Alles und nichts

Krieg am Hindukusch Methode Neutralisierung: Merkel ruft die ganz große Koalition zusammen und will einen Afghanistan-Wahlkampf beenden, der gerade erst begonnen hat

Afghanistan, das war das Thema, das der Kanzlerin noch wirklich hätte gefährlich werden können. Nach dem tödlichen Bombardement am vergangenen Freitag stand nicht nur der Verteidigungsminister in der Kritik, ging es nicht nur um den Befehl eines Offizier, war nicht nur die Informationspolitik der Bundesregierung bemängelt worden. Der Bundeswehreinsatz als Ganzes schien zum Streitgegenstand zu werden. Weit über das Feld der „üblichen Kritiker“ hinaus. Und das in einem Wahlkampf.

Die vergangenen Tage: Da rumorte ein ehemaliger Verteidigungsminister der CDU, das deutsche Engagement sei ein „Desaster“ und forderte den Rückzug binnen weniger Jahre. Da forderte ein CSU-Vorsitzender von der kommenden Bundesregierung die „Vorlage für einen Truppenabzug“. Da suchte ein SPD-Spitzenkandidat plötzlich sein Heil in dem Wahlkampfversprechen, „als Kanzler“ mit der afghanischen Regierung einen „klaren Fahrplan“ für das Ende des Bundeswehreinsatzes zu vereinbaren. Da signalisierte eine kriegskritische Linke eine rot-grün-rote Kompromisslinie als Oskar Lafontaine davon sprach, wenigstens ein festes Datum zu nennen „etwa 2010 oder 2011“. Da forderten die Grünen von der Kanzlerin eine Entschuldigung für die zivilen Opfer des Luftschlages.

Mit ihrer Regierungserklärung hat Merkel der Dynamik dieser Debatte den Boden entzogen. Die Kanzlerin hat die ganz große Koalition der Bundespolitik zusammengerufen. Sie hat das auf ihre ganz typische Weise getan, mit einem kleinen Basta – vor allem aber mit einer Rede, die für alle etwas bereithielt, außer für die Kriegsgegner der Linken.

Merkel hat Bedauern für zivile Opfer erklärt, hat eine Konferenz vorgeschlagen, die „klare Zeitvorgaben“ machen soll, hat von einer „Übergabestrategie“ gesprochen und die Mär vom Krieg gegen den Terrorismus weitererzählt. Wir wurden über Erfolge beim Brunnenbau und bei Demokratieexport unterrichtet. Olivgrüne Wiederaufbauhelfer konnten sich in der Erklärung genauso wiederfinden wie knallharte Sicherheitspolitiker. Und am Ende zog die Kanzlerin über allem noch die schwarzrotgoldene Fahle der Staatsräson auf: Dienst für den Frieden, wehrhafte Demokratie, Bündnistreue – das seien die Prinzipien einer Außenpolitik, die keinen deutschen Sonderweg vertrage. Das sollten alle wissen.

Sie werden es sich zu Herzen nehmen. Mit der Regierungserklärung dürfte der Afghanistanwahlkampf beendet sein, bevor er so richtig begonnen hat. Der Rahmen, den Merkel abgesteckt hat, ist so breit und unverbindlich, dass sich von den rot-grünen Truppenentsendern bis zu den schwarz-gelben Einsatzerben alle darin wiederfinden können. Und noch genug Platz haben, hier und da eine Auffassung zu äußern, die den Eindruck von politischer Eigenständigkeit erweckt. Draußen steht nur die Linkspartei – und wenn die Demoskopen recht haben, dann bringt ihr die friedenspolitische Konsequenz, mit der sie auftritt, im Wahlkampf nicht einmal Punkte. „Sie wird wegen ihrer Sozialpolitik gewählt und insofern wird ihr dieses Thema nicht sonderlich viel nützen“, sagt Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner. „Wenn der Außenminister und die Kanzlerin relativ auf einer Linie liegen, ist das etwas, das sich dann politisch neutralisiert.“

Neutralisieren – genau das ist es, was Merkel will. Sie spreche hier „in ihrer aller Namen“, hat sie in ihrer Regierungserklärung gesagt. Es war im Parlament kein Widerspruch zu hören. Vielleicht geht von den Protesten gegen den Krieg in Afghanistan, die dieser Tage stattfinden, ein Signal aus, dass der Meinung einer Mehrheit in der Bevölkerung eher entspricht: Not in Our Name!

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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