Alemanita mia!

FIDELS DEUTSCHE GELIEBTE Gifttabletten ins Bidet gespült - die Geschichte der Marita Lorenz

Ein Schiff läuft ein in den Hafen von Havanna, Wind weht von der See, der Himmel ist blau, und auf der Promenade spielt das Septeto Okay Cuba einen Tango von Carlos Gardel auf ganz eigene kubanische Art. An Bord ist Marita, unterwegs zu ihrer alten Liebe.

"You will be the Queen of Cuba", hatte er ihr einst versprochen, vor mehr als 40 Jahren, mit großartiger Geste, von der Brücke eines Schiffes aus - Dieses Schiff trägt den Namen Berlin, der Kapitän ist Maritas Vater - und der, der ihr Kuba zu Füßen legt, ist kein anderer als Fidel Castro, der gerade eine Revolution gewonnen hat. Marita, damals 19 Jahre alt, bleibt in Havanna - besiegt vom Charisma des Guerilleros. Doch sie wird nicht die "Queen of Cuba", denn bald schon erlischt Fidels Interesse an der schönen "Alemana", die - wenig später von der CIA geworben - beinahe zur Mörderin ihres großen Geliebten wird.

"Ich sagte: Mi cubano barburito - mein bärtiger Kubaner ..."

Im diesem Frühsommer kommt sie zurück, um ihn noch einmal zu sehen - sie hat seine Mütze bei sich und das kleine Köfferchen, in dem sie einst die Pillen trug, die ihn töten sollten. Weil sie ihn liebte, lebt er heute noch. "Er war anders, er war hübsch, interessant, exiting. Er hatte mich gern. Ich wusste das. Dann hat er immer gesagt: Alemanita mia, meine kleine Deutsche. And I said: mi cubano barburito - mein bärtiger Kubaner ..."

Dies alles klingt nach einem von diesen Stoffen, aus denen normalerweise schlechte Filme sind. Das denkt der Journalist Wilfried Huismann anfangs auch. Vor Jahren schon hat er die Geschichte von älteren Offizieren des Norddeutschen Lloyd gehört und hält sie für Seemannsgarn. Auch als er 1993 die in den USA erschienene Biografie der Marita Lorenz liest, ist er nicht überzeugt, aber neugierig geworden. Es soll trotzdem noch fünf Jahre dauern, bis er sich hinwagt zu Marita. Die hat bereits lukrative Angebote abgelehnt, ihre Geschichte zu verfilmen - doch Wilfried Huismann kommt aus Bremen, der Stadt, in der Marita aufgewachsen ist. Und so vertraut sie ihm schließlich ihr ganzes verrücktes Leben an. Huismann kann alle Details überprüfen und wichtige Zeitzeugen vor die Kamera holen, es gibt keinen Zweifel: Maritas Geschichte ist eine wahre Geschichte, auch wenn ihr Name in keiner der offiziellen Castro-Biografien zu finden sein wird. Maritas Mutter, Alice June Lofland, ist 19, als sie nach Europa kommt; so alt und so schön wie Marita, als die Fidel begegnet. Sie arbeitet als Schauspielerin, verliebt sich in den Kapitän Heinrich Lorenz auf der Überfahrt nach Deutschland. Sie heiraten und leben in Bremen. Dann beginnt der Krieg. Während Admiral Wilhelm Canaris - Chef der deutschen Abwehr und Freund des Hauses - erfolglos versucht, Lorenz als Doppelagenten für die Alliierten zu werben, arbeitet dessen schöne Frau fleißig im Dienste der Amerikaner, verhilft französischen Zwangsarbeitern zur Flucht, wird verhaftet und nach Bergen-Belsen verschleppt. Sie weiß nicht, dass auch ihre fünfjährige Tochter Marita dort ist. Marita erinnert sich an Kälte und Schläge und Gestank, und dass man ihr sagte, die Eltern seien tot. Aber sie überlebt das KZ und Jahre später auch die Vergewaltigung durch einen US-Offizier. "Das hat mich stärker gemacht und böse zum Leben", erinnert sie sich und beschreibt dabei vielleicht den Anfang ihres abenteuerlichen Weges. - Wer Bergen-Belsen überlebt habe, wird man ihr später sagen, könne auch für die CIA arbeiten.

Aber zwischen Bergen-Belsen und der CIA liegen glückliche Jahre, in denen Marita immer wieder auf den Schiffen ihres Vaters unterwegs ist. Die Mutter zieht mit den Kindern in die Vereinigten Staaten, doch Marita will immer raus aufs Meer, die Weite und die Freiheit spüren. Als am 23. Februar 1959 - sechs Wochen nach dem Sieg der kubanischen Revolution - die Berlin in Havanna einläuft, ist Marita längst nicht mehr das "böse, kleine Mädchen", sondern eine temperamentvolle junge Frau, die ihr Schicksal herausfordert.

Marita Lorenz ist acht Monate lang Fidel Castros Geliebte und erwartet ein Kind von ihm. Sie habe die Abtreibung nicht gewollt, beteuert sie; jemand habe ihr "was ins Glas getan". Ob die CIA dahinter steckte oder Fidel selbst, ist ein Geheimnis geblieben.

Marita verliert ihr Kind und Fidels Gunst. Die CIA sieht ihre Stunde gekommen. Marita scheint in ihrem Zustand das ideale Werkzeug für Mafia und Geheimdienst. Frank Sturgis, den Castro als den "besten und gefährlichsten CIA-Agenten aller Zeiten" bezeichnet (er kämpft 1957/58 unerkannt mit den Rebellen in der Sierra Maestra - Castro ernennt ihn nach der Revolution zum Chef des Geheimdienstes der Luftflotte), und der nur einen Wunsch hegt, nämlich Castro zu töten, erinnert sich: "Ich bekam den Auftrag, sie zu rekrutieren. Aus geheimdienstlicher Sicht war sie Gold wert. Und ich züchtete sie heran, bis sie bereit war, Castro zu vergiften."

Marita: "Fidel fragte - bist du gekommen, um mich zu töten? Ich sagte: ja. Ich war wie betäubt, dass er mich fragte. Er durchschaut einen. Du kannst ihn nicht anlügen. Er sagte: Niemand kann mich töten ..." Da hat Marita die Gifttabletten bereits ins Bidet gespült. Sie liebt ihn und kann ihn nicht umbringen.

Maritas Auftraggeber sind außer sich über deren Versagen, nehmen sie hart ran. Sie muss als Mitglied - und einzige Frau - in einer CIA-Einheit Anti-Castro-Aktionen mitmachen. Und auch dies tut sie, als gäbe es nichts Normaleres auf der Welt. Wenn sie Flugblätter über kubanischem Territorium abwirft, schreibt sie drauf: "Fidel, te quiero. La Alemana" (Fidel, ich liebe dich. Die Deutsche).

"Happy bandits" seien sie gewesen, erzählt sie, in der fröhlichen Zeit des Rock'n Roll. Ohne Skrupel scheint sie sich zwischen Pro und Contra zu bewegen. Und genau so redet sie auch darüber, mal auf englisch, mal auf deutsch, grammatikalisch nicht ganz sauber, aber mit nach wie vor erkennbarem Bremer Akzent, beinahe emotionslos, manchmal ein bisschen zynisch. Was für ein Mensch ist diese Marita Lorenz, die glaubt, übergangslos lieben und töten zu können - und die vor allem erschreckend glaubhaft macht, dass all dies möglich ist. Sie liebt Fidel und hat kurz danach ein Verhältnis mit Marcos Pérez Jiménez, dem venezolanischen Diktator (1952-58), der als einer der brutalsten Despoten Lateinamerikas gilt. Er lebt damals im Exil von Miami und ist natürlich ebenfalls gegen Castro aktiv. Von ihm bekommt sie eine Tochter - Mónica. Die heute 38-jährige Schauspielerin und Mutter trägt schwer an ihrer Herkunft und Vergangenheit. Dann heiratet Marita einen FBI-Agenten, und Sohn Mark wird geboren. Getarnt als Hausmeisterehepaar eines Appartementhochhauses spionieren sie die dort lebenden Ostblock-Diplomaten aus. Ein eher ruhiges Geschäft - Mark und Mónica sind von Kindesbeinen an dabei.

"Ich vermisse dich sehr und denke jeden Tag an dich ..."

Dann holt sie im November 1963 der Kennedy-Mord ein. Marita kennt Lee Harvey Oswald. Er gehört zu ihrer Terroreinheit, als sie kurz vor Kennedys Ermordung schwer bewaffnet nach Dallas unterwegs sind. Das sagt sie vor dem Untersuchungsausschuss aus. Danach ist Schluss mit dem lustigen Agenten-Leben. Marita wird eine Gejagte, sie und ihre Kinder entgehen nur knapp mehreren Mordanschlägen.

"Lieber Fidel, ich vermisse dich sehr und denke jeden Tag an dich. Ich lebe immer noch - zum Missfallen der amerikanischen Regierung", schreibt Marita, bevor sie ihre jetzige Reise nach Havanna antritt. "Lieber Fidel, mein Herz und meine Liebe gehören dir und Kuba für immer ..."

Trotzdem hat Fidel Castro sie nicht empfangen. Erinnert er sich an die Alemana, die er einst zur "Queen of Cuba" machen wollte und deren Liebe er sein Leben verdankt? Aber es gibt ein anderes Wiedersehen. Es gehört zu den ergreifendsten Szenen des Filmes: Marita trifft Jesús Yanez Pelletier - einst Fidels persönlicher Adjutant, heute der Staatsfeind Nr. 1, eines der "unvermeidlichen" Opfer der Revolution.

Er kam damals mit Fidel auf die Berlin, das Schiff des Kapitäns Lorenz, und hat die Liebesgeschichte zwischen der Alemana und seinem Comandante bis zum tragischen Ende miterlebt. Auch Pelletier sollte Fidel Castro umbringen, 1953 schon, auf Befehl des kubanischen Diktators Batista. Pelletier war damals Gefängnisdirektor von Pinar del Rio und Fidel sein Gefangener. Er verweigerte den Befehl, und Fidel schickte ihn in die USA, wo er die Bewegung des 26. Juli vertrat und Waffen für die Guerilla kaufte. Der Comandante "bedankte" sich, indem er die 30 Jahre Haft, zu der sein Adjutant 1960 wegen "Pro-Amerikanismus" verurteilt wurde, in 15 Jahre umwandelte.

"Er hat mein ganzes Leben versaut", sagt Marita, und hat trotzdem nicht aufgehört, ihn zu lieben. Marita verlässt Havanna wieder, aber ihre Geschichte ist noch längst nicht zu Ende geschrieben.

Der Film "Lieber Fidel..." von Wilfried Huismann - eine Koproduktion von SUR Films, WDR, SWR, CANAL+/ Spanien - hat im Oktober Premiere in Bremen, Marita will dabei sein. Huismann ist Autor zahlreicher Fernsehdokumentationen und -reportagen und dreifacher Grimme-Preisträger, u.a. "Im gläsernen Käfig - Opposition auf Kuba", "Gesucht wird ... Die Schuld an der Vulkan-Pleite. Millionen, Macht, Männerfreundschaften".

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