Es gibt drei Häuschen hier: Das Kaffeehäuschen, das Klohäuschen und das Trafohäuschen, die sich alle ähnlich sehen, auch wenn das Klohäuschen und das Trafohäuschen keine Fenster haben. Das Trafohäuschen wurde gerade unsterblich gemacht. Ein Kind namens Holger, Sohn des ABV, der mit dem Jungen "sein ganzes Pulver verschossen hatte", wie Oma Otti zu sagen pflegte, hat hier seinen Ball gegen die fensterlose Wand geschossen oder Jochen dem Kohlenträger und der schielenden Rita beim Knutschen zugesehen, sich mit Mirko Buskow geprügelt und mit Annemarie Peters aus der Juri-Gagarin-Oberschule gezofft, währenddessen im Fischladen gegenüber der Grünberger Straße 64 Fisch-Winkler ermordet wurde. Der war allerdings ein alter Nazi. Erfunden hat diese Figuren, die sich im Jahr 1968 über den Platz bewegten, Torsten Schulz, der hier einst als achtjähriger Union-Fan mit dem Trikot von Mäcki Lauck, das der beim legendären FDGB-Pokalfinale gegen Carl Zeiss Jena 1968 getragen hatte, den Ball gegen die Wand des Trafohäuschens kickte. Die literarische Figur Holger muss den Ball fallen lassen, wenn seine Großmutter Ottilie kommt und ihn mit zum St.-Petri-Friedhof nimmt, wo sie ihre fünf toten Männer mit der Gießkanne besucht und über Scheintote oder den Spitzbart Ulbricht referiert. Bis Seite 187 bringt sie noch zwei weitere Ehemänner unter die Erde.
Einen bedeutenden Platz in Torsten Schulz´ Roman Boxhagener Platz nimmt der "Feuermelder" ein. Der "Feuermelder" war bis vor kurzem noch in der Hand der Ureinwohner, die die Veränderungen am Platz mit ihren Hausbesetzungen und Latte-Macchiato-Offensiven wie eine Kinderkrankheit betrachteten, die vorbeigehen würde. In der Gegend wurde immer viel getrunken und das meiste im "Feuermelder". Der letzte Wirt war berühmt-berüchtigt dafür, dass er alle Gäste herauskomplimentierte, die nicht mindestens seit 20 Jahren hier Stammgast waren. Er zockte die Skatspieler ab und verrechnete sich häufig. Sagen die, die nicht dazugehörten. Verständlicherweise saß er irgendwann nur noch alleine in seiner Kneipe und gab irgendwann auf. Heute herrscht unter neuer Ägide "self service", wie eine Tafel neben dem Eingang verkündet. Es gibt "Kaffee zum Gehen" und Tische und Stühle auf dem Bürgersteig nebst der Aufforderung, nach 22 Uhr nicht mehr laut zu sprechen. Die Gardinen mit den riesigen Brandlöchern drinnen hat jemand abgenommen. Auch die Daddelautomaten und die Skatspieler fehlen, und Anton der Neigentrinker und Bierdeckelesser ist längst tot. Aber der war sowieso nur eine literarische Figur.
Hyazinthen wachsen nicht mehr am Boxhagener Platz, die zahlreichen Hunde würden mit ihrer Marke ihren Duft zerstören oder verliebte Jungs sie nachts ihren Angebeteten pflücken.
Am Rand des Platzes sitzen zwei ältere Männer in Rollstühlen, die stark berlinern: Friedrichshainer Dialekt, wie der ABV wohl in sein Protokoll schreiben würde, aber der macht seit 34 Jahren Schreibstubendienst in Pankow.
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