Menschen falten ihre Wäsche. Manche nach Anleitung von Youtube. Die meisten, wie sie es noch von Oma gelernt haben. Man macht das so, waschen, falten, in den Schrank legen. Ich mache das nicht. Ich lege die Wäsche in den Korb, und einmal die Woche kommt die Reinigungshilfe, die wir beim Vornamen nennen, damit die Kinder dieses schreckliche Wort nicht lernen: Putzfrau. Ich gebe das nicht gerne zu, dass ich die Wäsche nicht selbst falte, weil ich es dekadent finde – und über das Wort denke ich lieber auch nicht nach. Ich denke auch nicht darüber nach, ob ich deshalb nicht so gerne darüber nachdenke, weil meine Mutter, anfangs, als wir eben neu in Deutschland waren, ebenfalls die Häuser fremder Menschen putzte, und weil es da, wo sie das eben tat, und wir eben lebten, im Schwabenländle, im sogenannten, ein noch schrecklicheres Wort dafür gab: Putze.
Andere, wie gesagt, die ihre Wäsche selbst falten, und das also schon immer getan haben, falten sie neuerdings neu. Nach Anleitung. Und sie finden ihr Glück. Das verstört mich auf unangemessene Weise zutiefst. Was mich noch mehr verstört: Abends setzen sich diese Menschen, die vorher einen Tag durchlebt haben, der alles beinhaltet – Streit mit dem Partner, enervierende Kinder, einen verspäteten Bus und diese unmögliche Kollegin; das runtergefallene und zersprungene Glas –, hin, sie machen es sich auf der Couch, wohlverdient, gemütlich und schalten den Fernseher ein. Sie schalten den Fernseher ein und sich selbst ab, so nennen sie das, „ich muss mal abschalten“.
Abschalten tun sie, indem sie anderen Menschen dabei zuschauen, wie sie ihre Wäsche falten: Die Serie Aufräumen mit Marie Kondo auf Netflix hat grad Hochkonjunktur und hinterlässt auch in sozialen Medien ihre Spuren: Plötzlich werden Fotos von nach Marie Kondos Anleitung gefalteter Wäsche gepostet. Da erklärt eine japanische Beraterin und Bestsellerautorin Familien und Paaren, die sie samt Kamerateam und Übersetzerin in ihrem Zuhause aufsucht, den Konsum-Minimalismus. Dass man sich von Dingen verabschieden soll, und das Verabschieden meint sie wörtlich: Man sagt den Dingen hörbar „Auf Wiedersehen“. Man bedankt sich bei der Jogginghose, die man gekauft, aber nie zum eigentlichen Zweck getragen hat, für das gemeinsame Leben. Und die Dinge, die man braucht, denen sucht man einen eigenen Platz: Man stapelt sie zum Beispiel in Körbchen und Kästchen. T-Shirts werden fix und platzsparend gerollt. Bücher braucht man angeblich nur 30 (ich hatte auch schon vorher mit dem Kopf an die Wand schlagen können, aber an dieser Stelle war das Staunen einer Verweigerung gewichen). Marie Kondo hinterlässt in dieser amerikanischen Serie diese Art von praktischen Weisheiten und die Menschen, die sie berät, verklärt zurück, als wären sie Jesus persönlich begegnet.
Das Gefühl ist über den Bildschirm hinaus ansteckend. Auch in Deutschland wird ausgemistet. Man fotografiert die gefaltete Wäsche. Man behält nur das, was einem Freude („joy“) bringt. Man stellt sich beim Minimalisieren die alles entscheidende Frage: Wird dieser Gegenstand mir Freude bringen? Dies ist die wichtigste und möglicherweise die egoistischste aller Kategorien: Was macht mich glücklich, und in dem „mich“ das ewige „Ich“, das Zusammenleben manchmal unmöglich macht. Ich schalte den Fernseher aus, ich, die ich diese Serie nicht ertrage. Und Wäschefalten, das eigene, ebenfalls nicht. Ich.
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