George Clooney hält eine Rede vor der UNO-Vollversammlung. Er spricht über die Auseinandersetzungen in Darfur, die Anwesenden klatschen eifrig Beifall. 154 sogenannte Sonderbotschafter „des guten Willens“ leistet sich die UNO, darunter die Schauspielerin Angelina Jolie, die regelmäßig Flüchtlingslager besucht und die Weltöffentlichkeit zum Spenden auffordert. Auf dem Weltwirtschaftsforum diskutiert U2-Sänger Bono mit Angela Merkel und Tony Blair. Die Beispiele für solches Engagement ließen sich leicht vermehren: Regieren die Stars mit?
„Bono hat regelmäßig Vier-Augen-Gespräche und Audienzen bei den mächtigsten Staats- und Regierungschefs weltweit, auch bei kirchlichen Oberhäuptern wie dem damaligen Papst
igen Papst Johannes Paul II.“, schreibt Bastian Timm. Sein Buch, Ergebnis einer Doktorarbeit an der Universität Bremen, beschreibt die Macht der Stars. In den Celebrities, den Popmusikern und Filmstars, sieht Timm neue Akteure in der (internationalen) Politik, Akteure mit beachtlicher soft power: Weil die Öffentlichkeit ihnen scheinbar unbegrenzt Aufmerksamkeit schenkt, können sie seiner Meinung nach Themen auf die politische Tagesordnung setzen und durch ihre moralische Autorität politischen Druck aufbauen.Diesen Einfluss versucht Timm am Beispiel der Darfur-Krise 2006 und 2007 nachweisen. Die Interventionen eines George Clooney oder Steven Spielberg hätten dazu geführt (oder wenigstens dazu beigetragen), dass China schließlich Druck auf die sudanesische Regierung ausübte, um die Kampfhandlungen in Darfur zu beenden.Eine Resolution der Vereinten Nationen, die ein Ende der Kampfhandlungen forderte, und den Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten nennt Timm „wichtige Etappen-Siege, es bedarf jedoch weiterer gemeinsamer Kraftanstrengungen von Celebrities, Zivilgesellschaft, Politik und Öffentlichkeit“.Bevor nun die Leser bange fragen, wie eine Welt aussähe, die von Bono, Bob Geldorf und Sting gemeinsam regiert würde – Regenwald bis vor die Haustür und Innenminister ist der Dalai Lama? – noch sind die Celebrities so etwas wie das schmückende Beiwerk des politischen Betriebs. Und das werden sie auf absehbare Zeit auch bleiben. Timm überschätzt ihre politische Bedeutung gewaltig.Dass seine Analyse letztlich wenig erhellend ist, liegt daran, dass in ihr „die Öffentlichkeit“ – bei genauerer Betrachtung ein ganz unbestimmter Begriff, der einen außerordentlich komplizierten Prozess bezeichnet – die Institutionen und politischen Entscheidungsträger vor sich her treibt. Dabei bleibt Entscheidendes außen vor: Dass es in der Regel die Institutionen sind, die, zusammen mit den Medien, die politische Agenda bestimmen. Dass beide dabei jeweils eigene Interessen verfolgen. Und dass das schließlich auch für die prominenten Multiplikatoren gilt. Die Stars setzen keine Probleme auf die Tagesordnung, sondern sie suchen sich eines aus dem gegebenen Angebot heraus. Kein Wunder also, dass ihre Betätigungsfelder in aller Regel solche sind, gegen die niemand (öffentlich) etwas haben kann.Die Macht der Stars ist kein gutes Buch. Ein großer Spaß ist allerdings das „Top 50 Celebrity – ABC“ im Anhang, in dem die philanthropischen Aktivitäten der Prominenten tabellarisch aufgelistet sind, samt ihrer „Hauptanliegen“. Meistens sind das „AIDS“, „Kinder“ und „Afrika“. Bei dem Gouverneur Kaliforniens Arnold Schwarzenegger gehören aber zu den Hauptanliegen auch „Behinderte“ und „Gesundheit“ – worauf niemand von allein gekommen wäre, der das kalifornischen Gesundheitssystem kennt.Die Kulturwissenschaft tut sich schwer mit den „Berufsberühmtheiten“, wie Karl Kraus sie nannte. Alle Welt kennt sie, aber sind sie deswegen wichtig? „Sie erscheinen bedeutsam, weil die Medien sie bedeutsam machen“, sagt Eric Louw. „Prominenz“ ist, kurz gesagt, eine Funktion der Kulturindustrie. Ihr tautologischer Charakter wird überdeutlich, wenn die TV-Moderatorin Oprah Winfrey zu den „hundert einflussreichsten Menschen der USA“ gezählt – weil die Internetsuchmaschinen die meisten Einträge ihres Namens finden: Prominent ist, wer prominent ist.Das politische Engagement der Popkultur in den Sechziger und Siebziger Jahren – die „Protestkultur“ – kam in den Achtzigern herunter zu einer diffusen Wohltätigkeit. Das Benefizkonzert „Band Aid“ war dabei stilprägend, der Anfang einer permanenten Spendengala mit wechselnden Opfern. Man könnte es auch Dauerwerbesendung nennen; schließlich wirbt der Wohltäter immer auch für sich selbst, wenn er die Aufmerksamkeit auf einen Übelstand in der Welt richtet.Wohltätige Zwecke bieten den Berühmtheiten, Politikern und Medien, die Gelegenheit, in Verbindung zu treten und Aufmerksamkeit zu bekommen. Ganz neu ist das nicht – erinnert sei an Brigitte Bardot plus Seehund. Nur sieht mittlerweile der Politikbetrieb dem Showbusiness so ähnlich, dass man schon ganz genau hinschauen muss, um Unterschiede zu erkennen. Dass die Prominenten als Politiker erscheinen, ist davon die Kehrseite, Ausdruck der Entpolitisierung der Politik, Kritik, die Anwesende grundsätzlich ausnimmt.Die Kulturprominenz hat dabei allerdings, im Gegensatz zu den Politikern und Funktionären, den Vorteil, dass ihnen die Pose des empörten Empörers besser steht. „Es ist sehr einfach, Herr Gouverneur!“, rief Bob Geldorf einst von der Bühne. „Wenn Menschen hungrig sind, dann sterben sie. Also verschonen Sie mich mit ihrer Politik und sagen Sie mir, was sie brauchen, und wie sie diese Leute versorgen werden!“ Spare me your politics – es ist symptomatisch für die „Machtausübung“ der Stars, dass sie von Schwierigkeiten und Widersprüchen nichts hören wollen, weil alles doch eigentlich ganz einfach ist: Hier das Elend, da die Mittel, es aufzuheben. Wäre es wirklich so, es wäre kindlich und rührend.Der große englische Satiriker Douglas Adams – kein Spaß! – hat in Per Anhalter durch die Galaxis das Verhältnis von Macht und Prominenz wunderbar beschrieben. Er fasst es mit seiner Figur des „Präsidenten der Galaxis“, der die Regierung des gesamten bekannten Universums repräsentiert – aber glücklicherweise nichts zu sagen hat. Er ist ein Prominenter und wird nicht wegen seiner Führungsqualitäten ausgewählt, sondern wegen seiner faszinierenden Art. „Sein Job ist nicht, Macht auszuüben, sondern die Aufmerksamkeit von ihr abzulenken.“
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