Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz: Ein wichtiger Fonds. Und viele Feigenblätter

Meinung Die Ergebnisse der Weltklimakonferenz beinhalten eine gute Nachricht. Und eine ganze Menge Heuchelei, auch von Deutschland
Die Ergebnisse der Klimakonferenz COP27 reichen nicht aus, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen
Die Ergebnisse der Klimakonferenz COP27 reichen nicht aus, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen

Foto: Ahmad Gharabli/AFP via Getty Images

Die gute Nachricht zuerst: Die COP 27, die 27. UN-Weltklimakonferenz, ist nicht gescheitert. Am frühen Sonntagmorgen ist sie doch noch mit einem gemeinsamen Beschluss der 195 UNO-Staaten zu Ende gegangen. Demnach wird von den Industriestaaten erstmals die Schuld für klimabedingte Schäden und Verluste eingeräumt. Inseln, die untergehen; Gletscher, die verschwinden, Böden, die durch den steigenden Meeresspiegel versalzen – die Schuldner werden Geld in einen Fonds einzahlen, damit Betroffene unterstützt werden können.

Zweitens wurde in der Abschlusserklärung bekräftigt, dass die Vertragsstaaten schrittweise aus der Kohle auszusteigen beabsichtigen. Was uns zu der schlechten Nachricht führt: Auf Erdöl und Erdgas wollen die Staaten nicht verzichten. Zwar hatten einige Länder, darunter Deutschland, darauf gedrängt. Die Mehrheit will aber, dass das fossile Zeitalter einfach so weiter geht.

Auf Kohle als Energieträger – „schrittweise“ – zu verzichten ist wohlfeil, selbst für Staaten, die große Kohlevorkommen besitzen: Längst liefern Erneuerbare Energien Strom wesentlich preiswerter, der Abbau lohnt sich einfach nicht mehr. Anders ist das mit Erdöl und –gas: Sie sind das Schmiermittel des Kapitalismus, die Antriebskraft der Profitmaschinerie. Mit dem kleinen Nebeneffekt, dass die Abgase – Kohlendioxid, Methan und Co. – den Strahlungshaushalt der Erde durcheinander bringen und so das Klima aufheizen, unser Wettersystem durcheinander bringen und den Meeresspiegel meterweise ansteigen lassen.

Klimawandelfolgen abfedern. Und Klimawandel laufen lassen?

Toll also, dass es jetzt einen neuen Fonds gibt, Außenministerin Annalena Baerbock (Die Grünen) sieht darin sogar „ein neues Kapitel in der Klimapolitik“, wie sie in Scharm el Scheich erklärte. Aber wäre es nicht besser, zuvorderst erst einmal alles zu tun, um den Schadensfall nicht eintreten zu lassen? Zum 27. Mal trafen sich die Klimadiplomaten zum Weltgipfel, 27 Jahre lang. In diesen 27 Jahren stiegen die Emissionen jedes Jahr auf einen neuen Höchststand. Die Klimadiplomatie hat es nicht nur nicht geschafft, die fossile Gier zu stoppen. Im Gegenteil: Sie entpuppt sich immer mehr zum Feigenblatt des Status Quo.

Man kann das gut mit Deutschland illustrieren: Die Bundesregierung bekräftigte auf dieser Klimakonferenz einmal mehr, eine Vorreiter-Rolle im internationalen Klimaschutz einzunehmen. Und sicherlich wird es Vertreter anderer Staaten geben, die Deutschland diese Rolle auch zuerkennen. Zu Hause aber schaltet diese Bundesregierung alte Kohlekraftwerke mit zwielichtigen Sondergenehmigungen wieder neu ans Netz und baut mit den Flüssigerdgas-Terminals eine neue fossile Infrastruktur für Jahrzehnte auf – unter Missachtung europäischer Naturschutzstandards. Da muss man sich nicht wundern, wenn andere Staaten nicht bereit sind, unserem fossilen Wohlstandsmodell eine Absage zu erteilen.

Es wird also Verluste und Schäden geben, einfach weil ein Weg, die Klimaerhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, noch immer nicht gefunden ist. Zwar bekräftigten die Vertragsstaaten auf der COP 27 wieder dieses Ziel. Die UNO hat aber berechnet, dass die Reduktionsziele dazu führen, dass die Welt am Ende des Jahrhunderts 2,8 Grad wärmer werden wird. Und es bleibt ja nicht bei diesen 2,8 Grad am Ende des Jahrhunderts: Treibhausgase sind sehr langlebig, manche bauen sich erst nach Jahrhunderten ab.

Deshalb ist es gut, dass es jetzt einen Fonds für Schäden und Verluste gibt. Allerdings sind die Details wieder einmal nicht geklärt: Wer zahlt wie viel ein? Wer verwaltet dieses Geld? Wer ist berechtigt, einen Antrag zu stellen? Und wie viel ist – beispielsweise – die Stadt Emden wert? Eine Studie kam vor einem Jahr zum Ergebnis, dass zwei Meter Meeresspiegel-Anstieg bereits jetzt feststehen. Emden liegt ein Meter hoch.

Nick Reimer, Wirtschafts- und Umweltjournalist, hat das Buch Schlusskonferenz - Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie vorgelegt.

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