Anwältin von Obama enttäuscht

Im Gespräch Die US-Regierung betreibe in Guantánamo nur Symbolpolitik, glaubt die amerikanische Anwältin Pardiss Kebriaei, die mehrere Häftlinge vertritt. Auch die EU hat versagt

Der Freitag: Einer der ersten Schritte von US-Präsident Obama war die Haftbedingungen im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zu überprüfen. Das Resultat im Februar hieß „menschlich“. Sie vertreten als Rechtsanwältin Guantánamo-Gefangene von dort. Entspricht dieses Urteil Ihren Erfahrungen?


Pardiss Kebriaei: Vorweg zunächst einmal: Obama beauftragte Verteidigungsminister Robert Gates mit dieser Untersuchung. Wie unabhängig und kritisch kann ein Bericht von demjenigen sein, der in Guantanamo die Verantwortung trägt? Ein Ergebnis war, es gäbe keine Einzelhaft. In Camp 5 und 6 sitzen immer noch 130 Personen, darunter auch einer meiner Klienten, 20 Stunden pro Tag in Zellen von etwa 2x2 Metern. Es gibt keine Fenster, nur weiße Stahlwände, extrem nah an deinem Gesicht. Was heißt Isolation, wenn das keine ist?

In dem Bericht hieß es auch, die Gefangenen könnten miteinander reden.


Obama will die Anlage am 22. Januar 2010 schließen. Halten Sie den Zeitplan für realistisch?


Warum können die Gefangenen, gegen die keine Beweise vorliegen, nicht in die USA, falls sie das wollten?

Denken Sie, die internationale Gemeinschaft hätte früher aktiv werden sollen?

Ihr Klient Djamel Ameziane zum Beispiel hat Angst nach Algerien zurückzukehren.


Kennen Sie Fälle, in denen Häftlinge nach der Entlassung deshalb zu Schaden kamen?


Wann waren Sie das erste Mal in Guantánamo?


Gibt es Auflagen für die Gespräche?


Die Gefangenen sind stets auf Übersetzer angewiesen. Sie meinten, auch das Personal in Guantánamo spricht fast nur Englisch.

Ja. Es ist erstaunlich, wie einige der Gefangenen sich trotz allem diese Sprache aneignen. Einer meiner Klienten lernte Englisch, indem er die englische und die französische Fassung von Harry Potter aus der so genannten Bibliothek verglich. Weil man aber immer nur ein Buch gleichzeitig lesen darf, hatte er dafür in seiner Zelle die mehrere hundert Seiten dicken Bücher handschriftlich kopiert.

Sie vertreten auch den Syrer Abdul Nasser Khan Tumani und dessen Sohn Muhammed, der als 17-Jähriger nach Guantánamo kam. Hat er Vorstellungen von einem Leben danach?


Die Rechtsanwältin Pardiss Kebriaei (31) vertritt seit Juli 2007 im Auftrag des New York Center for Constitutional Rights Gefangene in Guantánamo und koordiniert ein Netzwerk Hunderter ehrenamtlich tätiger Kollegen. Zuvor arbeitete sie am Center for Reproductive Rights zum Menschenrechtsschutz in Nord- und Südamerika sowie Europa. Kebriaei ist auf das Völkerrecht und und internationale Gerichtsverfahren spezialisiert.

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