Aufregung über Rechtsterrorismus in der Politik? Das wirkt nur so. Bei Lichte besehen reagieren Politik und Teile der Medien mit den üblichen Reflexen. Schnell noch mal die alte Pressemitteilung mit der Forderung nach einem NPD-Verbot aktualisiert. Ebenso rasch wird die Forderung nach einem gemeinsamen Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus nachgeschoben. Fertig ist der Lack. Die Medien greifen es dankbar auf.
Doch die Routine, mit der die Politik sich des Themas annimmt, ist fehl am Platze. Dafür ist die Dimension dessen, was in der letzten Woche ans Licht gekommen ist, zu groß. Die jetzt notwendige Debatte lässt sich nicht mit ein paar dürren Pressemitteilungen erledigen. Sie muss, bevor sie in den üblichen Ritualen erstarrt, erst einmal in Gang kommen. Dazu sind wichtige Fragen zu klären, die zwar jetzt überall gestellt werden, deren wahrheitsgemäße Beantwortung durch die Sicherheitsbehörden jedoch zweifelhaft ist.
Wer wusste wann was? ist in diesem Kontext noch die einfachste Frage. Die entscheidende hingegen ist eine uralte: Was wusste und welche Rolle spielte der Verfassungsschutz? In den sich überschlagenden Medienberichten sind die Opfer des rechten Terrors seltsam abwesend. Sie sind reduziert auf jene Schwarz-weiß-Fotos, welche die Behörden den Tatorten zugeordnet haben. Mehr Kontrast gewinnen sie nicht. Die Opfer sind bislang nur Statisten in einem Fall, der alle Vorstellungen davon, wozu Neonazis in der Lage sind, sprengt.
Statt Kauder und Oppermann
Es gilt, das Schicksal und die Würde der Opfer wieder herzustellen, indem Medien und Politik davon ablassen, die Täter und ihre Taten zu emotionalisieren, zu psychologisieren, zu personalisieren. Über die Frage, wie es möglich war, dass eine Gruppe Neonazis über zehn Jahre unentdeckt rauben und morden konnte, sollten die Opfer und das Schicksal ihrer Angehörigen nicht aus dem Blick geraten.
Wer den Opfern ihre Würde zurückgeben will, muss mehr tun, als Betroffenheit und Abscheu äußern. Wer den Opfern Respekt zollen will, muss dafür eintreten, dass Opfer rechter und rassistischer Gewalttaten in Deutschland besser geschützt, versorgt und betreut werden. Dazu zählt ein Bleiberecht für jene Flüchtlinge, die von Neonazis geprügelt und gedemütigt wurden ebenso wie die finanzielle und personelle Ausstattung jener Opferberatungsstellen, die sich für ihre Klienten bis an den Rand der Leistungsfähigkeit engagieren – und dafür mit Mittelkürzungen und Extremismusverdacht belohnt werden.
Es ist an der Zeit den Fokus der Debatte zu korrigieren. Nicht Politiker und Experten sollten jetzt Gehör finden, sondern jene, die sich in Mecklenburg und Sachsen noch trauen, gegen Neonazis offen aufzutreten. Nicht Kauder und Oppermann gehören ins Rampenlicht, sondern die Aktivisten, die mehr tun, als nur am 9. November der Opfer zu gedenken.
David Begrich ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. in Magdeburg
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