Alle könnten gewinnen

Kommentar Die Revolution der Biokraftstoffe

Die Gespräche beim Gipfeltreffen der G 8 + 5 in Heiligendamm haben endgültig geklärt, dass der Klimawandel und der Gebrauch neuer sowie erneuerbarer Energiequellen von derart universeller Bedeutung sind, dass die Stimme des Südens gehört werden muss. Nicht nur, weil das Schicksal unserer Bevölkerungen ganz direkt von der Erderwärmung betroffen ist. Aus unseren Gesellschaften heraus werden innovative und kreative Lösungen für die existenzielle Herausforderung "Klima-Revolution" angeboten. Wie die Staats- und Regierungschefs von Südafrika, Brasilien, China, Indien und Mexiko den G 8 Gipfel im Juni bereichert haben, das lässt keinen Zweifel am Wert eines vertieften und authentischen Nord-Süd-Dialogs.

So hat Brasilien eine 30jährige Erfahrung bei der Herstellung von Kraftstoffen, die den nationalen Energiehaushalt sichern und zugleich breit gestreute Vorteile mit sich bringen - hauptsächlich für die Umwelt. Die Mischung von 25 Prozent Ethanol im Benzin und der Einsatz von reinem Alkohol bei den "Flex-Fuel"-Kraftfahrzeugen - sie fahren mit der Mischung Benzin/Alkohol - haben bei uns den Konsum und Import von fossilen Brennstoffen um 40 Prozent gesenkt. Seit 2003 wurden dadurch mindestens 120 Millionen Tonnen Kohlenstoff weniger emittiert, um die weltweite Erwärmung einzudämmen.

Die Ethanolindustrie hat zudem in Brasilien unmittelbar 1,5 Millionen und indirekt 4,5 Millionen Arbeitsplätze entstehen lassen. Das heißt, biogene Brenn- und Kraftstoffe helfen im Kampf gegen den Hunger, sie schaffen Einkommen für die Armen und beschwören keine Gefahr für die allgemeine Nahrungsmittelversorgung herauf. Anders als oft dargestellt, werden in meinem Land nur etwa zwei Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens für diese Produktion gebraucht.

Wir wollen mit einem solchen Energie-Programm Menschen sesshaft machen und ungeordnete Migrationsbewegungen entmutigen, die unsere urbanen Zentren überlasten und dort die Marginalisierung Hunderttausender forcieren. Auch wird der Druck der kleinen Bauern und Minenbetreiber auf Landnahme in den Urwäldern abgeschwächt. Außerdem hat die Ausweitung des Zuckerrohranbaus dazu beigetragen, dass große Zonen mit abgewirtschafteten Weidegebieten, kaum bewirtschafteten Böden oder Brachland zurückerobert wurden.

Vorzugsweise aus diesen Gründen haben biogene Brenn- und Kraftstoffe einen ganz besonderen Stellenwert für Entwicklungsländer. Sie stellen eine veritable Option für ein nachhaltiges Wachstum dar - vorrangig für Staaten, die von der Rohstoffausfuhr abhängig sind. Warum sollten die sogenannten Least Developped Countries, die reich an Sonne und landwirtschaftlichen Anbauflächen sind, diese soziale und technologische Alternative nicht erschließen?

Es ist meine feste Überzeugung, dass die Biotreibstoffe im Zentrum einer planetarischen Strategie des Umweltschutzes stehen sollten. Abkommen, wie das zwischen Brasilien und den USA und jene, die gerade mit europäischen Ländern ausgehandelt werden, sehen eine trilaterale Kooperation in der Karibik, Zentralamerika und Afrika vor - man wird sehen, inwieweit dabei die brasilianische Technologie an die verschiedenen klimatischen Bedingungen und Bodenbeschaffenheiten angepasst werden kann.

Für eine Welt, die offenkundig keine durchschlagende Lösung für eine zusehends zerstörte Umwelt und verteuerte Energie aufzubieten vermag, können Biobrennstoffe die große Hilfe sein. Für verarmte Länder sind sie überdies ein mächtiger Alliierter, um sozialer und politischer Instabilität zu begegnen, um Gewalt und ungebremste Migrationen aufzufangen.

Eine solche Revolution wird aber nur möglich sein, wenn der reichere Teil der Welt seine Märkte für die Unterprivilegierten tatsächlich öffnet, Agrarsubventionen abschmilzt und Importschranken für Biokraftstoffe abräumt. Biogene Brennstoffe sind eine Alternative, die der Menschheit helfen könnte, als ein Ganzes zu gedeihen. Niemand wird ausgeschlossen. Die Zukunft der neuen Generationen muss nicht weiter belastet werden. Genau diese Botschaft werde ich auch zur Weltkonferenz über Biokraftstoffe überbringen, die Brasilien im nächsten Jahr ausrichtet. Alle könnten gewinnen.

Luiz Inácio Lula da Silva ist Präsident der Bundesrepublik Brasilien


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