Alte Bilder von Männlichkeit

Rollen Wie die neuen, coolen Väter die Mütter abwerten
Ausgabe 43/2016
Carrera-Bahn und Tischkicker statt balinesischer Kinderlieder?
Carrera-Bahn und Tischkicker statt balinesischer Kinderlieder?

Foto: imago/blickwinkel

Einzigartig in seiner Art in Deutschland ist der Papaladen in Berlin-Prenzlauer Berg. Und er ist ein Vorzeigeprojekt des Senats. Einmal in der Woche treffen sich dort am Vormittag coole Elternzeitväter mit ihren Kindern zum lockeren und entspannten Papacafé. Die Adjektive locker, entspannt und cool fallen in der Beschreibung des Papaladens so oft, als müssten sie mantraartig wiederholt werden, um wahr zu werden.

Erklärte Zielgruppe sind alle Berliner Väter. In der Realität treffen sich dort jedoch laut Evaluation der Senatsverwaltung überwiegend gut verdienende Väter mit Hochschulabschluss und ohne Migrationshintergrund, die irgendwann zwischen dem sechsten und zwölften Lebensmonat des eigenen Kinds in Elternzeit sind und daraus ein gleichberechtigtes Geschlechterverständnis ableiten. In der Praxis, so wissen wir aus vielen Studien, funktioniert auch in diesen Familien die gleichberechtigte Aufteilung nur bedingt.

Die Berliner Zeitung schrieb kürzlich, im Papaladen gebe es schwarzen Kaffee statt Latte macchiato, Schinken statt Seitan, Carrera-Bahn und Tischkicker statt Müttern und balinesischer Kinderlieder. Mal abgesehen davon, dass so getan wird, als könnten mit diesem einseitigen Männlichkeitsbild alle Väter angesprochen werden (ich fühle mich davon nicht angesprochen), und dass viele Unterschiede zwischen Müttern und Vätern erst aus der unterschiedlich verteilten Verantwortung resultieren, funktioniert diese Konstruktion von lockerer Männlichkeit nur durch Abwertung von Müttern mit der ihnen zugeschriebenen uncoolen Unentspanntheit.

Väter können nicht einfach nur Väter sein. Immer wieder müssen sie die eigene Besonderheit in Abgrenzung zu Müttern betonen. Das Mutterbild unter vielen Vätern ist so schlecht, dass Väter genau darauf achten, auf keinen Fall mit Müttern verwechselt werden zu können. Als wäre es das Schlimmste, was einem Vater passieren könnte, in die Nähe von Müttern gerückt zu werden.

Solange sich Orte wie der Papaladen im Mario-Barth-Stil auf eine solch klischeebeladene Art auf Vaterschaft und Männlichkeit beziehen und dabei Mutterschaft abwehren und abwerten, werden es Orte bleiben, die im Kern nicht für neue Bilder von Männlichkeit stehen, sondern traditionelle problematische Männlichkeitsbilder erhalten und fördern. Daran ändern auch einzelne Vätermonate nichts.

Jochen König lebt mit seinen beiden Kindern in Berlin. Er ist Buchautor und bloggt unter jochenkoenig.net

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