Affenpension

Ausgedient Resozialisationsprojekt von Laborschimpansen gefährdet

Bis Weihnachten waren alle stolz auf die Arbeit der Verhaltensforscherin Signe Preuschoft. Die weltberühmte Primatenforscherin Jane Goodall lobte ihre Arbeit ebenso wie ihr Auftraggeber, der Pharmakonzern Baxter. Signe Preuschoft hatte es geschafft, über 40 ehemalige Laborschimpansen, von denen viele ihr ganzes Leben in neun Quadratmeter großen Einzelkäfigen verbracht hatten, wieder an die Gesellschaft von Artgenossen zu gewöhnen. Verhaltensstörungen zeigen die Tiere noch immer, aber immerhin suchen sie inzwischen soziale Kontakte. "Auch scheue Tiere haben begonnen, gegenseitige Fellpflege zu betreiben, und in Konflikten mit Dritten stehen sich befreundete Affen jetzt gegenseitig bei." Solche Verhaltensweisen, die für Schimpansen eigentlich natürlich sind, mussten diese Tiere erst mühsam erlernen.

Die Psychologin und Zoologin Preuschoft betreut die ehemaligen Versuchstiere seit zwei Jahren, zunächst noch in den Laborkäfigen der Firma Baxter, später dann im neu gebauten Affenhaus des österreichischen Safariparks Gänserndorf. Dort sollten die Schimpansen eigentlich ihren ruhigen und einigermaßen artgerechten Lebensabend verbringen. Der US-Konzern Baxter, der die österreichische Firma Immuno und mit ihr auch ihre Versuchsaffen übernommen hatte, beschloss 1999, die Tiere in Rente zu schicken. Er finanzierte den Bau des Affenhauses und zahlte eine monatliche Pension von 19.000 Euro für die Tiere.

Doch trotz Altersheim und laufender Rentenzahlungen ist die Zukunft des Resozialisierungsprojekts für die Affen inzwischen ungewiss. Im Januar 2004 meldete der Safaripark seine Insolvenz an. Eine von der Österreichischen Zoo Organisation (OZO) gebildete Auffanggesellschaft übernahm für drei Monate die Versorgung der Tiere, allerdings mit einem auf die Hälfte reduzierten Mitarbeiterstamm. Anfang Mai wurde diese Übergangslösung nochmals um drei Monate verlängert, danach ist wieder alles offen.

Für Signe Preuschoft bedeutete die Insolvenz einen Einschnitt in ihrer Arbeit. Seit Januar hat sie keine neuen Gruppierungen unter den Schimpansen vorgenommen - das heißt, bisher einzeln oder in Paaren lebende Tiere mit weiteren bekannt gemacht. Trotz unerwarteter Erfolge im letzten Jahr zeigen ihre Schützlinge noch immer massive Verhaltensstörungen. So ertrügen es etwa Mütter nicht, wenn sich ihre Kinder an sie klammerten. Andere Affen zeigen selbstzerstörerische Symptome, wie sich die Haare auszureißen oder eine Art Bulimie. Wie schlecht es den Schimpansen mit diesen "Stereotypien" wirklich ginge, wisse man jedoch nicht. "Auch Menschen", so Signe Preuschoft, "zeigen solche stereotypen Verhaltensweisen, zum Beispiel wenn sie an ihren Fingernägeln kauen".

Nicht nur in Österreich werden Laborschimpansen in Rente geschickt. Ende der neunziger Jahre gab es massive Zweifel daran, ob sich die nahen Verwandten des Menschen wirklich zur Erforschung von Hepatitis und HIV eignen. So entwickelte nur einer von hundert HIV-infizierten Schimpansen menschenähnliche AIDS-Symptome. Daher verzichtet die Forschung neuerdings weitgehend auf Versuche an Primaten. Doch nun sitzen die Forschungslabors voll mit nicht mehr benötigten Affen. 1997 galten ein Drittel der 1.500 in Labors der Nationalen Gesundheitsinstitute der USA einsitzenden Schimpansen als überflüssig. In den USA entsteht derzeit "Chimp Haven", ein Ressort für ungefähr 200 dieser Tiere.

Gern hätte Baxter auch die österreichischen Versuchskollegen dorthin überführt, doch die Ausfuhr der Schimpansen unterläge einem komplizierten Genehmigungsverfahren nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen. So wird Baxter die Sorge um seine Versuchspensionäre nicht los - und durch die Pleite in Gänserndorf eventuell gezwungen, seine Rentenzahlungen zu erhöhen.


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