Ab jetzt verleihe ich keine Bücher mehr

Vorsatz Es gibt zu viele gute Gründe, geliehenen Lesestoff einfach zu behalten. Für den Besitzer ist das deprimierend
Ausgabe 02/2014
In besseren Zeiten
In besseren Zeiten

Foto: Topical Press Agency/ Hulton Archive/ AFP/ Getty Images

Ich verleihe keine Bücher mehr. Das klingt nicht nach einer Sensation. Aber warum bin ich erst jetzt, im Jahr meines immerhin 70. Geburtstags, zu diesem Entschluss gekommen? Als ich das bei den Telefonaten zum Neuen Jahr unters Volk brachte, erntete ich höhnische Kommentare. „Naivling“ war noch das Harmloseste. „Bonus vir, semper tiro“, knallte mir eine Freundin in die Ohren. Ein gutmütiger Mann bleibt immer ein Anfänger.

Dahin gekommen bin ich so: Über die stillen Tage habe ich viel gelesen. Dabei komme ich gern von einem Buch zum anderen. Wozu hat man eine schöne Bibliothek? Aber als ich zu Franz Kafka ein Buch über Kafka studieren wollte, war es weg. Ebenso erging es mir mit Stefan George, zu dem mich noch einmal Ulrich Raulffs Studie Kreis ohne Meister verführt hatte. Nach den Büchern über den Ersten Weltktieg wollte ich mir noch einmal die deutsche Revolution von 1918/19 vornehmen. Weg. Ich dachte nach und erinnerte mich, dass ich sie verliehen hatte. Schon vor Jahren. In zwei Fällen weiß ich sogar, an wen. Jedoch ich traue mich nicht, sie nun zurück zu fordern.

Stattdessen denke ich darüber nach, was wohl die Ausleiher, Leute, die es nicht nötig haben, veranlasst, Bücher einfach zu behalten. Auf vier Gründe bin ich gekommen. Den ersten liefert die Verhaltensforschung: Es gibt Menschen, die das, was sie für einige Zeit in Besitz haben, bald unmerklich für ihr Eigentum halten. Da kann man nichts machen. Und meinen Namen schreibe ich mir schon lange nicht mehr in die Bücher. Zweitens gibt es Leute, die halten Bücher für so billig, dass sie ein geliehenes Buch automatisch für ein geschenktes halten. Einleuchtend daran ist, dass das Buch von Herfried Münkler Der große Krieg über den 1. Weltkrieg weniger kostet als ein Abendessen in einem mittelmäßigen Restaurant.

Drittens gibt es umgekehrt wiederum Leute, die Bücher ihres Inhalts wegen für so wertvoll halten, dass sie heimlich jeden verachten, der sie aus der Hand gibt. Dem, so mögen sie denken, geschieht es recht, wenn er sie nicht wiederkriegt. Und schließlich ist da noch die allgemeine Vergesslichkeit. Sie wirkt allerdings auf beiden Seiten. Man möchte ja ein verliehenes Buch nicht gleich eine Woche später zurückverlangen. Auch nicht schon einen Monat später. Und dann hat man es irgendwann vergessen. Der Entleiher hat wohl drin gelesen, hat es dann liegen lassen, hat es weggeräumt, als Besuch kam, und dann vergessen.

So kann es gehen, so geht es oft. Wenn ich daran denke, wie viele Krimis ich schon mehrfach gekauft habe, weil ich sie verliehen hatte! Eine Schande.

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