Alexis Tsipras verdient Respekt

Griechenland Europas erste radikal linke Regierung wurde abgewählt. Aber ist sie auch gescheitert?
Ausgabe 28/2019
Der neue griechische Ministerpräsident, Kyriakos Mitsotakis (links), beobachtet Alexis Tsipras' Abgang
Der neue griechische Ministerpräsident, Kyriakos Mitsotakis (links), beobachtet Alexis Tsipras' Abgang

Foto: Angelos Tzortzinis/AFP/Getty Images

In Griechenland sitzt nun wieder das alte Regime im Sattel, das Klientelsystem, das kaum jemand besser repräsentieren könnte als Kyriakos Mitsotakis, der Prinzling aus der konservativen Politikerdynastie. Abgewählt wurde damit Europas erste Regierung, die von einer neuen radikalen Linken gestellt wurde – von Alexis Tsipras und seiner Syriza-Partei. Ist das ein Scheitern? Vielleicht eines von der Art, das man erfolgreiches Scheitern nennen kann.

Griechenland war vor sieben, acht Jahren praktisch bankrott, musste unter EU-Kuratel, ihm wurde ein hartes Austeritätsprogramm auferlegt, das das Land für Jahre zurückwarf. Der Syriza-Wahlsieg 2015 war so gesehen eine Rebellion an der Urne. Und es wurde anfangs auch im Rebellenstil regiert. Alexis Tsipras’ Truppe war nicht besonders gut darin, sich im Umfeld der Europäischen Union die nötigen Verbündeten zu verschaffen. Aber isoliert kann einer im Euro-Netzwerk kaum agieren, besonders dann nicht, wenn er als Schuldner von seinen Gläubigern letztlich abhängig ist. Syriza musste Lehrgeld zahlen und am Ende viele der Vorgaben der Austeritätsfanatiker akzeptieren.

Tsipras’ Regierung schaffte zwar in gewisser Weise eine Trendwende – die Arbeitslosigkeit sank, das Land ist aus der totalen Talsohle heraus. Aber es ist eine Erholung auf niedrigstem Niveau. Dennoch wurde Tsipras bis zuletzt als einer gesehen, der wenigstens kämpft wie ein Löwe. Er wandelte sich zu einem Staatsmann, zu einem Sozialdemokraten – aber einem ohne den Ballast typischer SPD-Kleinmütigkeit und Apparatschikkultur. Längst beherrscht er die Kunst des Möglichen.

Das zahlte sich sogar bei den Wahlen aus. Mit knapp 32 Prozent holte Syriza ein Ergebnis, von dem die meisten Mitte-links-Parteien nur träumen können. Syriza und die sozialdemokratische Ex-Pasok haben rund 40 Prozent, mit den Kommunisten und der Partei von Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis bringt die griechische Linke sogar knapp 49 Prozent auf die Waagschale. Gescheitert ist nicht Tsipras, gescheitert sind die europäischen Progressiven, die es nicht einmal in Ansätzen schaffen, Mehrheiten für eine gerechte Wirtschaftspolitik zu gewinnen. Gegen den Rest der EU-Partnerstaaten kann man heutzutage in der Eurozone am Ende kaum mehr erfolgreich regieren.

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