Alles dufte?

Hornbach Alltagsrassismus wird alltäglich, wenn er immer und immer wieder reproduziert wird. In Werbespots zum Beispiel
Ausgabe 17/2019
Setzen,  Sechs! Keine Pointe
Setzen, Sechs! Keine Pointe

Foto: Imago Images/Ecomedia/Robert Fishman

Ich möchte Ihnen etwas über Alltagsrassismus erzählen. Was Alltagsrassismus ist? Alltagsrassismus ist, wenn ich wie kürzlich ein Interview mit einer deutschen Formel-1-Legende führe und diese, statt auf meine Fragen einzugehen, einen Chinesen-Witz aus der Kladde vorliest. Alltagsrassismus ist, wenn mich ein linker Punk in der S-Bahn anschnorrt, ich ihm nicht helfen kann und er mich anbrüllt: „Ihr Asiaten seid alle gleich. Ihr gebt nie was ab!“ Alltagsrassismus ist, wenn Die Zeit einen Artikel über chinesische Leihfahrräder mit Die Gelbe Gefahr betitelt und keiner darüber spricht. Alltagsrassismus ist, wenn man im Dialog etwas als potenziell rassistisch anspricht und es gleich heißt: Man solle sich nicht anstellen. Natürlich sähen alle Asiaten gleich aus. Deshalb sei man noch lange kein Rassist. Alltagsrassismus ist, wenn es mal nicht um die „großen“ Themen wie grapschende Flüchtlinge, libanesische Gangster-Clans, Islamisierung und Abschiebung geht.

Alltagsrassismus ist der Werbespot So riecht das Frühjahr der Baumarktkette Hornbach. Hier sieht man eine Handvoll unförmiger, ineffizienter, deutscher Männer ihre Frührente mit selbst geschaffenen Garten-ABMs ausfüllen. Ihre Körpersaft-triefenden Unterhosen und Unterhemden werden nach getanem Tagewerk von einem Unternehmen vakuumiert, nach Asien verschifft und offensichtlich in Tokio an Automaten verkauft. Eine junge, attraktive Japanerin, es könnte eine Schülerin sein, kauft sich einen Plastikbeutel Schmutzwäsche. Sie öffnet diesen, holt tief Luft und empfindet instantan orgasmatische Zustände. So riecht das Frühjahr im Werbedeutschland 2019: nach getragener, brauner Männerunterwäsche. Alltagsrassismus sind Klischees. Asiatische Frauen haben im Westen mit besonders vielen, subtilen Klischees zu kämpfen. Die gängige Einschätzung: Asiatinnen sind unterwürfige Geishas – demütig, still, serviceorientiert, hübsch und so handlich zu vögeln wie ein Samsonite-Trolley.

Alltagsrassismus ist, wenn Dinge wie dieser Werbespot kein Fehler sind. Wie oft müssen bei der Produktion einer europaweiten millionenschweren Kampagne für TV und soziale Medien Dutzende Vorstände, Marketing-Chefs, Kreativdirektoren, Regisseure und Quality-Gates vom Konzept bis zum Post über diesen vermeintlichen Witz gelacht und sich nichts weiter gedacht haben?

Alltagsrassismus in Deutschland ist, wenn Wochen nach dem Eklat der Spot noch immer offiziell online abrufbar ist und in Teilen Europas ausgestrahlt wird. Obwohl er Thema in südkoreanischen und japanischen Nachrichtensendungen war, eine Online-Petition 40.000 Unterschriften dagegen sammelte, die japanische und südkoreanische Botschaft offiziell ihre Irritationen bekundeten und der Deutsche Werberat den Spot als diskriminierend und rassistisch einstufte – Hornbach denkt weiterhin nicht an eine öffentliche Entschuldigung und verweist mansplainend auf den Humor. Apropos Humor. Tauschen Sie mal die Männer in dem Spot durch ebenso unattraktive Männer aus Afghanistan aus und statt einer Japanerin schnüffelt Ihre Tochter erregt an dem Fetischbeutel. Dann finden Sie noch heraus, dass der ganze Film „bloß“ Werbung für ein Geschäft ist, das Kettensägen, Zement und Schaufeln verkauft. Wo ist die Pointe? Ein bisschen verstörend, nicht? Reden wir jetzt noch mal über überzogene Empfindsamkeit. Alltagsrassismus ist das, was Hornbach schon vor Jahren mit dem eigenen Slogan verkündete: Es ist in dir – Lass es raus!

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