Phumzile Mlambo-Ngcuka hat gerade in ihrem eigenen Land ein Beispiel für eklatanten Sexismus erlebt. Simbabwes Präsident Robert Mugabe beschimpfte die südafrikanische Spitzendiplomatin Lindiwe Zulu als „idiotisches Straßenmädchen“ und drängte seinen südafrikanischen Amtskollegen Jacob Zuma, er solle „diese Frau davon abhalten, über Simbabwe zu reden“. Statt sich gegen Mugabes ungeheuerlichen Chauvinismus zu wenden, distanzierte Zuma sich öffentlich von Zulu und verbot ihr das Wort. „Ich hielt das für sehr unglücklich – immerhin ging es um eine politische Aussage“, sagt Mlambo-Ngcuka. Ihr Geschlecht tue da nichts zur Sache. Und was sagt sie zur südafrikanischen Reaktion? „Ich denke, d
, die hätte differenzierter ausfallen können.“ Sie ist zunächst mal Diplomatin, keine Aktivistin.Phumzile Mlambo-Ngcuka, einst Vizepräsidentin Südafrikas, übernimmt in Kürze den Vorsitz von UN Women, einem seit drei Jahren existierenden Organ der Vereinten Nationen. Die 57-Jährige ersetzt dort Michelle Bachelet, die im März zurücktrat, um erneut für die Präsidentschaft ihres Heimatlandes Chiles zu kandidieren. Mlambo-Ngcuka übernimmt den neuen Posten zu einem Zeitpunkt, da wieder viel von Rückschlägen für die weltweiten Frauenrechte die Rede ist.„Ich weiß nicht, ob man eindeutig von einem Backlash reden kann“, sagte Mlambo-Ngcuka während eines Interviews bei der Umlambo Foundation. Sie hat die Organisation vor fünf Jahren gegründet, um Schulen in armen Regionen Südafrikas zu unterstützen. „Das Thema steht in Konkurrenz zu vielen anderen.“ Aber eine gewisse Müdigkeit, die bestehe schon.Feminismus als Ideologie„Gleichzeitig sind die Probleme komplexer geworden. Es gibt neue Formen der Verletzung von Frauenrechten – etwa geschlechtsspezifische Verstöße im Zusammenhang mit Cyberverbrechen. Und betrachtet man den Menschenhandel, erkennt man, dass dahinter gute Organisation und gute Finanzierung stecken und dass dort Geld auf Knopfdruck zu machen ist. Wir müssen klüger werden, wenn wir gegen diese Dinge ankämpfen wollen, und brauchen geschulte Leute. Die Gesetzeshüter reagieren nicht in allen Ländern entschieden genug, um diese Verbrechen zu identifizieren und so effektiv wie möglich dagegen vorzugehen.“Mlambo-Ngcuka wird aber auch an alten Fronten weiterkämpfen müssen. Gegen traditionelle, religiöse und kulturelle Hürden. Und gegen Widerstände aus den Reihen derer, die den Feminismus schnell als westliche Ideologie, die ihren Ländern aufgezwungen würde, verunglimpfen. Derartige Entschuldigungen ließen sich allerdings nicht mehr lange vorschieben, meint Mlambo-Ngcuka: „Sexismus kann in vielen Ländern juristische Konsequenzen haben. Da ist es sehr schwierig, als Staatsoberhaupt offen sexistisch zu sein.“Kampagnen gegen KinderbräuteIn Ländern wie Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo, Indien, Pakistan, Somalia und Südafrika klafft jedoch weiter eine große Lücke zwischen dem Gesetz und der Lebensrealität vieler Frauen. „In Kriegssituationen etwa werden Vergewaltigungen als Waffe insbesondere gegen Frauen eingesetzt – und zwar straflos. Darin offenbaren sich tief verwurzelte traditionelle Einstellungen gegenüber Frauen“, sagt Phumzile Mlambo-Ngcuka. „Ein Problem, mit dem wir weiterhin zu tun haben, ist die Verheiratung von Kindern. Sie findet völlig offen vor den Augen der jeweiligen Gemeinschaft statt. Eltern geben ein Kind als Braut an eine andere Familie. Die Kampagnen gegen Kinderbräute sind deshalb nach wie vor ein wichtiger Bestandteil im Kampf für die Frauenrechte. Wir müssen diesen Kampf weiterhin sichtbar machen.“In Kürze läuft die Frist der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen aus. Mlambo-Ngcuka übernimmt ihr Amt also zu einem symbolträchtigen Zeitpunkt. Zwar hätte die Kampagne durchaus Gutes bewirkt, aber nicht immer in ausreichendem Umfang. Beispielsweise sei die Müttersterblichkeit nicht signifikant reduziert worden. Noch immer überleben jeden Tag etwa 800 Frauen weltweit die Komplikationen während einer Schwangerschaft nicht.Fokus auf Bildung„Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Die Millennium-Entwicklungsziele befassen sich weiterhin vorrangig mit der Armut. Rückt man die Frauen allerdings nicht ins Zentrum des Kampfes dagegen, wird man die gewünschten Ziele nicht erreichen“, sagt Mlambo-Ngcuka. Zudem fordert die ehemalige Lehrerin, die während der Apartheidszeit eine Organisation für die Gleichberechtigung der Geschlechter leitete, den Fokus auf das Thema Bildung zu richten: „Bildung hat für mich übergreifende Priorität. Sie sorgt für Gleichheit – nicht nur für Mädchen, sondern auch für all diejenigen Frauen, die eine zweite Chance in ihrem Leben brauchen.“ Als Stellvertreterin des südafrikanischen Ex-Präsidenten Thabo Mbeki war Mlambo-Ngcuka die ranghöchste Politikerin in der Geschichte Südafrikas. Als Mbeki von seiner eigenen Partei aus dem Amt gedrängt wurde, verlor auch sie ihren Posten. Dass ihr Geschlecht dabei eine Rolle gespielt haben könnte, glaubt sie nicht.Im vergangenen Jahr wurde mit Nkosazana Dlamini-Zuma, die ebenfalls Südafrikanerin ist, eine Frau zur Kommissionsvorsitzenden der Afrikanischen Union gewählt. Dennoch haben erst zwei der 55 Länder des afrikanischen Kontinents weibliche Staatsoberhäupter: Ellen Johnson Sirleaf in Liberia und Joyce Banda in Malawi.„Wir haben noch einen weiten Weg vor uns“, sagt Mlambo-Ngcuka. „Und wir sind ein einsamer Club. Aber es bräuchte eine Menge starker Männer, um diese Frauen umzuwerfen. Ich weiß aber auch, dass die Themen, die ihnen am meisten am Herzen liegen, es nicht an die Spitze der Agenda geschafft haben.“