem sind die Tickets im europäischen Vergleich recht erschwinglich. In Spanien und England zahlt man im Schnitt 50 Euro pro Karte, in Deutschland 30 Euro. Nur in Frankreich und Italien ist es günstiger. Dort kostet der durchschnittliche Eintritt um die 20 Euro. Nicht jeder mag die neuen oder neu umgebauten Arenen, die im Schnitt 40.000 Zuschauern Platz bieten. Viele attestieren ihnen den Nullcharakter einer Shopping Mall. In der Tat sind Stadien wie jene etwa in Wolfsburg, Hannover, Leverkusen oder Hoffenheim für Zugereiste oft nur an den jeweiligen Vereinsemblemen zu unterscheiden. Sie scheinen nach der gleichen Blaupause gemäß den Anforderungen eines mittelmäßig erfolgreichen Fußballclubs errichtet oder umgebaut worden zu sein. Und nicht immer stimmt der Service: In Wolfsburg zahlte ein Fan letzte Saison für ein geschossenes Tor umgerechnet 25,02 Euro. In München kam er mit 12,28 Euro weitaus günstiger davon. MS

T

Technik Vergleicht man die körperlichen Voraussetzungen des durchschnittlichen Profispielers der Ersten Bundesliga mit dem Zweitligaprofi, lassen sich nur kleine Unterschiede feststellen. Erstligaspieler sind etwas jünger, ein paar Zentimeter größer und minimal schwerer. Ausschlaggebend ist ihre Leistung auf dem Feld, und die ist dann doch erkennbar stärker als die der Zweitligisten. Im Gegensatz zu den Profis der Zweiten Liga mit 51,64 Ballkontakten, 30,26 Pässen und einer zurückgelegten Laufdistanz von 10,100 km pro Spiel bringen sie es auf 55,02 Ballkontakte, 34,02 Pässe und durchschnittliche 10,504 Kilometer. Auffällig ist auch, dass das die Geschwindigkeit eine Liga tiefer nicht ganz so hoch ist. Bei weniger Strecke sprinten Zweitligaspieler nicht ganz so häufig wie das Oberhaus. Ausnahmen wie Franck Ribéry (28), der mit 1,70 Metern und 72 Kilo unter dem Durchschnitt liegt, aber großartige Leistungen bringt, bestätigen die Regel. SH

V

Verdienst Vom ersten Gehalt direkt mal einen Lamborghini kaufen? Oder dem ganzen Club einen ausgeben? Oder doch lieber ins Fertigbauhaus investieren? Ein Jungprofi hat es nicht leicht, denn in der Bundesliga werden schon an 19-Jährige ordentliche Summen ausgezahlt, auch wenn die Vereine ungern Details preisgeben. Der Boulevard hat neulich dann doch irgendwie Zugang zu Gehaltslisten bekommen und so die Neiddebatte ein bisschen angefacht. Topverdiener Ribéry, erfuhr man, kriegt 833.000 Euro. Im Monat. Letzte Saison gaben die Vereine der Ersten Liga insgesamt knapp 708 Millionen Euro für ihre Spieler aus. Die Wohltätigkeitsorganisation XPro in Großbritannien fand heraus, dass trotzdem 60 Prozent aller Profis nach dem Karriereende pleite sind. Also raten wir ganz konservativ: an Morgen denken, liebe Talente. MP

Z

Zuschauer Seitdem die zornigen jungen Männer dermaßen demoralisiert sind von den vielen Kontrollen und Kaffeetrinkern im Stadion, dass sie sich ein anderes Ultras-Hobby suchen oder sich ganz einfach ultrabrav verhalten – seitdem geht der Zuschauerschnitt in der Bundesliga durch die Decke. 42.624 Besucher waren es in der letzten Saison. Zum Vergleich: In England waren es 35.921, in Spanien 28.249 und in Italien 23.300. In Deutschland hat in den frauen- und familienfreundlichen Arenen mittlerweile der gesellschaftliche Durchschnitt das Sagen. Das beweist auch eine Fananalyse, die das Magazin Sponsors erstellen ließ. Sie unterscheidet vier Typen: die „Manischen“, die „Leidenschaftlichen“, die „Sympathisanten“ und die „Affinen“. Die beiden mittleren Typen machen fast 80 Prozent der Besucher aus. MS

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