Seit fünf Jahren steht der iranische Regisseur Jafar Panahi unter Hausarrest, trotzdem lief auf der diesjährigen Berlinale bereits sein dritter Film seit der Verhaftung im März 2010. Dass Panahi für Taxi Teheran mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde, könnte man auch als politische Notwendigkeit betrachten. Die Anteilnahme an seiner Lage war schon nach Dies ist kein Film (2011) und Pardé (2013 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet) beträchtlich, wobei deren bloße Existenz bemerkenswerter war als die Filme selbst. Beide spielten in geschlossenen Räumen, beiden waren die technischen Beschränkungen anzumerken, sie drehten sich in einer Weise um sich selbst und ihren Regisseur, dass sich am Ende von Pardé eine bedrückend
Pardé eine bedrückende Atmosphäre zwischen Larmoyanz und Paranoia einstellte.Als Lebenszeichen eines Regisseurs, der sich von einem totalitären Regime nicht den Mund verbieten lässt, verfehlten die Filme ihre Wirkung nicht: Mit jeder Solidaritätsbekundung geriet die iranische Politik tiefer in Erklärungsnot, warum einer der renommiertesten Filmemacher des Landes mit einem 20-jährigen Berufsverbot belangt wurde. Filmfestivals sind heute wahrscheinlich die letzten Orte, an denen das Kino mit der Pathosformel von der Freiheit der Kunst noch mediale Aufmerksamkeit generieren kann.Taxi Teheran legt jetzt nahe, dass beide Filme für Panahi vor allem eine therapeutische Funktion hatten. War Pardé noch als Werk einer schweren Depression erkennbar, findet Panahi nun zu einer Souveränität zurück, die es ihm ermöglicht, eine befreiende erzählerische Form zu finden. Taxi Teheran führt heraus aus der lähmenden Hermetik sozialer Isolation, der Film sucht wieder Anschluss an eine iranische Lebenswirklichkeit. Und Panahi beweist Sinn für Humor, wenn er die Enge der Wohnung gegen den Innenraum eines Taxis tauscht.Die Behörden dürften Taxi Teheran genau so verstehen, wie er gemeint ist – ein Roadmovie als Affront eines inhaftierten Filmemachers. Die räumlichen Restriktionen der Taxikabine führen das Urteil des Hausarrests in doppelter Hinsicht ad absurdum, gleichzeitig bietet der Blick auf die Stadt durch die Autoscheiben dem Regisseur Öffentlichkeit. Wenn Panahi schon nicht unter Menschen darf, holt er sie sich eben in sein Taxi.Zurück-ÜberwachenAutofahrten sind im iranischen Kino ein beliebtes narratives Leitmotiv. Panahis Mentor Abbas Kiarostami hat sich in Der Geschmack der Kirsche und natürlich Ten, dem Auto-Film schlechthin, dieses Motivs bedient, um ein Panorama der iranischen Gesellschaft aufzuspannen. Die Taxi-Metapher ist produktiv, sie zeigt die soziale Hierarchie von Klassen und Bildungsschichten auf (zumindest suggeriert das die Auswahl der Fahrgäste) und hat eine private wie öffentliche Funktion. In Taxi Teheran ist das Taxi aber auch ein konkreter Ort, an dem gesellschaftliche Fragen verhandelt werden und der im Clash der unterschiedlichen Persönlichkeiten, die auf dem Rücksitz Platz nehmen, einer comedy of manners die Bühne gibt. Panahi ist sich der ironischen Zuspitzung dieser Situation bewusst. Ein amüsiertes Lächeln zeichnet sich auf seinen Lippen ab, während er den Gesprächen seiner Mitfahrer zuhört und ihre mitunter seltsamen Missionen kommentiert (zwei alte Frauen wollen zu einem Brunnen, um Goldfische auszusetzen) .Die selbstreflexive Ebene von Taxi Teheran schlägt einen leichten Ton an. Panahi spielt sich selbst in der Rolle des Taxifahrers, inwieweit die Darsteller (die im Abspann – wie der gesamte Stab – nicht genannt werden) in die Situationen eingeweiht sind, bleibt unklar. Doch bereits sein zweiter Fahrgast, der mit DVD-Raubkopien handelt und den Regisseur in seine Geschäfte einspannen will, durchschaut die Inszenierung. „Drehen Sie einen Film?“, fragt er mit Blick auf die auf dem Armaturenbrett montierte Kamera, die den Innenraum des Wagens erfasst. Filmemacher und DVD-Händler bilden in Taxi Teheran eine klandestine Teilöffentlichkeit, in der ein großer Teil des gegenwärtigen iranischen Kinos existiert.Panahi muss diesen Zusammenhang nicht weiter elaborieren, in anderen Begegnungen wird er explizit: als eine Grundschullehrerin etwa mit einem Taschendieb ein gut getimetes Streitgespräch über die Todesstrafe vom Zaun bricht. Oder wenn die Menschenrechtlerin Nasrin Sotoudeh, mit der Panahi schon gearbeitet hat, zusteigt und die beiden sich über die Folgen eines Berufsverbots unterhalten. Die Rose, die Sotoudeh beim Aussteigen vor die Kamera legt, ist irgendwie auch als Liebeserklärung an das Kino gemeint.Die Kamera spielt in Taxi Teheran überhaupt eine interessante Rolle. Die dokumentarische Geste von Panahis „Überwachungskamera“ erweist sich früh als Finte, wenn eine hysterische Frau ihren blutenden Mann auf dem Rücksitz ablegt, und ein Fahrgast die Regie übernimmt, um den letzten Willen des Verletzten aufzuzeichnen. Später referiert Panahis kleine Nichte, die in der Schule an einem Filmprojekt arbeitet, in einer Tirade den Unsinn der Zensurauflagen, um am Beispiel einer Straßenszene die Unmöglichkeit eines Kinos aufzuzeigen, das die Bedingungen einer gesellschaftlichen Realität systematisch suspendiert. Ihre Verzweiflung ist gespielt, für Panahi haben die Sanktionen dagegen bittere Konsequenzen.Paranoia holt Taxi Teheran in der filmisch smarten wie selbstreflexiven Schlusseinstellung ein. Während Panahi und seine Nichte sich vom Wagen entfernen (die Kamera ist jetzt auf die Straße gerichtet), nähern sich zwei Diebe, um die Speicherkarte der Kamera zu stehlen. „Ihre Methode besteht darin, dich immer spüren zu lassen, dass du beobachtet wirst“, hatte Sotoudeh zuvor im Wagen erklärt. Panahi dreht den Spieß um. Mit Taxi Teheran lässt er seine Beobachter wissen, dass sie künftig ebenfalls unter Beobachtung stehen.Placeholder infobox-1