Alte Männerfeindschaften

GENERATIONSWECHSEL In der amerikanischen Kubapolitik stehen die Zeichen auf Entspannung

Und sie bewegt sich doch. Die US-amerikanische Kubapolitik. Wa shingtons jüngste Lockerungungs übungen in Sachen Wirtschaftsembargo gegen das Castro-Reich können letztlich nur zu einem Ziel führen: Normalisierung. Aber das ist noch weit weg. Im Wahlkampf - und der hat begonnen - riskiert Clinton erst mal kein politisches Kapital. Weiß er doch: Das Aufheben des Embargos wäre realpolitisch richtig, brächte aber kaum Stimmen und würde rechte Exilkubaner gegen seinen Vize und wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Al Gore mobilisieren. Und der ist nervös. Deshalb steht die Blockade wie eine wurmstichige Ikone inmitten der modernen Einrichtung des politischen Hauses. So richtig gefällt sie niemandem mehr, nur dem Opa, der sie damals vom Schlachtfeld des Kalten Krieges nach Hause gebracht hat.

Dabei waren die Voraussetzungen für ein Ende des seit fast 40 Jahren geltenden Wirtschaftsembargos selten so gut wie jetzt. Selbst nach Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums ist Kuba keine »Bedrohung« mehr. Lawrence Eagleburger, Henry Kissinger und andere führende Denker möchten eine amtliche Kommission zum »Überdenken« der Kubapolitik einsetzen. Der Papst war bei Fidel und hat das amerikanische Embargo kritisiert. Der »Council on Foreign Relations«, die Eliteinstitution für amerikanische Belange in der Welt, schlägt ebenfalls Normalisierungsschritte vor. Und der Präsident der US-Handelskammer traf sich im Juli mit Castro und Vertretern des noch bescheidenen kubanischen »Privatsektors«. Die Kammer möchte Geschäfte machen. Geschäfte, die jetzt die blockadefreien Europäer und Kanadier an sich reißen.

Manchmal bewegt sich auch Clinton. Im Juni haben seine Leute und die Kubaner eine neue »Initiative« gestartet, miteinander gegen illegalen Drogenhandel zu kämpfen. Die Kommunikations- und Geldversandfirma »Western Union« hat kürzlich 29 Büros in Kuba eröffnet. Zwei Vertreter des kubanischen Handelsministeriums durften Ende Juli ausnahmsweise in die USA kommen. Es gibt Charterflüge von und nach Kuba. Die kubanische Baseballmannschaft gab ein Gastspiel in Baltimore. Bereits im Januar 1999 hatte Clinton verfügt, daß alle US-Bürger - und nicht nur in den USA ansässige Angehörige - bis zu 1.200 Dollar im Jahr nach Kuba schicken können. Außerdem dürfen US-Firmen regierungsunabhängigen kubanischen Organisationen und Firmen landwirtschaftliche Produkte verkaufen. Man wolle »dem kubanischen Volk helfen«, ohne die kubanische Regierung zu stärken, hieß es.

In Presseinterviews lassen Regierungssprecher durchblicken, daß sie eine »neue Politik« machen wollten. Der 72jährige Fidel Castro werde nicht ewig leben, und irgendwie müßten die USA einen Fuß über die karibische Türschwelle kriegen. Bislang war die Verbesserung der Beziehungen an kubanisches Wohlverhalten gebunden. Jetzt wollen die USA selbst dann vorwärts gehen, wenn Castro Dissidenten festnehmen läßt - um, wie es in der New York Times hieß, »dem kubanischen Volk ein freundlicheres amerikanisches Gesicht zeigen und, vielleicht, vertraulichere Beziehungen mit jüngeren kubanischen Regierungsangehörigen aufzubauen«. An der »neuen Politik« fehlen freilich noch viele Details, und gelegentlich rutscht Clinton in die Rhetorik des Kalten Krieges zurück, besonders wenn er zu Exilkubanern spricht.

Diese Bevölkerungsgruppe macht sich vor allem in den wahlwichtigen Bundesstaaten Florida und New Jersey stark. Führende Vertreter praktizieren eine Totalverweigerung von allem, was nur entfernt nach Normalisierung aussieht. De facto haben die alten Männer aus Batistas Inselreich die US-amerikanische Kubapolitik bestimmt. Dabei hilft ihnen nicht nur das schlechte Gewissen der Amerikaner wegen Kennedys mißglückter Invasion in der Schweinebucht. Hinzu kommen gute Beziehungen zu diversen US-Geheimdiensten und harte, oft aber auch kluge Lobbyarbeit und Machtpolitik der Exilanten.

Seit dem Ende des Kalten Krieges, dem Kollaps der sandinistischen Revolution und der mittelamerikanischen Befreiungsbewegungen können die Hardliner in Miami den Teufel aber immer weniger glaubhaft an die Wand malen. Außerdem geht es ihnen wie ihrem Erzfeind Fidel: Sie werden alt. Eine neue Generation kubanisch-amerikanischer Bürger rückt nach; waschechte US-Amerikaner mit begrenztem Interesse an Kuba. Der zaghafte Clinton setzt jetzt wohl auf die Biologie: Wenn die Alten weg sind vom Fenster, läßt sich wirklich neue Politik machen. Das wäre frühestens unter Präsident Gore. Der aber hat erst einmal große Angst, daß er nicht gewinnt, wenn Florida im November 2000 republikanisch wählt.

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