Ralf König gelingt seit Jahren, was einfach aussieht, aber schwer zu machen ist. Er verbindet scheinbar mühelos Tiefgang und Leichtigkeit, Spaß und Ernst. Vordergründig zeichnet König lustige Knollennasen-Männchen, die amüsant respektlos über Affären, Sex und Beziehungsstress reden. Spätestens seit sein Comic Der bewegte Mann erfolgreich verfilmt wurde, ist das komödiantische Talent des Westfalen einem breiten Publikum bekannt.
Als genauer Beobachter schwuler Lebenswelten zeigt König andererseits keine Scheu vor schwierigen Themen. Sein humoristischer Zeichenstil hindert ihn nicht daran, sensibel zu erzählen, welche Angst und Verstörung das Auftreten von Aids in den achtziger Jahren anrichtete.
Mit ähnlichen Mitteln b
t ähnlichen Mitteln betreibt König seit einiger Zeit Religionskritik. Prototyp, seine letzte Veröffentlichung, spielt im Garten Eden kurz vor der Erschaffung Evas. Als Protagonist tritt ein schlecht rasierter, klobiger Adam auf. Die bekannte Geschichte vom Sündenfall interpretiert König mit gewohnt bissigem Humor neu.Gott redet FrakturEinen gezeichneten Gott bekommt der Leser dabei nicht zu Gesicht. Der Herr wird nur über sein Wort sichtbar, und das gibt König konsequent in Fraktur-Schrift wieder. Das ist ein Fingerzeig: Wem im Comic dieser Schrifttyp zugewiesen wird, der redet nicht, der donnert. Nicht zufällig brüllen in den Asterix-Bänden die mit Pickelhauben bewehrten Goten ihre Befehle in Fraktur heraus. Ralf König zeigt Gott als Despoten, der sein Ebenbild unwissend und unterwürfig halten möchte.Besonderen Gefallen findet der Schöpfer an Lobliedern. König zitiert ausgiebig evangelisches Liedgut, darunter skurrile Passagen wie diese: „Sein Wort ist wahr, denn all mein Haar er selber hat gezählet“. König wäre nicht König, wenn er im göttlichen Dominanzgebaren nicht auch einen sexuellen Unterton erkennen würde. An einer Stelle trägt die Beziehung Adams zu seinem Herrn deutlich sadomasochistische Züge.Intakt ist die göttliche Autorität allerdings nur nach außen. Der vermeintliche Schöpfer weiß, er ist nur „eine Vereinfachung, eine Projektion, eine Metapher“. Derart in seinem Selbstwertgefühl getroffen, bedarf er des gläubigen Adam um Zweifel an der eigenen Existenz zu verscheuchen. Im psychologischen Drama der prekären Stellung Gottes variiert Ralf König spöttisch ein bekanntes Motiv: Die Erkenntnis erlaubt dem Menschen freies Denken und weckt sein Misstrauen gegen traditionelle Autoritäten.Eine Schlange mit HörnernKönig erzählt diese Geschichte allerdings bedeutend heiterer als gewohnt, nicht zuletzt indem er die vertrauten Rollen wesentlich umschreibt. Das gilt insbesondere für den Verführer, der als ebenfalls knollennasige Schlange mit kleinen Hörnern auf der Stirn im Baum der Erkenntnis sitzt: Luz heißt das Tier und gibt die zweite Hauptrolle in Königs Geschichte. Die Schlange tritt Gott wie ein sarkastischer, altkluger Pubertierender entgegen. Gott seinerseits drängt auf Bestätigung durch Luz, der immer wieder an die Einsicht des Älteren appelliert.Ohne Zweifel ist Luz der Klügere von beiden. Anders als in der biblischen Überlieferung überredet er nicht Eva, sondern Adam, die verbotene Frucht zu kosten. Zu spät erkennt Luz, dass er Teil der göttlichen Ordnung ist und mit ihr fallen wird. Der schlagartig streng rational denkende Adam ignoriert die Einflüsterungen des Teufels; die Evolution kommt ohne einen Fürsten der Finsternis aus. Derart herausgefordert, investiert ausgerechnet Luz erhebliche rhetorische Bemühungen, Adam vom göttlichen Schöpfungsakt zu überzeugen. Seinem ungeschlachten Adam legt König in diesen Dialogen reichlich Zitate in den Mund. Giordano Bruno, Immanuel Kant, Albert Einstein und einige weitere treten an, das christliche Weltbild zu erschüttern.Als schließlich Eva ins Spiel kommt, ist die Schlacht geschlagen. Die erste Frau zeigt sich wesentlich lebensklüger als ihr künftiger Gemahl. Von einer sprechenden Schlange will sie nichts wissen. Später duldet sie den biblischen Schöpfungsmythos nicht einmal mehr als Gutenachtgeschichte für die Kinder. Der Nachwuchs soll gar nicht erst auf den Gedanken kommen, Eva müsse ihrem Adam untertan sein. Gelassen sehen die ersten Menschen in die Zukunft, nachdem sie sehr beiläufig, beinahe augenzwinkernd erwähnt haben, was sie erwartet: der Acker, der unter Schweiß zu bestellen ist, die Kinder, die unter Schmerzen geboren werden.Müde alte MännerKönig schließt doppelbödig. Aus dem Paradies wurden nicht etwa Adam und Eva vertrieben, sondern Gott und Luz, die in einem Epilog als müde alte Männer präsentiert werden. Den Menschen allerdings bleibt verborgen, dass sie nach wie vor in Eden weilen. So suchen sie stolpernd nach einem gelobten Land, in dem sie längst leben.Mit sarkastischem Humor plädiert Ralf König für Hedonismus und gegen Lustfeindlichkeit, für Rationalität und gegen Denkverbote. Seine fröhliche antireligiöse Attacke ist aufklärerisch motiviert. Seine Parodie auf die Schöpfungsgeschichte verzichtet daher nicht auf schräge Sexszenen; als braver Heterosexueller geht Adam nicht durch. Prototyp ist insofern wieder ein typischer König-Comic.Ein politisch engagierter Künstler ist Ralf König schon lange. Seine ersten Arbeiten sind im Umfeld der westdeutschen Schwulenbewegung Anfang der achtziger Jahre entstanden. Seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen der danischen Zeitung Jyllands Posten 2006 äußert sich König verstärkt religionskritisch. Empört haben ihn die teils defensiven westlichen Reaktionen auf den Karikaturenstreit. Statt deutlich das eigene Verständnis von Pressefreiheit zu vertreten, habe man sogar über deren Grenzen räsoniert, kritisiert der Zeichner im Interview: „Die allermeisten Menschen haben keine Lust auf den aggressiven, religiösen Bimbam, aber sie melden sich nicht zu Wort! Also übernehmen die Gläubigen lautstark das Feld, mit immer fataleren Folgen“.Gegen diese Passivität will König die Aufklärung – „die größte geistige Leistung der Menschheit“ – verteidigen und weiterführen. Als Prototyp in der FAZ in Fortsetzung erschien, kündigten empörte Leser ihr Abonnement. Religiöse Gefühle wolle er nicht verletzen, schreibt König dazu auf seiner Homepage. Er besteht aber auf dem Recht, auch über vermeintlich heilige Texte zu lachen. Satire darf bekanntlich alles, wenn sie nur nicht langweilt. Und davon ist Ralf König weit entfernt.