Als Anfang Juni 2015 in Buenos Aires die erste Demonstration der Bewegung Ni Una Menos (Nicht eine weniger) stattfand, waren viele überrascht: 200.000 Menschen zogen in Argentiniens Hauptstadt vor den Kongress. Anlass war ein besonders brutaler Frauenmord. Die Wut war groß.
In den letzten Jahren hat Argentinien dann eine der größten und inspirierendsten feministischen Bewegungen hervorgebracht. Natürlich waren schon zuvor feministische Gruppen aktiv, wie in der Kampagne zur Legalisierung von Abtreibungen. Doch mit Ni Una Menos ging eine junge Generation auf die Straße, die in Demokratie aufgewachsen war und das Versprechen von Menschenrechten und Gleichberechtigung endlich für alle umsetzen wollte.
Diese Konvergenz aus alten Strukturen und neuer Mobilisieru
neuer Mobilisierung hatte Erfolg: 2020 beschloss der Kongress ein Gesetz zur Legalisierung von Abtreibungen. Dazu kommt eine enorme Umwälzung im öffentlichen Diskurs. Themen wie Gleichberechtigung, Gewalt gegen Frauen oder Rechte von trans Menschen werden öffentlicher und breiter diskutiert als noch vor zehn Jahren. Unter vielen jungen Menschen ist die Verwendung von inklusiver Sprache längst üblich – man sagt nicht mehr „chicos y chicas“ (Jungs und Mädchen), sondern „chiques“. Das ruft freilich die konservativen Kulturkämpfer auf den Plan: Die Hauptstadtregierung verbot die Verwendung inklusiver Sprache in Bildungseinrichtungen.Unterdessen zählte Argentinien im Jahr 2021 über 220 Femizide. Erfolge auf legislativer Ebene sind vergleichsweise leicht zu erzielen. Die Veränderung des Bewusstseins – vor allem der Männer – ist jedoch ein langwieriger Kampf. Einer, der nun aufgenommen wurde.