Altes Kraut

Im Kino "Die Queen", Stephen Frears ironisches Meisterwerk darüber, wie eine alte Königin und ein junger Premierminister sich zum Regieren zusammenraufen

Ein Film, der in der Woche nach Lady Dianas Tod spielt und die schwierige Verständigung zwischen königlicher Familie und britischer Regierung über Trauer- und Begräbnisformalitäten zum Inhalt hat - das klingt zunächst nicht unbedingt aufregend. Stephen Frears Werk mit dem prägnanten Titel Die Queen aber wurde auf Anhieb Publikums- und Kritikerfavorit beim vergangenen Filmfestival in Venedig, heißer Oscar-Kandidat und in Folge einer der meisterwarteten Kinostarts des noch jungen Jahres. Dem Film gelingt das rare Kunststück, die Komödie mit dem Zeitstück zu versöhnen. Einerseits sehen wir die Queen als ausgesprochen schlagfertige Person, die der letzten Sitcom entsprungen sein könnte, und Tony Blair folglich als den etwas schwergängigeren Gegenpart. Andererseits stellt der Film eine sehr genaue Gesellschaftsstudie dar, in der ein eigentlich triviales, unpolitisches Ereignis - Dianas Unfalltod - Anlass gibt, das Funktionieren der Institutionen Monarchie und Regierung unter die Lupe zu nehmen. Scheinbar wird nur Oberflächliches verhandelt: Fragen des Protokolls um Trauergottesdienst und Halbmastbeflaggung, um Kondolenzbücher und abgelegte Blumen. Die Queen (in der Verkörperung durch Helen Mirren, die seither einem wahren Regen an Schauspiel-Auszeichnungen ausgesetzt ist) beharrt zunächst auf die Rangordnung - Diana sei kein offizielles Mitglied der Familie mehr - und auf die Würde der Privatsphäre. Tony Blair (gespielt von einem charmant-treuherzigen Michael Sheen) dagegen glaubt, noch euphorisiert von seinem überwältigender Wahlsieg, besser zu wissen, was das Volk will. Er rät der Monarchin zum Bruch der Etikette und stößt damit zunächst auf taube Ohren. Erst als sich die Zeichen des Unwillen über die mangelnde Empathie der Windsors mehren, beginnt die Queen, Blairs Ratschlägen Beachtung zu schenken.

Die Queen ist zugleich beste Unterhaltung und intelligente Analyse einer Gesellschaft im Umbruch, in der die Modernisierung alter Umgangsformen - "Call me Tony!" - weit tiefer greifende Veränderungen anzeigt. Die Frage danach, was passieren wird, wenn es so weit kommt, dass die Queen den Premierminister duzt, erweist sich am Ende als keinesfalls trivial, denn Umgangsformen, das führt der Film elegant vor Augen, sind nicht nur lästige Instrumente der Standes- und Hierarchiesicherung, sondern geradezu die Vorbedingung für Verbindlichkeit und gesellschaftlichen Frieden.

Der Erfolg des Films geht zum großen Teil aufs Konto des Drehbuchautors Peter Morgan, der sich bei der Beschreibung Palast-interner Intrigen durchweg an das hielt, wie es tatsächlich gewesen sein könnte. Er hat dafür Informationen und Gerüchte zusammengetragen, diese aber nicht nach ihrer Sensationsträchtigkeit eingebaut, sondern gemäß einem genauen Gespür für Zeitgeschichte und die Wirkungsmechanismen von Personen und Institutionen. Auf die Erzeugung von Gefühligkeit durch weinende Kindergesichter hat er weise verzichtet: die jungen Prinzen William und Harry sieht man stets nur aus der Distanz. Und wenn Prinz Philip seiner Gattin mit einem liebevollen "old cabbage" gute Nacht wünscht, ist die Distanzlosigkeit nur vorgetäuscht: einerseits ein Lacher, geht von der Szene eine wohlige Alltäglichkeit aus, bei der der Zuschauer wie automatisch denkt: So könnte es in der Tat gewesen sein ...


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Geschrieben von

Barbara Schweizerhof

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Film“ (Freie Mitarbeiterin)

Barbara Schweizerhof studierte Slawistik, osteuropäische Geschichte und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin und arbeite nach dem Studium als freie Autorin zum Thema Film und Osteuropa. Von 2000-2007 war sie Kulturredakteurin des Freitag, wechselte im Anschluss zur Monatszeitschrift epd Film und verantwortet seit 2018 erneut die Film- und Streamingseiten im Freitag.

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