An der Medienfront

Venezuela Die Regierung Chávez versucht, mit einem neuen Pressegesetz oppositionelle Medien zu zügeln

Seit zwei Monaten sorgt das neue "Gesetz zur sozialen Verantwortung von Hörfunk und Fernsehen" in Venezuela für Furore. Die Regierung hat damit den privaten Medien eine Reihe von Limitierungen auferlegt, so dass die Opposition - wie zu erwarten - gegen das "Knebelgesetz" zu Felde zieht. Das dabei gebrauchte Argumentationsraster ist wenig innovativ und kaum überraschend: Das autoritäre Regime auf der einen, die bedrohte Presse mit ihren Freiheiten auf der anderen Seite. Doch so einfach ist die Lage nicht.

Den entscheidenden Anstoß zur Reform des venezolanischen Medienbetriebs gab der Putschversuch im April 2002. Seinerzeit nützten die drei großen TV-Stationen Venevisión, Globovisión und RCTV ihre marktdominierende Stellung unverhohlen aus, um den Staatsstreich zu unterstützen. Während die Putschisten die Staatsmedien nach der Entführung von Präsident Hugo Chávez kurzerhand abschalteten, berichteten die Privaten über "Ruhe und Ordnung" auf den Straßen - kein Wort über die spontanen Demonstrationen gegen die rechten Militärs, keine Live-Schaltung über die aufgebrachten Massen, die aus den Armensiedlungen zum Präsidentenpalast Miraflores strömten, um die Rückkehr "ihres" Präsidenten zu fordern. Diese Art von Sprachlosigkeit erstaunte umso mehr, als die Privatsender im Vorfeld des Putsches permanent zu Protesten gegen die Regierung Chávez aufgerufen und bevorzugt von Straßen und Plätzen in Caracas über den Stand der Mobilisierungen berichtetet hatten.

Damals sei eines klar geworden, sagt der Politologe und Medienanalyst Luis Britto García: "Die privaten Medienkonzerne Venezuelas üben weit über ihre originäre Rolle eines demokratischen Korrektivs hinaus direkten politischen Einfluss aus - sie sind politische Akteure". Britto sieht eine der Ursachen im Zerfall der tradierten Herrschaftssystems, das Ende der achtziger Jahre immer mehr in die Krise geraten sei. Mit dem akuten Prestigeverlust der etablierten, staatstragenden Parteien - der sozialdemokratischen Acción Democrática (AD) und der christdemokratischen COPEI - habe sich ein Machtvakuum herausgebildet, von dem zunächst private Medienkonzerne, später Hugo Chávez mit seiner Bewegung Fünfte Republik und noch später die rechten Gewerkschaften des Dachverbandes CTV profitiert hätten.

Nach dem Putschversuch im April 2002 war es nur eine Frage der Zeit, bis es zum Kräftemessen zwischen Regierung und privaten Medien kam. Mit dem neuen Pressegesetz ist dieser Konflikt nun fraglos eskaliert. Denn neben Regeln zum Jugendschutz soll es nach dem Willen der Regierung einen politischen Missbrauch privater Medienmacht in Venezuela künftig nicht mehr geben. So droht Sendern nach Artikel 29 die Abschaltung von bis zu 72 Stunden, wenn zu "kriegerischen Handlungen" aufgerufen wird oder die Inhalte darauf abzielen, "die öffentliche Ordnung zu stören". Wiederholt sich ein solcher Verstoß, kann die Sendelizenz maximal für fünf Jahre entzogen werden.

Dass die privaten Medienhäuser gegen derartige Restriktionen Sturm laufen, ist nachvollziehbar, denkt man beispielsweise an die politischen Ambitionen von Gustavo Cisneros, Inhaber von Venevisión, Ölmilliardär und Freund der Familie des US-Präsidenten. Ohnehin ist das Gesetz ob der diffusen Interventionsrechte problematisch. Zum einen würden klarere Definitionen und ein sachlicher Umgang mit der Macht der Medien den erbosten Kritikern der Regierung den Wind aus den Segeln nehmen. Zum anderen drängt sich in Anbetracht des Schicksals der sandinistischen Bewegung in Nicaragua die Frage auf, welche Folgen solche im Hochgefühl gefestigter Macht geschaffenen Gesetze haben können. Auch wenn die Anti-Chávez-Fronde in Venezuela nach dem verlorenen Präsidentenreferendum im August 2004 angeschlagen sein mag - geschlagen ist sie noch nicht.


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