Antisepsis

Linksbündig Die Raucher auf dem Weg in den Untergrund

Am geschichtsträchtigen Datum des 9. November hat der Bundestag ein Verbot von Tabakwerbung in Zeitschriften, Zeitungen, im Hörfunk und im Internet beschlossen. Natürlich zur "Verbesserung des Nichtraucherschutzes", so ein gewisser Staatssekretär Müller. Was sonst? Natürlich soll das alles nicht in die Richtung eines "generellen Rauchverbots" weitergehen. Klar, denn die Tabaksteuer ist unverzichtbar.

Natürlich meldete sich sofort nach Verabschiedung des Gesetzes der Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger protestierend zu Wort. Den Herrschaften geht´s, ganz wertneutral, ums Geschäft, klar. Denn großformatige Anzeigen bringen Geld in die Kasse und es wird, zum Beispiel, interessant sein, zu beobachten, was das neue Gesetz für Stadtmagazine bedeuten wird. Vor allem für diejenigen, die sich noch nicht ganz dem Lifestyle- und Terminkalendergewese ergeben haben und immer wieder mal in den lokalen Schweinereien wühlen, und deswegen auch schon mal vom Anzeigenboykott der örtlichen Industrie oder des Einzelhandels hart getroffen werden. Das war bislang mit dem Marlboro-Mann auszubalancieren. Ob zukünftig allerdings Heckler Koch oder Nobel-Dynamit in die Bresche springen werden? Zumindest die steinharte Anti-Rauch-Fraktion wird daran, so darf man befürchten, wenig Verwerfliches finden können.

Die Beispiel zeigen: Das Kommentieren ist in dieser Angelegenheit ein ziemlich prekärer Akt. Dafür ist die ganze schiefe, ideologisierte Diskussion zu verfahren. Kein Mensch hat Lust, der hochmanipulativen Tabak-Lobby das Wort zu reden. Und kein Mensch hat Lust, den hochmanipulativen Anti-Rauch-Talibanen Recht zu geben. Christopher Buckley hat vor ein paar Jahren in seinem hübschen, kürzlich erfolgreich verfilmten Roman Danke, dass Sie hier rauchen die drei unheiligen Branchen Alkohol, Tabak, Feuerwaffen anhand ihres skrupel- und gnadenlosen Marketings und Lobbyismus karikiert - und nebenbei so nette Zeitgenossen wie die Pharmaindustrie ein wenig übersehen. Und folgerichtig hat natürlich der Protest der Deutschen Zeitschriftenverleger auch nicht bloß die Tabakwerbung im Auge, sondern sorgt sich schon präventiv um das nächste Genussmittel, das allmählich ins Visier eines allmählich sich aufbauenden säkularen, sinnenfeindlichen Fundamentalismus gerät: Der Alkohol, also der Werbeetat der Wein-, Bier- und Schnapshersteller.

Da haben wir die ganze Fatalität solcher Kampagnen auf den Punkt gebracht: Niemand behauptet, Rauchen sei gesund, niemand bestreitet, dass Alkohol tödlich sein kann. Dennoch sind beides natürlich Kultur-Drogen par excellence. Und wer Kultur-Drogen den Kampf ansagt, hat - die Geschichte der militanten Anti-Raucher seit Jakob I. von England zeigt das deutlich - immer einen moralisch-weltanschaulich Fundamentalismus im Hinterkopf, der die partielle "Unvernunft" der Spezies Homo Sapiens ignorieren zu können glaubt. Und damit auch dessen Kreativität. Der Romancier, Kettenraucher und Jazzschlagzeuger Bill Moody hat neulich erzählt, dass der große Altsaxophonist Phil Woods in einem Jazz Club in L.A. randaliert hat: Dort herrschte natürlich Rauchverbot und statt Alkohol gab es nur Espresso aus gurgelnden Maschinen. Kein Platz für Jazz, die Musik der individuellen Freiheit. Keine Atmosphäre, keine Stimmung, nur Antisepsis. Schöne, neue Welt!

Deswegen ist alles, was in Richtung Prohibition geht, äußerst skeptisch zu betrachten. Es wird immer gevögelt, gesoffen und mit Drogen hantiert werden, und immer, wenn man diese menschlichen Grundbedürfnisse allzu sehr behindert, werden sie von interessierter anderer Seite bestens bedient. Wenn auch mit noch höheren Gewinnspannen. Schließlich hat die berühmte Prohibition von 1919-1932 die großen illegalen Vermögen erst geschaffen, die uns heute richtig Ärger machen. Sie war der Geburtskanal des Organisierten Verbrechens in Wirtschaft und Politik. Andererseits, kulturhistorisch betrachtet, produzierte sie natürlich auch Kultursponsoring pur. Denn wer konnte sich schon Läden wie den legendären Cotton Club leisten und damit Duke Ellington die Möglichkeiten geben, sich für seine Band die Crème de la Crème an Musikern zusammenzukaufen? Um nur ein kleines Beispiel für ein (noch) völlig unbeackertes Feld von Ökonomie und Kultur anzudeuten. Also treiben wir den Tabak ruhig in den Untergrund und schauen, was sich daraus Gutes für den Kulturstandort Deutschland ergibt.


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