Adventszeit

Kommentar Merz muckt gegen Merkel auf

Der kleine Aufstand des Friedrich Merz ähnelt schon selber dem Cartoon, den ein Karikaturist davon zeichnen könnte. Artiger Junge will auch mal aufmucken. Mutti sendet verachtenden Blick über den Küchentisch, gönnt dem Möchtegern nicht mal eine Strafe. Ein Slapstick, der unter anderem zeigt, dass unsere Wahlkämpferinnen und -kämpfer nun endlich ihren Weihnachtsurlaub brauchen. Man muss es sich einmal klarmachen: Diese armen Menschen, die schon Ende September restlos ausgebrannt waren, mussten danach einfach weitermachen! Der Kanzler guckte so übellaunig, dass die Magazine ihm Rücktrittsabsichten andichteten, dabei will er nur mal wieder richtig ausschlafen. Erst recht schrie die Opposition, unfähig, den Wahlkampf einzustellen, auf den Gassen herum. Die Regierung habe sich nur durch Betrug im Amt gehalten. Er sei betrogen worden, heult jetzt auch Friedrich Merz. Die Parteivorsitzende habe es unterlassen, ihm seine Degradierung vorher anzukündigen.

So macht man es einer Vorsitzenden leicht, "Führungsstärke zu zeigen". Wie um die letzten Zweifel zu beseitigen, dass ihm selbst das Kaliber zum Führen fehlt, hatte er ja auch noch die CDU-Mitglieder aufgefordert, die Gewerkschaften zu verlassen. Frau Merkel fuhr natürlich mit ruhiger Hand dazwischen: "Wir brauchen die Gewerkschaften..." Es sieht so aus, Merz hin oder her, als ob sie ihrem Job gewachsen ist. Sie konnte auch schon einem anderen Konkurrenten, dem hessischen Ministerpräsidenten Koch, einen Dämpfer verpassen. Koch ist der Strippenzieher der hysterischen "Wahllügen"- und Steuerboykott-Kampagne. Frau Merkel hatte sich zunächst hineinziehen lassen. Dann wurde sie von Gerhard Schröder in der Haushaltsdebatte aufgefordert, die Geister zurückzupfeifen, die sich da anschickten, den "demokratischen Prozess" auf die letzten Jahre von Weimar zurückzuwerfen. Die CDU-Vorsitzende sah ein, der politische Gegner hatte recht. Befragt, wie lange der Kanzler ihrer Meinung nach durchhalten werde, sagte sie einem ARD-Moderator, sie gehe von einer ganz gewöhnlichen Legislaturperiode aus. Seitdem ging´s spürbar auf Weihnachten zu, auch wenn Merz den besagten Rückfall hatte.

Übersehen wir indessen nicht, dass der artige Junge nur ausplauderte, was auch Mutti denkt. Ob sie Merkel, Wulff, Koch oder Merz heißen, sie warten alle nur auf eine günstige Gelegenheit, den DGB zu zerschlagen. Sonst hätte die Intervention von Merz denn doch ein anderes Ende nehmen müssen. Seine Aufforderung zum Gewerkschaftsboykott ist immerhin ein veritabler Skandal. Wenn sie da nur milde den Kopf schütteln, wissen wir Bescheid. Ein bisschen Dummheit ist auch dabei, denn nun wird die SPD in Hessen und Niedersachsen aufholen: "CDU bedroht Organisation kleiner Leute", kann sie auf dieselben Wahlplakate schreiben, auf denen eben noch die vernünftige Vermögenssteuer-Forderung - sie wurde auf Kanzlers Geheiß entfernt - dieser Organisation kleiner Leute stand.

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Geschrieben von

Michael Jäger

Redakteur „Politik“ (Freier Mitarbeiter)

Michael Jäger studierte Politikwissenschaft und Germanistik. Er war wissenschaftlicher Tutor im Psychologischen Institut der Freien Universität Berlin, wo er bei Klaus Holzkamp promovierte. In den 1980er Jahren hatte er Lehraufträge u.a. für poststrukturalistische Philosophie an der Universität Innsbruck inne. Freier Mitarbeiter und Redaktionsmitglied beim Freitag ist er seit dessen Gründung 1990. 1992 wurde er erster Redaktionsleiter der Wochenzeitung und von 2001 bis 2004 Betreuer, Mitherausgeber und Lektor der Edition Freitag. Er beschäftigt sich mit Politik, Ökonomie, Ökologie, schreibt aber auch gern über Musik.

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