Amerikas jüngste Kriegsveteranen

USA Ein Sprachrohr für Irak-Heimkehrer

Wen die Emotionalität und Verbissenheit wundert, mit der Amerika immer noch oder immer wieder den Vietnamkrieg auskämpft, der sollte sich die US-Kriegsveteranen ansehen, ihre Zahl und ihren sozialen Status: Die Vereinigten Staaten zählen heute etwa 26 Millionen Kriegsheimkehrer. Jeder neue Krieg sorgt für Nachschub, jede neue Schlacht füttert den unersättlichen Appetit auf "heroes" - auf Heldentum an der Front im Dienste der Nation. Gibt es jedoch Zweifel an der "mission", geraten Krieg, Patriotismus und Heldentaten ins Zwielicht - dann wird rundum aus der Hüfte geschossen. Es entbrennt eine erbarmungslose, ideologisch gefärbte Debatte. Siehe Vietnam, siehe die Attacken des Bush-Lagers gegen den Präsidentschaftskandidaten John Kerry.

Auch für den aus Bagdad zurückgekehrten Marine-Feldwebel Michael Hoffmann und die zur Nationalgarde gehörende Militärpolizistin Kelly Dougherty ist Vietnam keineswegs vergessen. Zusammen mit einer Handvoll gleichgesinnter Veteranen haben beide Anfang August, am Rande des demokratischen Parteitages Veterans against the Iraq War gegründet. Eine Antikriegs-Organisation, die sich ausdrücklich an Senator Kerrys Veterans against the Vietnam War orientiert und darauf zielt, eine ähnliche politische Bedeutung zu erlangen. Der Widerstand der 1971 um Kerry gescharten Veteranen hatte maßgeblich zum Abzug der Amerikaner aus Indochina beigetragen.

"Auch wir fordern das sofortige Kriegsende", erklärte Lance Corporal Michael Hoffman in Boston und verlas eine Gründungserklärung, in der es hieß: "Wir sind Afghanistan- und Irak-Veteranen. Unser Ziel ist es, Menschenleben zu retten und die Gewalt im Irak durch einen sofortigen Rückzug aller Besatzungstruppen zu beenden." Mitorganisatorin Kelly Dougherty aus Colorado war von Anfang an gegen die Irak-Invasion. Die Tochter eines Vietnam-Veteranen schloss sich der Nationalgarde an, um Geld für ihr Studium zu verdienen. Das brachte ihr ein Jahr Irak ein. Sie will mit Veterans against the Iraq War dem Widerstand in der Truppe eine Stimme geben: "Wir wollen den desillusionierten und über diesen Krieg verärgerten Veteranen ein Sprachrohr sein, wenn sie zurückkommen. Sie waren vor Ort und wissen, warum sie gegen diesen Krieg protestieren." - Die Mitgliederzahl der Irak-Veteranengruppe ist in den ersten vier Wochen von einem Dutzend auf rund 300 gestiegen, bei dem großen Protestmarsch am Sonntag in New York erhielt dieses Kontingent besonderen Beifall.

Als Sprachrohr für Irak-Heimkehrer versteht sich auch Operation Truth (Aktion Wahrheit) - ein überparteilicher Non-Profit-Verbund, der entscheidend dem zur New Yorker Nationalgarde gehörenden Paul Rieckhoff (25) zu verdanken ist. Rieckhoff wurde durch eine Reihe kritischer Radiosendungen bekannt: "Als wir in Bagdad ankamen, fehlte es uns an Fahrzeugen, Munition, Medikamenten und Wasser. Es gab nicht genug kugelsichere Westen, und wir mussten unsere Familien bitten, den Care-Paketen Batterien beizulegen. Unsere Soldaten haben Besseres verdient."

Rieckhoff - im bürgerlichen Leben Wall Street Analyst - sagt, er wolle die Probleme, aber auch die Erfolge im Irak beleuchten. Er wolle für einen längst überfälligen Dialog zwischen Truppe und Öffentlichkeit sorgen und Anlaufstelle für Presse und Politiker sein. Die Website www.operationtruth.org ist bereits ein Hit, und es kann der Sache der Wahrheit auch nicht schaden, dass prominente Veteranen wie Minnesotas Ex-Gouverneur Jesse Ventura und Bobby Muller, der Gründer der Veterans against the Vietnam War, als Berater angeheuert haben.


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