„Unter 1.000 mach ich’s nicht“, mit diesem Spruch verpflichteten sich 2019 Klimaaktivistinnen, alle Kurzstrecken mit dem Zug statt mit dem Flugzeug zurückzulegen – oder, für ganz Sportliche, mit dem Rad. Am Boden bleiben kann man von Berlin aus problemlos, um nach Paris, Brüssel, Amsterdam oder Warschau zu kommen. Und in Frankreich ging die Regierung über den individuellen Aktivismus hinaus: Im Zuge der Corona-Hilfen für Air France versprach sie, erste Kurzstreckenflüge zu streichen – allerdings nur für Distanzen, die man in bis zu zweieinhalb Stunden mit dem Zug erreichen kann. Gerade einmal fünf Flugverbindungen fallen durch diese Reform weg – von Hunderten Binnenflügen, die es in Frankreich gibt. Die CO2-Einsparung liegt nur bei mickrigen 0,5 Prozent aller Emissionen von Flugzeugen, die von französischem Boden abheben.
In Deutschland macht sich über solche Klimaschutzmaßnahmen nur das Umweltbundesamt Gedanken. Würde die Bundesregierung morgen beschließen, alle innerdeutschen Flüge unter 600 Kilometer auf die Bahn zu verlagern, könnten pro Jahr 200.000 Flüge eingespart und 1,5 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden. Um die Euphorie zu dämpfen: Das sind nur fast ein Prozent der deutschen Verkehrsemissionen – ungefähr so viel, wie diese bis zur Pandemie pro Jahr zunahmen.
Und während es mit der Ankündigung des Nachtzug-Ausbaus zu Kurzstrecken bald eine Alternative gibt, gilt dies für Langstreckenflüge nicht. Wer über den Atlantik oder in afrikanische Länder reisen will, muss fliegen – die wochenlange Reise mit dem Segelboot ist wenig praktikabel. Wenn Klimaaktivisten dazu auffordern, nicht mehr zu fliegen, geht dies an der globalisierten Realität unserer Zeit vorbei. Dies zeigt ein Hilferuf aus Ghana, den die Autorin vor einer Weile erhielt. Die Besitzerin eines öko-sozialen Tourismusprojektes in dem westafrikanischen Land hat Angst, dass die Besucher ausbleiben. Das Feriendorf lebe von den Einnahmen europäischer Besucher, die damit den Aufbau des Nachbardorfes mitfinanzierten. Außerdem bekommen die Touristen durch den Kontakt einen Einblick in die ghanaische Kultur und die Geschichte Westafrikas. Ohne Flugzeug gibt es weder den Kulturaustausch noch Entwicklungshilfe.
Die Menschen sind derzeit weltweit vernetzt. Ganze Familien sind auf verschiedene Kontinente verteilt. Viele Menschen aus Lateinamerika etwa arbeiten in den USA oder studieren in Kanada – wie will man so eine Entwicklung zurückschrauben?
Die Selbstkasteiung von Flugreisenden führt deshalb zu nichts. Die Scham verstellt eher den Blick darauf, wer wirklich für den klimaschädlichen Zustand der Flugbranche verantwortlich ist: Es sind nicht die Reisenden, es ist die Politik.
Seit dreißig Jahren ist klar, dass der Klimaschutz eine politische Intervention in den Flugverkehr erfordert. Doch wurde er lange subventioniert statt eingeschränkt. Noch immer ist Kerosin der einzige nicht besteuerte fossile Kraftstoff, damit entgehen dem deutschen Staat jährlich Milliardeneinnahmen. Auch der Versuch, innereuropäische Flüge seit 2012 einem Emissionshandel zu unterziehen, hat die Menge der Treibhausgase keinesfalls reduziert.
Mit Wasserstoff in die Lüfte
Nun wird zumindest auf internationaler Ebene versucht zu handeln: Die Mitglieder der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (Icao) haben sich darauf geeinigt, das Wachstum des Flugverkehrs klimaneutral zu gestalten. Emissionen, die über dem Niveau vom Vorjahr liegen, müssen mit CO2-Zertifikaten ausgeglichen werden. Die Gutschriften kommen aus Klimaschutzprojekten, etwa Windparks in Nicaragua, aber oft auch aus schlecht kontrollierbaren Aufforstungsprojekten. Für eine Basis der Emissionsberechnungen sollte ursprünglich der Durchschnitt der Jahre 2019 und 2020 genommen werden. Nun haben die Staaten beschlossen, nur 2019 als Ausgangsjahr zu nehmen. Der Grund: In 2020 war der Flugverkehr extrem gering.
Auch der Zeitplan scheint aberwitzig: In einer ersten Pilotphase von 2021 bis 2023 können die Staaten freiwillig mitmachen. Danach verpflichten sich jene Staaten, die sich zuvor freiwillig gemeldet haben. Und erst ab 2027 (!) gilt die Regelung verpflichtend für alle. Hinzu kommt, dass die Airlines in den ersten Jahren „alte“ CO2-Zertifikate nutzen können, sogenannte Ramsch-Zertifikate, die unglaublich billig am Markt zu haben sind.
Bereits vor zwei Jahren stellten Wissenschaftlerinnen des Ökoinstituts den Vorhaben der Icao ein fatales Zeugnis aus: Die meisten Zertifikate stammten aus Projekten, die ohnehin CO2 reduzieren würden. Das Kompensieren der Flugemissionen würde also gar nichts bringen und das „klimaneutrale Wachstum untergraben“, wie die Forscher schreiben. Gründe dafür sind die „Doppelzählung“ von CO2-Einsparungen und die mangelnden Zulassungsbeschränkungen. Bis im Flugverkehr eine Lenkungswirkung – also ein wirtschaftlicher Antrieb für Unternehmen, umzusteuern – eintritt, könnten also noch Jahrzehnte vergehen. Das ist auch der Grund, warum die meisten Unternehmen kaum motiviert waren, alternative Antriebe zu entwickeln. Denn nur ein Kerosin-Ersatz kann für den alternativlosen Langstrecken-Verkehr eine ernsthafte Lösung sein. Die Entwicklungen hierzu haben das Niveau des Greenwashings bislang kaum überschritten. Ein Beispiel ist der Jatropha-Hype aus dem Jahr 2008. Die tropische Kletterpflanze sollte zum Bio-Treibstoff der Zukunft werden: Sie könne die Emissionen um achtzig Prozent senken, warben etwa Airbus und Boeing. Medien berichten weltweit über die neue Superpflanze und „grüne Flüge“. Nur: Dieser Biostoff hat es bis heute nicht dazu gebracht, ein Passagierflugzeug über den Atlantik zu bringen.
Eine echte Alternative wären elektrisch betriebene Solar-Flugzeuge. Immer wieder machen spektakuläre Flüge über den Atlantik Schlagzeilen. Doch die Sache hat einen Haken: Die Batterien sind einfach zu schwer, hochgerechnet auf größere Flugzeuge und weite Strecken. Expertinnen gehen deshalb davon aus, dass sie für den Mittel- und Langstreckenverkehr nicht taugen. Und auch für kurze Strecken ist noch kein Modell marktreif. Übrig bleiben Hybridmodelle, ähnlich wie bei Fahrzeugen, oder synthetische Kraftstoffe, die in großem Maßstab aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt werden, um das Erdöl zu ersetzen.
Dass all diese technischen Lösungen für den klimaneutralen Flugverkehr 2021 noch immer in den Kinderschuhen stecken, ist nicht nur die Schuld der Unternehmen, sondern vor allem die der laschen Verkehrs- und Klimapolitik. Gerade die Flugbranche lobbyiert seit Jahren gegen strenge Klimaschutzregeln – aber damit hat sie sich am Ende selbst geschadet. Denn es wird ähnlich kommen wie in der Autobranche: Wer den ersten Tesla-Flieger entwickelt, wird den Zukunftsmarkt nach 2050 bestimmen. Alle anderen können noch dreißig Jahre abkassieren und sich dann verabschieden.
Kommentare 29
wenn söder kanzler wird,
gibts keine fatal-bescheuerten verkehrsminister mehr!
man sollte im bösen das gute sehen!
Mit syntetischem Treibstoff aus CO2 und H2, gewonnen unter Einsatz von Wind/Solarstrom, können wir vielleicht noch einmal im Leben für einen 5-stelligen Eurobetrag nach Thailand fliegen. Wenn wir uns diesen Umweg sparen, und die bisherige Technologie extrem teuer machen wäre dem Klima genauso geholfen. Ein wenig Öl werden wir auch im Jahr 2100 noch verbraten. Wir werden diesen beschissenen Massentourismus beenden und materiell eher wie in den 1950-iger Jahren (aber Energieeffizienter) leben.
Sehr richtig! Genau so sehe ich das auch. Alles andere ist Augenwischerei.
Sicher ist das für viele persönlich schwierig aufgrund von Familienbeziehungen über Kontintente hinweg. Auch in meinem privaten Umfeld. Aber die Natur lässt eben nicht mit sich verhandeln. Das hätten wir (oder die Politik) uns früher überlegen sollen.
Sehr richtig, dumm nur das mit dem Tourismus gerade in den Entwicklungslaendern Geld aus den reichen Laendern reingespuehlt wird um Morgen etwas zu beissen zu haben. Da haben Stoppel und meine Wenigkeit eine klasse Idee wie man die Uebergangszeit evtl. mit deutschen Behoerden umgehen kann. Richtig?
Das sind dann mal hochgerechnet 500 Millionen Leute die am Ende des Rattenschwanzes der Tourismusbranche ein Brotlaib auf dem Tisch haben.
Gruss
Sehr richtig, dumm nur das mit dem Tourismus gerade in den Entwicklungslaendern Geld aus den reichen Laendern reingespuehlt wird um Morgen etwas zu beissen zu haben. Da haben Stoppel und meine Wenigkeit eine klasse Idee wie man die Uebergangszeit evtl. mit deutschen Behoerden umgehen kann. Richtig?
Das sind dann mal hochgerechnet 500 Millionen Leute die am Ende des Rattenschwanzes der Tourismusbranche ein Brotlaib auf dem Tisch haben.
Gruss
Auch dieses Problem, das Du völlig zurecht ansprichst, müsste gelöst werden mit finanzieller Unterstützung - wie viele andere auch, z.B. die Abwicklung von vielen Industrien, die wir uns ökologisch definitiv nicht mehr leisten können. Und wenn wir unsere EU-Agrarsubventionen umgestalten und Exporte aus der EU mit hohen Zöllen belegen würden, könnten viele Jobs in der Landwirtschaft in Entwicklungsländern geschaffen werden.
Dass das alles nicht passieren wird ohne eine Revolution hierzulande, ist mir völlig klar. Ich beschreibe nur, was gemacht werden müsste. Letztendlich sehe ich es so: Wir müssen alle - gemessen an europäischem Standard - insgesamt materiell viel bescheidener leben. Nur eben viel gerechter verteilt - sowohl im Inland bzw. der EU als auch international.
Saludos cordiales!
Ja das sind die richtigen Ansätze, jetzt muss man dem Wähler nur noch klarmachen dass der Gouda im Discounter nicht mehr 1,99 Euro kostet, sondern 4,99 Euro, das wird hart.
;-)
Sin más por el momento, quedo a sus órdenes para cualquier duda o aclaración y aprovecho la oportunidad para mandarles un cordial saludo.
:-D
Muchas gracias! Mi espanol ha sufrido bastante, pero todavía entiendo lo que dijiste.
Also Gouda schmackhaft machen kann ich auch nicht, das ist nicht so mein Fall. :-) Aber generell könnte man das schmackhaft machen durch deutlich höhere Hartz-IV-Sätze (bzw. einem BGE) sowie höheren Mindestlöhnen und niedrigeren Steuersätzen im unteren bis mittleren Einkommensteuerbereich. Wenn der Käse außerdem noch beim Bauern um die Ecke gekauft wird (zugegebenermaßen ein bisschen vereinfacht), entfallen die ganzen Margen der Händler dazwischen.
Mit Abstand der größte Ausgabenposten bei Geringverdienern sind ja übrigens Mieten und Energiekosten, nicht Gouda. :-)
hihi!
hier in D. hat fast jeder einen bauern als nachbarn!
und über die hälfte der bauern ist in der käse-produktion !
die haben auch 60 verschiedene milch-produkte,
man fragt sich, warum die leute soviel gutes geld bei lidl u.a.
discountern lassen, wo die doch bloß mit
überflüssigem marketing ihre abzwackungen/einnahmen
begründen.
mein vorschlag: schafft die kassen und die kassiererinnen
ab: schon wird alles billiger!
JA, aber Mieten und Energiekosten sind bei Trump- und AFD- Wählern Gottgegeben, Goudakäse nicht.
:-D
¡Salud!
..."schafft die kassen und die kassiererinnen ab"...
Du hast sicherlich schon einen Plan was die dann Arbeiten, nicht wahr?
:-)
um sie nicht zu sehr von ihrer alten praxis zu entwöhnen,
dürfen sie als "verdiente kassiererinnen" den ganzen tag gamen
und ihr bedingungs-loses grund-einkommen verzehren.
ich bin immer für sozial-verträgliche lösungen!
realitäten find ich meist: störend!
nur für die religiösen unter ihnen sind mieten: gott-gegeben.
für die deal-maker sind sie ansporn,
weitere miet-/zins-trächtige bau-substanz ins leben zu rufen!
>>Und wenn wir unsere EU-Agrarsubventionen umgestalten und Exporte aus der EU mit hohen Zöllen belegen würden, könnten viele Jobs in der Landwirtschaft in Entwicklungsländern geschaffen werden.<<
Und es könnten Rohstoffe wie Kakao, Kupfer, Coltan usw. im Lande verarbeitet werden. Wir müssten dann natürlich die Arbeitszeit reduzieren. Und möglicherweise ein paar weniger Schokoriegel mampfen und auf die Obsoleszenz bei Geräten verzichten.
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>>Sicher ist das für viele persönlich schwierig aufgrund von Familienbeziehungen über Kontintente hinweg.<<
Ausgewandert wird von hier seit Europäer fremde Kontinente besetzt haben, als schon ziemlich lange bevor es Flugzeuge gab. Vielleicht hast Du Verwandte in USA, Argentinien oder Namibia und weisst das gar nicht. Das schränkt die Lebensqualität nur unwesentlich ein.
Zum Thema Langlebigkeit von Geräten und Gebrauchsgütern:
Selbst die kaputtalistische Wirtschaft wird in Zukunft versuchen, die Ressourcen zurückzugewinnen, weil diese knapp und immer teurer werden. Allerdings geht das viel zu langsam. Dazu schlage ich konkret mal folgendes vor:
- Erhöhung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist auf mindestens 6 Jahre
- Hohe Ökosteuern u.a. auf fossile Brennstoffe, somit wird das Material teurer und die Arbeitskraft (u.a. für Reparaturen) im Vergleich billiger
- Gesetzlich vorgeschriebene Bevorratung aller Ersatzteile für mindestens 15 Jahre.
- Der Hersteller muss eine Liste aller verwendeten Komponenten incl. deren Einzelverkaufspreis bereitstellen. Die Summe des Preises darf bei Einzelkauf aller Teile höchstens 150% über dem Verkaufspreis des Gesamtprodukts liegen. Im zeitlichen Verlauf darf lediglich ein Aufschlag um die offiziell ermittelte Inflationsrate erfolgen, nicht mehr. Niemandem darf der Verkauf eines Ersatzteils innerhalb einer zumutbaren Frist von maximal 4 Wochen verwehrt werden.
Auch hier gilt, dass man Geld nicht essen kann. Sein Leben auf die Beherbergung reicher Schnösel zu gründen ist alles andere als nachhaltig. Ich mache mir um die Entwicklungsländer recht wenig Sorgen. Die dürften mit ihren Resourcen besser klar kommen als wir mit unseren.
Für transkontinentale Familienfeiern alle paar Jahre gäbe es ja noch Schiffe.
Ja klar. Freiwillige Ausgleichszahlungen. Träum weiter. Es werden sich die Terms of Trade verschieben, also das wechselseitige Tauschverhältnis unserer Waren und Dienstleistungen zu deren Waren und Dienstleistungen. Exotische Waren (Rohstoffe und Genussmittel) werden für uns viel teuer als umgekehrt. Unter den bisherigen Umständen verlief das stetig in umgekehrte Richtung.
wer flickt mir das kabel meines form-schönen post-telefons,
ohne zu kichern?
Besonders wahrscheinlich ist das nicht, klar. Genau so wenig wie Deine Hoffnungen auf viel weniger Flugverkehr durch Tourismus. Jedenfalls, so lange der Zusammenbruch unserer Wirtschaft und Zivilisation noch nicht in die finale Phase eintritt.
Ja. Eher werden wir im atomaren Feuer verrecken als uns auf das einfache Überleben zu konzentieren.
Zurück zum Verweilen und der Langsamkeit...ich muss keine neue Kulturen kennenlernen, um mich neu zu erfinden. Aber bitte, wir sollten doch alle nicht vergessen, dass hinter dem Hype des Massentourismus ein Wachstumssystem steht, das als Ersatzreligion diesem Raubtierkapitalismus bestens dient. Denn wir können nicht auf Dauer - man kann es so banal sagen - mehr verbrauchen, als der Globus hergibt. Wie immer, wenn es ums 'ganz grosse Geld' und die Sicherung von Macht geht und Materialismus, Besitz und Konsum zum allseelig machenden Götzen erhoben wird, waren die kapitalistischen Parameter schon immer vorbildlich. Und mal ehrlich ... diese 'Pandemie' hat sich schon lange von den USA aus über die ganze Welt ausgebreitet, und überall Widerhall gefunden, wo den Menschen andere sinnstiftende Faktoren im Leben fehlen. Der Mensch ist so verwöhnt worden, dass er schon gar nicht mehr begreifen kann, dass eine gesunde Wirtschaftspolitik nicht auf unendlichem Wachstum beruhen kann. Das globale Denken und Handeln wird dennoch in vernünftigen Maßstäben seinen Platz finden, wenn Politik nur endlich wollte.
>> Jedenfalls, so lange der Zusammenbruch unserer Wirtschaft und Zivilisation noch nicht in die finale Phase eintritt.<<
In der finalen Phase würde es aber nichts mehr nützen kapitalistischen Firmen irgendwelche Pflichten aufzuerlegen. Und davor ist es eben schwierigen, gegen die Kapitallobby anzustinken.
Wahrscheinlich wären noch ein paar grundsätzlichere Überlegungen nicht schlecht.
>>Das globale Denken und Handeln wird dennoch in vernünftigen Maßstäben seinen Platz finden, wenn Politik nur endlich wollte.<<
Womit wir wieder bei der Frage sind wie man die Politik zum vernünftigen Wollen bringt. Mit Lobbyistenwahlen wird es wohl nicht klappen ;-)
Es spricht überhaupt nichts dagegen - ganz im Gegenteil - mit den einfachen Dingen anzufangen, von denen ich oben einige genannt habe. Das wäre ja noch im bestehenden System vorstellbar. Wenn wir das schon zu ambitioniert finden, dann weiß ich auch nicht.
Grundsätzlich bin ich sowieso überzeugt, dass Kapitalgesellschaften verboten werden müssen. Oder sich diese Frage eben nach dem Zusammenbruch des Kaputtalismus sowieso nicht mehr stellt. Schöner als das Warten auf den Kollaps wäre es natürlich, den Wandel zu etwas Besserem selbst zu gestalten und großes Leid abzuwenden.
So weit meine "grundsätzlicheren Überlegungen". :-) Wie siehst Du das?
Gelse, gestatten Sie mir ein wenig Hoffnung...verstehe Ihren Einwand sehr wohl.
Wieder mal ein paar Gedankenschnipsel:
>>Es spricht überhaupt nichts dagegen - ganz im Gegenteil - mit den einfachen Dingen anzufangen, von denen ich oben einige genannt habe. Das wäre ja noch im bestehenden System vorstellbar. Wenn wir das schon zu ambitioniert finden, dann weiß ich auch nicht.<<
Ich halte nichts für zu ambitioniert, das sich auf das Ziel einer menschenkompatibleren Gesellschaft zubewegt.
Natürlich sind kleine Schritte, soweit erreichbar, zu einem gesellschaftlich richtigen Ziel hin richtig. Zum Beispiel die berliner Mietpreisdeckelung: Nachdem sich zeigte, dass die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ viel Zustimmung in der Bevölkerung findet reagierte der Senat. Zur Linderung der akuten Notlage wäre das auch an anderen Orten dringend nötig und das wird dort auch erkannt. Aber gerade an dieser Bewegung zeigt sich: Wenn die Not gross ist geht etwas, sonst eben nicht. Die Entwicklung hin zu für Viele nicht mehr bezahlbaren Wuchermieten war jahrzehntelang erkennbar, es begann mit der Bodenspekulation, sie hat kaum jemand interessiert (Hans-Jochen Vogel hatte mal gewarnt und wurde kaum ernstgenommen).
Das ist unser Problem: Man bewegt sich geruhsam auf den Abgrund zu und ruft dann im Fallen nach dem Fallschirm.
Besser wäre Früherkennung und frühzeitig Gegenwehr zu entwickeln.
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>>Grundsätzlich bin ich sowieso überzeugt, dass Kapitalgesellschaften verboten werden müssen. Oder sich diese Frage eben nach dem Zusammenbruch des Kaputtalismus sowieso nicht mehr stellt. Schöner als das Warten auf den Kollaps wäre es natürlich, den Wandel zu etwas Besserem selbst zu gestalten und großes Leid abzuwenden.<<
Wer soll Kapitalgesellschaften verbieten? Hätten wir überhaupt ein rasch umsetzbares Konzept für die Alternative? Und wenn, wie kann es dazu kommen dass mehr als 1 % der Bevölkerung es ernsthaft will?
Sicher, Hoffnung ist gut. Skepsis aber auch.
"Das ist unser Problem: Man bewegt sich geruhsam auf den Abgrund zu und ruft dann im Fallen nach dem Fallschirm.
Besser wäre Früherkennung und frühzeitig Gegenwehr zu entwickeln.
...
...wie kann es dazu kommen dass mehr als 1 % der Bevölkerung es ernsthaft will?"
-> Tja, wenn ich das wüsste. Mit dem aktuellen Corona-Missmanagement verbinde ich aber schon die Hoffnung, dass die Leute endlich erkennen, dass es in diesem Land überhaupt keinen vernünftigen Fallschirm mehr gibt - oder nur 10 Fallschirme für 100 fallende Leute, um im Bild zu bleiben.
"Wer soll Kapitalgesellschaften verbieten?"
-> Ich würde mich spontan dazu bereit erklären. :-)
"Hätten wir überhaupt ein rasch umsetzbares Konzept für die Alternative?"
-> Na logo! Alles ist rasch umsetzbar, man müsste es nur richtig wollen. Mein Vorschlag: Im Zuge der Revolution wird alles für 2 Monate runtergefahren außer Lebensnotwendigem und neu geordnet. Lockdowns sind wir ja mittlerweile gewohnt, und man könnte sogar machen, was man will - außer arbeiten. Kapitalgesellschaften werden verstaatlicht - ohne Entschädigung für die Aktionäre über einem gewissen Freibetrag für Kleinanleger, die teilweise entschädigt werden. Vernünftige Geschäftsmodelle wie z.B. Teile der Pharmaindustrie werden verstaatlicht. Die unnützen oder nicht mehr tragbaren Teile der (ehemaligen) Kapitalgesellschaften werden abgewickelt.
-> Die großen ehemaligen Kapitalgesellschaften bleiben in staatlicher Verwaltung. Die kleinen ehemaligen Kapitalgesellschaften mit einem einigermaßen vernünftigen Geschäftszweck könnten von (Teilen) der Belegschaft als Genossenschaft weitergeführt werden. Selbstverständlich werden dafür Abschlagszahlungen fällig, die ggf. durch Kredite der (Nachfolgerin der) KfW geleistet werden können. Die Mitarbeiter als neue Eigentümer haften natürlich auch mit ihrem Privatvermögen für das zukünftige Geschäft.
-> Noch Fragen? :-)