Allfinanz-Alltag

Kommentar Griff nach der "Riester-Rente"

Seit Wochenfrist dürfen die Dresdner Bank-Aktionäre per Aktientausch beziehungsweise dessen Verweigerung abstimmen: Das durch doppelseitige Anzeigen in einschlägigen Blättern publizierte Angebot der Allianz umfasst auch eine üppige Barkomponente und dürfte schon deshalb seine Wirkung nicht verfehlen. Ein Zeichen dafür, dass man sich hier in der good Old Economy bewegt, wo bei solchen Transaktionen nicht nur eine Hoffnung die andere ablöst. Das Angebot enthält bezogen auf die derzeitige Marktbewertung nur eine geringe Prämie; was für einige unzufriedene Stimmen sorgt.

Einstweilen muss der Allianz-Vorstand sich jedoch viel mehr damit auseinandersetzen, dass man bei einer Übernahme auch die schlechten Zahlen übernimmt: Wie alle Banken mit starken Investment-Aktivitäten trifft auch die Dresdner der Einbruch am Aktienmarkt und beim Geschäft mit Unternehmensfusionen wie -übernahmen hart. Einen weiteren Faktor, der die Profitabilität der Dresdner wie auch anderer Banken beschränkt, stellen die wachsenden IT-Kosten der alltäglichen Transaktionen dar. Die horrenden Investitionen in diesem Bereich veranlassen die Vorstände auch konkurrierender Institute zu Gedankenspielen wie dem, entsprechende Systeme in Zukunft gemeinsam zu nutzen. Das Gewinnwachstum wird jedenfalls hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückbleiben; was den Plänen zur Schließung von Dresdner Bank-Filialen und zum Personalabbau Auftrieb gibt. Doch der Löwenanteil der erwarteten Zusatzerträge soll selbstverständlich nicht aus Einsparungen, sondern aus dem Wachstum des Geschäfts resultieren. Als Stichwort fungiert hier jene Neuschöpfung, die seit Wochen durch die Medien geistert: die "Riester-Rente". Demnächst seien hier jährlich einige hundert Milliarden Euro einzusammeln und da wolle man nicht abseits stehen. Die Schlüsselposition zu diesem Geschäft besetzten jedoch die Banken, weshalb man sich halt als Versicherung eine kaufen muss. So zumindest die Argumentation des Allianz-Vorstands.

Der folgenreichste Aspekt der "Riester-Rente" und der in ihrem Zeichen sich vollziehenden Neuordnung des Finanzsektors bleibt jedoch weithin undiskutiert: der Umstand, dass die Verfügung über einen weiteren Teil des volkswirtschaftlichen Produkts in die Hände einer kleinen Gruppe übergeht, in die von Fonds-Verwaltern, deren am Shareholder-Value - sprich: an der Profitmaximierung - orientierte Politik mit den Interessen der Lohn- und Gehaltsbezieher, deren Gelder sie verwalten, kaum kongruent sein dürfte. Hinter der naiven Erwartung, mit der kapitalgedeckten Rente die Probleme einer alternden Gesellschaft lösen zu können, steht die Verwechslung von Finanz- mit Realinvestitionen. Das reale Problem, die volkswirtschaftliche Produktivität zu steigern und deren Ertrag angemessen zu verteilen, ist durch die Aufblähung der Finanzmärkte aber nicht zu lösen.

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