Alternativlos neoliberal

AfD Von Hartz IV bis zum Mindestlohn – die Partei „der kleinen Leute“ vertritt die Interessen der Vermögenden
Ausgabe 28/2016
Wer im Saal vertritt ein neoliberales Parteiprogramm?
Wer im Saal vertritt ein neoliberales Parteiprogramm?

Foto: Thomas Lohnes/Getty Images

Die „Alternative für Deutschland“ inszeniert sich gern als Anwältin des „kleinen Mannes“. Doch mit Parteiprogrammen verhält es sich wie mit dem Kleingedruckten: Der Teufel steckt im Detail. Der Sturz von Bernd Lucke als Parteichef markierte keineswegs eine Abkehr vom Neoliberalismus. Auf manchen Protestwähler lauert eine böse Überraschung.

Tatsächlich ist der neoliberale Trend in der AfD nach wie vor ungebrochen, wie eine Analyse der Anträge in den verschiedenen Landtagen zeigt. Die Fraktion in Sachsen fordert etwa die „Zurückdrängung marktfremder merkel-sozialistischer Marktbürokratisierung“. In Thüringen beklagt man eine „Planwirtschaft, auf die Erich Honecker und Günter Mittag stolz gewesen wären“. Und der Baden-Württemberger Jörg Meuthen wetterte gegen eine „soziale Vollkaskomentalität“. Auch im frisch verabschiedeten Grundsatzprogramm der Bundespartei heißt es, man wolle „auf breiter Front deregulieren“ – diese Forderung steht unter der Überschrift „Soziale Marktwirtschaft statt Planwirtschaft“.

Zwar nahm die AfD auf dem letzten Bundesparteitag den gesetzlichen Mindestlohn ins Programm auf. Das Thema ist in der Partei allerdings hochumstritten. Meuthen bedauerte öffentlich den Beschluss. Die Bundesvorsitzende Frauke Petry wettert schon lange gegen das „Jobkiller-Gesetz“ der „neosozialistischen Ideologen der SPD“. In Sachsen kritisiert man, der Mindestlohn koste Arbeitsplätze und erhöhe die Preise. Die Fraktion in Thüringen lehnte noch im April 2016 eine Erhöhung des Mindestlohns ab, weil aus ihrer Sicht bereits jetzt „die Leidtragenden oft deutsche Arbeitnehmer“ seien, und auch die Haftung von Subunternehmen ist ihr ein Dorn im Auge. Und so wundert es nicht, dass die AfD keine Zahlen zu „ihrem“ Mindestlohn nennen will. Der neoliberale Kern würde sicherlich eine Absenkung begrüßen.

Zur Sanktionspolitik bei Hartz IV herrscht betretenes Schweigen in der AfD. Viele Landesverbände sprechen sich für „Bürgerarbeit statt Hartz IV“ aus. Jedoch ist hierbei lediglich in Bremen von einem „fakultativen“ Angebot die Rede. Auf Bundesebene wird eine „aktivierende Grundsicherung“ gefordert, bei der Bezüge mit wachsendem Einkommen sinken. Eine generelle Anhebung der Leistungen ist hingegen nicht zu erwarten. Noch im Februar 2015 verkündete Petry, man gefährde „mit höheren Hartz-IV-Sätzen die finanzielle Leistungsfähigkeit aller Gebietskörperschaften“. Lydia Funke, Abgeordnete in Sachsen-Anhalt, will den Hartz-IV-Satz sogar noch weiter absenken, „um die Leute wieder zu fordern, dass sie in Arbeit gehen“.

Obwohl die AfD auf Länderebene durchaus soziale Versprechen macht, bleibt die Frage der Finanzierung komplett offen, angesichts der in Aussicht stehenden Geschenke an Vermögende. Die Erbschaftssteuer bezeichnete Meuthen im vergangenen Jahr als „leistungsfeindlich“, im Grundsatzprogramm wird die Abschaffung gefordert. Die Vermögensteuer kann gleich mit weg. Und die Einkommenssteuer? „Unser Konzept ist angelehnt an die Ideen von Paul Kirchhof“, sagt Petry zum Stufen-Modell der AfD. Kirchhoff wollte einst den Spitzensteuersatz auf 25 Prozent drücken. Für einen Durchschnittsverdiener würde damit derselbe Steuersatz gelten wie für Einkommensmillionäre.

Unterm Strich sind damit Steuerausfälle in Milliardenhöhe zu erwarten. Gleichzeitig fordert die AfD aber einen radikalen Schuldenstopp. Letztlich wird dann wahrscheinlich bei den Sozialausgaben gespart.

Mut zur Wahrheit, das bedeutet vor allem zu erkennen: Unter Petry bleibt die AfD eine neoliberale Partei. Im neuen Programm heißt es: „Je mehr Wettbewerb und je geringer die Staatsquote, desto besser für alle.“ In Wahlkämpfen nutzt die AfD geschickt soziale Abstiegsängste, um Wähler zu gewinnen. In Wirklichkeit betreibt sie einen beispiellosen Etikettenschwindel. Mit ihrem neoliberalen Wirtschafts- und Sozialprogramm vertritt sie vor allem die Interessen der Vermögenden. Und nicht die des „kleinen Mannes“.

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