Arbeitslager

Kommentar Sozialkonzepte der Grünen

Soll die gerufen haben: Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft man nicht mit einer längeren Bezugsdauer von Arbeitslosengeld! Katrin Göring-Eckardt auf dem Sonderparteitag der Grünen am vergangenen Wochenende in Cottbus. Recht hat die Frau, nur scheint sie nicht zu wissen, dass umgekehrt dasselbe gilt: Mit einer kürzeren Bezugsdauer von Arbeitslosengeld bekämpft man Langzeitarbeitslosigkeit auch nicht. Privates Arbeitslosengeld und gesamtgesellschaftliche Arbeitslosigkeit verhalten sie sich wie Äpfel zu Birnen, auch wenn der Trend gerade dahin geht, uns beides als ein - im besten Fall aus kontrolliert ökologischem Anbau stammendes - Kompott zu verkaufen.

Ach, die Grünen! Die hatten einmal ein schönes Konzept, das in Spurenelementen immer noch in ihren Sozialpapieren herumgeistert: Die Grundsicherung. Der Gedanke einer repressionsfreien "Bürgerversicherung" stammte aus einem Milieu, das sich - im Gegensatz zur Sozialdemokratie - ein erfülltes und verantwortliches Leben auch jenseits der Lohnarbeit vorstellen konnte. Typisch grün dachte es Sozialismus ohne Maloche und Bauern ohne Arbeiter; die Grundsicherung umwehte ein Hauch von kleinbürgerlichem (oder: -bäuerlichem) Dandytum auf Sozialhilfeniveau. So unbezahlbar wie es klingt, ist das Modell Grundsicherung nicht - dazu gibt es Rechnungen - doch unvertretbar scheint mittlerweile die Haltung, die es trug: denn unter der Hand gestand sie zu, dass jemand, der, finanziert durch eine Grundsicherung, Gedichte schreiben möchte, das eben auch tun kann. Doch die lazy Zeiten sind schon lang vorbei, je weniger es bezahlte Arbeit gibt, desto dringender wird sie als Pflicht beschworen; auch die grünen Konzepte zum Ehrenamt riechen mittlerweile verdammt nach Arbeitslager.

Die jetzt geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe hat wenig mit dem Gedanken "Grundsicherung" zu tun, weder finanziell noch ideell. Am Arbeitslosengeld II haftet das Image des Gnadenbrotes, und in der von den Grünen beschworenen Integrationsfloskel "Fördern und Fordern" knurrt ein penetrant pädagogischer Unterton. Was ist mit denen, die bewusst nicht arbeiten wollen? Sollten wir ihnen nicht Geld dafür zahlen, dass sie den anderen keinen Arbeitsplatz wegnehmen? Vorbei ist das Vertrauen in die Eigenverantwortung der Bürger, die sich ihre Arbeit - auch eben die nicht bezahlte - schon suchen. Vorbei auch die Großzügigkeit in Lebensführungsdingen, obwohl wir sie gerade jetzt gebrauchen könnten.

Am Gunde der Sozialreformen steht die Angst vor dem Absturz, sie verwandelt sich in Strenge gegenüber denen, die es erwischt hat. Doch es sind zwei verschiedene Paar Schuhe: Arbeitsmarktpolitik einerseits und der würdige Umgang mit sogenannten Arbeitslosen andererseits. Beides zu vermischen grenzt an magisches Denken.

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