Angst

Orientierungslos Julia Schochs erster Roman "Verabredungen mit Mattok"

Was ist sie nicht hochgelobt worden, Julia Schoch, mit ihrem Erzählband Der Körper des Salamanders, wofür sie nicht zuletzt den Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises und den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis ergattert hat. Nun also das Romandebüt - aber es ist, wie man in anderen Sportspielarten so schön sagt: mit Ansage geradezu in die Hose gegangen. Das hängt mit der entsprechenden Messlatte zusammen. Noch längst ist ein guter Hochspringer nicht schon per se auch ein Stabhochspringer. Poetologisch: die Erzählerin macht noch lange keinen Romancier.

Irgendwo an der Ostseeküste, hierzulande, heutzutage, hart an der polnischen Grenze, spielt sich ab, was Julia Schoch in ihrem Roman berichtet. Zwischen Urlaubern und Kurgästen tauchen da jene Claire, "Taschentrickkünstlerin" mit von Ekzemen befallener rechter Hand, und dieser Mattok, ein Kleinkrimineller auf der Flucht, auf, die beiden Protagonisten eines schmalen, durch überaus großzügigen Satz auf immerhin 135 Seiten angewachsenen Textes. Sie tauchen auf und unvermittelt wieder ab, und man weiß nicht so recht woher und wohin. Verabredet? Nein bloß zufällig getroffen. So zufällig wie die vor der Küste der Halbinsel leck gelaufene Baltik Vier, aus der unablässig das Öl strömt und sich so eine gewaltige Umweltkatastrophe anzubahnen droht, was die Hintergrundfolie für die Verabredungen mit Mattok bildet. Überall Schaulustige am Strand und in den Kneipen vor Ort, Journalisten und ein Heer von Helfern und Umweltschützern. Dazwischen staksen immer wieder Claire und Mattok mit ihren hilflosen Such- und Annäherungsbewegungen herum, dem Austausch spröder Zärtlichkeiten und noch weniger Herzlichkeiten: "In dem grauen Dunst legte Claire sich Mattoks Hand auf verschiedene Körperteile. Er folgte gleichgültig: sie zog ihren Mantel aus, sofort griff er so fest nach ihr, dass sie auf die Knie fiel. Eine Weile blieben sie aneinander zerrend unter der leeren Garderobe hocken. Mechanisch strich Mattok über die immer gleiche Stelle auf Claires Schenkel."

Liebe, Lust, Leidenschaft? Rien du tout! Nur ein vages Aneinanderklammern, die Furcht vorm Alleinsein. Mal liegt ein Eric Rohmerscher Hauch über dieser (Text-) Landschaft, mal klingt es auch nach der Zurückgenommenheit eines Hermann Lenz - jedenfalls in den besten Passagen von Julia Schochs Roman, der bisweilen sogar hübsche Momentaufnahmen und Bilder enthält, wenn nicht hin und wieder gespreizte Formulierungen störend dazwischen kommen. Am Ende aber - und das ist nun das Todesurteil über den Roman - ist der Leser schlichtweg froh, die beiden Helden von der traurigen Gestalt wieder aus dem Sinn und den Augen zu verlieren, denn die allerorten deutlich spürbare Orientierungslosigkeit der Erzählerstimme (was will sie uns eigentlich erzählen und wohin damit?) nervt.

Sie mag es wohl auch selbst ein wenig gespürt haben, lässt sie doch gegen Ende Claire raisonnieren: "Der Morgen, die Leute am Strand, das Wasser selbst schienen so, als würde sie dies alles der Zeit berauben, die ihnen noch blieb. Wieso blieb, fragte sich Claire. Als sei ihre Geschichte eine vorgeschriebene, sagte sie dann zu Mattok, der mechanisch nickte wie ein vom Lernen erschöpftes Kind. Man müßte eine Kraft haben, sich seine Geschichte selbst zu schreiben, eine große heitere Kraft müßte es sein, mit der man in den Tag hineinliefe." Leider fehlt Julia Schoch in ihrem Roman diese "große heitere Kraft".

http://www.freitag.de/2004/14/04141902-c.jpg

Julia Schoch
Verabredungen mit Mattok
Piper Verlag, März 2004
135 Seiten
EUR 14,90
ISBN 3-492-04574-x

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