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Opel Speedster Turbo
In diesem Antlitz wohnt der Wunsch zu töten, keine Frage. Das ist kein Volksstadel-Auto wie der Opel Vectra, sondern ein automobiles Mordgelüst. So gucken Irre in alten Filmen.

Mag sein, dass er nichts dafür kann - die Kindheit, die Eltern und so weiter, und ich glaube gern, dass man ihn mal schwer misshandelt hat. Die Frontscheinwerfer sehen jedenfalls aus, als wären sie mit Lidklammern so lange geweitet worden, bis alles Weiße hervortrat und die Augäpfel vor die Höhlen glubschten.

Ich sage Ihnen, was los ist: Dies ist der Wagen, der die mumifizierte Leiche seiner Mutter in einer spinnenverwebten Kellergarage gefangen hält; in einem mit Parkkrallen gefesselten Opel-GT vermutlich.

Offensichtlich hat jemand versucht diesen psychopathischen Straßenmäher aus dem Weg zu räumen und ist mit dem Hackmesser auf ihn los. Dabei hat er, was als Heck gedacht gewesen sein mag, glatt abgetrennt und etwas verursacht, das soviel Eleganz hat wie eine Nachttischschublade mit Innengriff.

Mitleid scheint fehl am Platz angesichts der beiden übereinander angeordneten Auspuffrohre, die einen angucken wie der Doppellauf einer Schrotflinte. Mich würde aber nicht wundern, wenn der Speedster sich plötzlich selbst wegpustet, denn dies ist ein sehr unglücklicher Wagen.

Ich glaube, er will unbedingt verhindern, dass jemand auf die Idee kommt, er könnte schwul sein. Denken Sie an den letzten Mann, der versucht hat Ihnen bei der Begrüßung die Hand zu zerquetschen, dann wissen Sie, wovon ich rede.

Er ist klein, er ist gemein, er ist hart, und er ist "irgendwie anders" - wer nicht, aber wenn jemand sagt, er sei ein Opel, fängt er an zu weinen.


Passat Variant
Dieser Wagen sollte ein Hirschgeweih tragen, aus gebürstetem Aluminium oder geseppeltem Wurzelholz mit Chromzierringen, serienmäßig und ohne Aufpreis.

Den sehe ich frühmorgens auf der Lichtung äsen, wie er im schwarzrotgoldnen Gegenlicht, Blattbüschel und Astwerk aus der Flora zerrt, mit seiner langen Silberzunge und dem gebleckten Raffzahnkühler, der stets vor dem eigentlichen Fahrzeugkörper anzukommen scheint, ganz so als wäre dieses verchromte Nagergebiss auch allein überlebensfähig.

Der Passat ist dynamischer geworden, heißt das werbesprachlich und meint wohl, dass er nicht mehr so ängstlich aus der Wäsche guckt wie in früheren Tagen. Jetzt, in der sechsten Generation, hat auch er den bösen Blick, ohne den es heute nicht mehr geht, gemildert allerdings, und das ist fast genial, durch die nach unten aus der Fassung gerutschten Augenlichter, die wie eine auf die Nasenspitze gesetzte Lesebrille, einen milden Großvater herbeisimulieren.

So schaut er streng, aber nicht boshaft, ein Klosterwagen, treu, sachlich, gewissenhaft, notfalls drakonisch, aber immer gerecht, ja, die Zeiten sind ernst, und das hier ist Deutschland auf Rädern, kreuzgerade im Priesterkragendesign.

Nur das Heck mit seinen vier Bonbon-Leuchten ruft "Kuckuck!" und guckt wie eine frisch entgleiste Straßenbahn, die Freiheit wittert.

Ein Auto zum Rückwärtsfahren.

Alfred Hellmann ist Schriftsteller und Kabarettist aus Berlin.


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