An den Mauern des Kreml

Mord an Nemzow Russland ist ein gespaltenes Land. Die Mehrheit hat Frieden mit Präsident Putin gemacht. Aber das Zusammenspiel zwischen Staat und Gesellschaft funktioniert nicht mehr
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 10/2015

In seinem Büro empfing Boris Nemzow mich zum Interview. Er war damals Vizeministerpräsident. Die Lage spitzte sich in Russland zu, Krisenwolken zogen sich über dem Kreml zusammen, dem Land drohte das Geld auszugehen. Auf meine Frage, wozu Reformer in der Regierung in der Lage sind, antwortete der im Vergleich zu seinen noch vor sechs Jahren im Amt befindlichen sowjetischen Vorgängern so junge Politiker mit den Worten, dass sie keine Anfänger sein: „Bewegt haben wir viel.“

Es war das Jahr 1997. Präsident Boris Jelzin ging als kranker Mann mit Mühe seinen Amtsgeschäften nach, der erste Tschetschenienkrieg war gerade befriedet worden, und Nemzow schien mit seinen 38 Jahren als Protegé Jelzins die Welt der russischen Politik offen zustehe