Gleiches Recht für alle: Trump ist nicht der Einzige, der das nicht verstehen will

Meinung Erstmals wird in den USA mit Donald Trump ein ehemaliger Präsident strafrechtlich für sein Fehlverhalten verfolgt. In anderen Demokratien ist das schon länger selbstverständlich
Ausgabe 14/2023
Gleiches Recht für alle: Trump ist nicht der Einzige, der das nicht verstehen will

Foto: Joe Raedle / Getty Images

Nun ist es also endlich passiert. Donald Trump ist angeklagt worden, weil er Schweigegeld an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels gezahlt haben soll. Und die Sympathisanten des Ex-Präsidenten beklagen, dass die USA auf dem Weg sind, zu einem autoritären „Dritte-Welt-Land“ zu werden. Der offene Rassismus, der solchen Äußerungen zugrunde liegt, ist den Republikanern dabei egal. Aber dass der Aufruhr bisher weitgehend ausgeblieben ist, zeigt, wie falsch sie mit dieser Behauptung liegen. Genauso wie der Umstand, dass Länder, die im weltweiten Demokratie-Index viel besser abschneiden als die USA, nicht gezögert haben, ehemalige Staatsoberhäupter oder einstige Regierungschefs wegen Fehlverhaltens strafrechtlich zu verfolgen.

Der frühere Bundespräsident Christian Wulff wurde wegen Korruption angeklagt – und freigesprochen. Der einstige französische Präsident Nicolas Sarkozy wurde wegen Bestechung eines Richters und Verstößen gegen die Wahlkampffinanzierung angeklagt; er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt (seine Berufung ist noch anhängig). Italiens Premierminister Silvio Berlusconi wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. In Frankreich wäre es früher undenkbar gewesen, dass ein Präsident wie ein gewöhnlicher Krimineller behandelt wird. Aber genau das ist der Punkt: Das Gesetz kann keine Ausnahmen zulassen; in der Demokratie gilt gleiches Recht für alle. Es gibt auch keine Schauprozesse, aber – anders als in Ländern, die Trump-Fans mit der „Dritten Welt“ assoziieren würden – auch keine völlige Straffreiheit.

Donald Trumps Politik kreist um Vergeltung

In den vergangenen Jahren gab es bisher zwei Amtsenthebungsverfahren, mit denen Trump ein für alle Mal von allen politischen Ämtern entfernt worden wäre. Aber in beiden Fällen stellten sich die Republikaner in den Weg. Einige von ihnen mögen nun insgeheim erleichtert sein, dass die Justiz jetzt die Arbeit für sie erledigt. Höchstwahrscheinlich wird sich das Muster der Doppelmoral fortsetzen: einerseits die stille Hoffnung, dass Trump als Präsidentschaftskandidat irreparabel geschädigt ist; und andererseits die lauten Loyalitätsbekundungen sowie Vorwürfe, die Demokraten missbrauchten den Staat für ihre Zwecke.

Egal, was die Demokraten sagen oder der zuständige demokratische Staatsanwalt tut: Die Anschuldigungen der Republikaner werden in maximaler Lautstärke und mit maximaler Verunglimpfung vorgetragen werden. Trump selbst macht „Vergeltung“ zum zentralen Thema seiner Politik. Demokratische Auseinandersetzungen als Racheaktion zu framen, ist äußerst gefährlich. Rachegelüste sind mächtige Ressourcen für eine politische Maschinerie. Wie auch andere autoritäre populistische Führer weltweit entdeckt haben, können gemeinsame Empörung und das Gefühl, ein Opfer zu sein, große Solidarität schaffen.

Ironischerweise könnte nun dieses Geschäftsmodell des Märtyrertums ausgerechnet durch die schiere Geschmacklosigkeit der Schweigegeld-Saga untergraben werden. Donald Trump konnte bisher sogar mit sexualisierter Gewalt prahlen, ohne dass sich seine Anhänger, insbesondere die strenggläubigen Evangelikalen, sonderlich für sein Privatleben interessiert hätten. Es wäre eine Ironie der Justizgeschichte, wenn nun ausgerechnet der Mann, der stets darauf vertraut hat, der ultimative Außenseiter zu sein, der alle Konventionen bricht, durch einen ziemlich altmodischen Sexskandal seine wohlverdiente Strafe erhält.

Jan-Werner Mueller ist Kolumnist des Guardian in den USA

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