Die CIGS-Technologie ist in der Solarwirtschaft der letzte Schrei. Statt der blau schimmernden Siliziumscheiben nutzt sie eine hauchdünne Schicht aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen, die Sonnenlicht viel effektiver in Strom umwandelt. Die „alte“ Solarzelle wirkt gegen diese Technologie wie ein Fernsprech-Apparat neben einem Handy.
Die Firma Solibro hat diese Technologie maßgeblich mitentwickelt. Trotzdem stand sie vor dem Aus, als der Bitterfelder Mutterkonzern Q-Cells Anfang des Jahres pleiteging. Im Juni konnten die 430 Solibro-Mitarbeiter aufatmen: Die chinesische Hanergy Holding Group Limited will den Hersteller übernehmen. Doch die frohe Kunde lässt bei manchem in der Branche die Alarmglocken schrillen.
Hauptgeschäftsfeld des Pekinger Konzerns war
ger Konzerns war bis dato der Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken. Nun ist er auf Einkaufstour in Deutschland. Im Juli wurden Verhandlungen zwischen Hanergy und dem insolventen Dünnschichtspezialisten Global Solar bekannt. Die Berliner sind weltweit führend bei der Entwicklung von flexiblen Solarzellen – nach der CIGS-Dünnschichttechnologie. Spätestens als Mitarbeiter der Berliner Firma Soltecture vom Kaufinteresse der Chinesen berichteten, schwante Experten: Hanergy geht es nicht um die deutschen Firmen, sondern um Technologie.„Über 200 Arbeitsjahre haben unsere fünfzig Ingenieure bereits in die CIS-Technologie investiert“, heißt es stolz bei Soltecture. CIS ist ebenfalls eine Dünnschichttechnologie, die eine eintausendstel Millimeter dicke Schicht aus Kupfer, Indium und Selen nutzt. Im Mai ging die Entwicklungsfirma pleite. „Wir haben in Technologie investiert und eine Spitzenstellung erreicht. Und jetzt werden wir nach China verramscht“, klagt ein Mitarbeiter. Der Fall sei ein Lehrstück über die desaströse deutsche Industriepolitik bei Solar.Patente, echt preiswert„Bei der Übernahme geht es nicht nur darum, unsere Position auf einem internationalen Markt zu stärken. Wir wollen zwischen den beiden Unternehmen Synergien realisieren“, erklärte Hangergy-Chef Li Hejun nach dem Solibro-Deal. Und Synergien gibt es auch mit deutschen Patenten: Warum selbst Milliarden in die Forschung stecken, wenn man in Deutschland derzeit schon für wenige Millionen auch noch die Maschinen, Fachkräfte und Vertriebsstrukturen dazu bekommt?Beispiel Solon aus Berlin: Für knapp 3,7 Millionen Euro ging der Solarmodulproduzent im April an den Konzern Microsol aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Solon war im Herbst 2007 noch mehr als eine Milliarde Euro an der Börse wert. Beispiel Sunways vom Bodensee: Der chinesische Solarkonzern LDK übernahm den innovativen Wechselrichter- und Modulproduzenten zu Jahresbeginn. Knapp 5,8 Millionen Euro zahlte der frühere Konkurrent aus China. Beispiel Dünnschichtspezialist Inventux: Anfang August griffen südamerikanische Minenkonzerne zu.„Dass deutsche Patente, Knowhow und Hochtechnologie verramscht werden, ist längst Realität“, urteilt Hans Thoma, Chef der Thoma-Gruppe, die in der Oberpfalz ihr Hauptgeschäft mit dem Bau von solaren Fertigungsanlagen macht. „Kurzfristig ist es natürlich herrlich, wenn angeschlagene Unternehmen einen Investor aus China finden. Doch diese sind am Marktzugang und der Technologie interessiert“, erläutert Ulrich Blum, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Halle. Die Produktionsstätten und einfachen Mitarbeiter seien dagegen für die Investoren uninteressant: Der Markt leidet unter einer gigantischen Überkapazität.Politik versagtDas New Yorker Investmenthaus Axiomcapital hat unlängst die weltweite Produktionskapazität für Solarzellen auf jährlich 55.000 Megawatt beziffert. Dem stehe dieses Jahr jedoch nur eine Nachfrage von rund 15.000 Megawatt gegenüber. Zum Vergleich: In Deutschland sind derzeit Solaranlagen mit einer Leistung von 29 Megawatt am Netz. Deswegen erscheinen insolvente Solarfirmen für europäische Konzerne auch wenig attraktiv. Potenzielle Investoren wie BP, RWE, Siemens oder Bosch leiden selbst bereits unter ihren Erneuerbaren-Sparten.Wirtschaftsforscher Blum warnt, dass mit den Fabriken auch die Forschung nach Asien verloren gehe. Dies sei eine grundlegende Erkenntnis aus vielen anderen Branchen: „Ohne Endfertigung wird es langfristig auch keinen Solar-Maschinenbau und keine Forschung mehr geben.“ Sein Vorwurf: Die Politik schaue tatenlos zu, wie in wenigen Monaten die deutsche Solarbranche zusammenbricht.Umweltminister Peter Altmaier (CDU) betont, er wolle die Solarwirtschaft im Land behalten. Dies sei „ein nationales Interesse“. Die deutsche Branche müsse Solarprodukte so weiterentwickeln, dass sie sich neue Wettbewerbschancen erschließen könne: „Ich möchte, dass die deutschen Firmen weiter einen Fuß in der Tür haben und dabei sind, wenn der Kuchen verteilt wird.“ Doch Wirtschaftsforscher Blum hält die Lage der Branche bereits für dramatisch: „Die Politik muss ernsthaft über die Gründung einer Holding diskutieren, um wichtige Technologiefirmen zu erhalten“. Dafür solle eine Milliarde Euro bereitgestellt werden, mit der aus der Insolvenzmasse der Firmen die Patente herausgekauft werden können. Dies sei immer noch billiger, als die zig Milliarden abzuschreiben, die in der Forschung und Entwicklung bereits ausgegeben wurden. „Zuerst muss die Technologie gerettet werden“, sagt Blum. „Vor allem muss die Politik die Patente im Land erhalten. Die Patente sind die Voraussetzung, um einen Neustart zu versuchen.“Längst sind es nicht nur kleine Nischenfirmen, die ins Visier ausländischer Investoren geraten, sondern sogar der ehemals weltgrößte Solarkonzern Q-Cells. Noch 2007 produzierte er jede zweite Solarzelle weltweit. Nun ist Q-Cells pleite und sucht händeringend nach einem Investor. Derzeit prüft der südkoreanische Mischkonzern Hanwha die Bücher in Bitterfeld. Die Hanwha-Gruppe gehört mit einem Umsatz von rund 27 Milliarden US-Dollar zu den größten Unternehmen Südkoreas.Auch die Südkoreaner interessieren sich für die Patente. Gerade erst hat die Entwicklungsabteilung von Q-Cells einen Weltrekord mit neuer Technik aufgestellt: eine Solar-Zelle mit 301 Wattpeak Leistung. Q-Cells erklärte, dieser Erfolg unterstreiche den „Technologievorsprung deutscher Qualitätshersteller“ und die „Spitzenposition“ des Unternehmens in der Photovoltaikbranche. Bald aber dürfte das Unternehmen aus Sachsen-Anhalt kein deutscher Konzern mehr sein.