Als Christopher Paul am 18. April dieses Jahres die Hamburger Ausländerbehörde aufsuchte, nahmen ihn zwei Polizeibeamte in Empfang. "Asyl is over", ließen sie den gebürtigen Nigerianer wissen, der nach einem abgelehnten Asylantrag in Deutschland "geduldet" war. Paul wurde ins Untersuchungsgefängnis gebracht und dort am nächsten Tag einem Richter vorgeführt, der die Abschiebung anordnete. Ihm wurde mitgeteilt, dass für ihn ein Platz im Flugzeug nach Togo reserviert sei, dieses Land sei zu seiner Aufnahme bereit. Ohne ihm Gelegenheit zu geben, Freunde, seine Verlobte oder einen Rechtsanwalt zu kontaktieren, wurde Paul inhaftiert und ins Gefängnis Fuhlsbüttel verbracht. Zwei Tage später stürmten Polizeibeamte in seine Zelle und brach
achten ihn wie einen Verbrecher in Handschellen zum Flughafen. Von dort aus ging es mit weiteren Afrikanern nach Togo. Doch da die dortigen Behörden ihn nicht einreisen ließen, flog die Maschine weiter nach Benin, das nach längerer Verhandlung übernahmebereit war. Mit nichts als einer Schultasche in der Hand und ohne Papiere befand sich Christopher Paul nun auf beninischem Boden, wo er niemanden kannte. Zwar ist es ihm mittlerweile gelungen, nach Nigeria zurückzukehren, aber seine Familie, seine deutsche Verlobte und sein Kind hat er bislang noch nicht wiedergesehen."Das ist kein Einzelfall", stellen die Hamburger Rechtsanwältin Daniela Hödl ihr Kollege Mark Nerlinger fest. Sie haben im Juli dieses Jahres Strafanzeigen gegen die Hamburger Ausländerbehörde gestellt wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung durch Festnahmen in den Amtsräumen. Allein fünf solcher Fälle betreuen Hödl und Nerlinger, weitere sind ihnen durch Kollegen bekannt. "Freiheitsentzug muss nach dem Grundgesetz eine rechtliche Grundlage haben", erklärt die Rechtsanwältin Hödl. "Zwar können Leute nach dem Polizeirecht in Gewahrsam genommen werden, wenn es der Gefahrenabwehr dient. Aber die Ausländerbehörde tut das, wie aus den Akten ersichtlich ist, um die Abschiebung zu ermöglichen. Und das ist rechtlich nicht erlaubt." Ohne gesetzliche Grundlage kann eine Behörde nicht einfach jemanden in Haft nehmen, weil sie ihn verdächtigt, sich der Abschiebung entziehen zu wollen. Darauf hat auch das Hamburger Verwaltungsgericht in mehreren Urteilen hingewiesen, die sich mit der Praxis der Festnahme in der Ausländerbehörde beschäftigten. Die Rechtsprechung ist hier eindeutig: Weder darf die Ausländerbehörde ohne richterliche Verfügung verhaften, noch darf sie es dem Inhaftierten verwehren, sich rechtlich zu schützen, wie auch immer der Aufenthaltsstatus ist. Das Amt muss es hinnehmen, wenn jemand alle legalen Mittel ausnutzt, um ein weiteres Bleiberecht in Deutschland zu erlangen. Doch die Hamburger Ausländerbehörde setzt sich regelmäßig über die rechtsgültige Verfahrensweise hinweg, inhaftiert Menschen ohne richterlichen Beschluss und versagt ihnen rechtlichen Beistand, wie im Fall Christopher Paul.Die Betroffenen werden binnen Minuten vor vollendete Tatsachen gestellt. "Sie können beispielsweise nicht mehr packen, sich von ihren Freunden verabschieden oder wenigstens einen Anruf tätigen", berichtet Rechtswanwältin Hödl. "Und ohne Rechtsbeistand kann es auch keine Akteneinsicht geben, um zu klären, ob die Abschiebung überhaupt zulässig ist." Zwar würden die Leute einem Haftrichter vorgeführt, aber die Menschen hätten in der Regel weder die Rechts- noch die Sprachkenntnisse, um dort selbstständig ihre Interessen wahrzunehmen. Sie würden entrechtet und abgeschoben, sobald eine Ausreise in irgendein Land möglich ist - eine dubiose Rechtspraxis. "Im übrigen müssen auch bei der Auswahl des Drittstaats, in den abgeschoben wird, Verfassungs- und Menschenrechte gewahrt bleiben", fordert Hödl. Um herauszufinden, aus welchem Land eine Person stammt, bedient sich die Ausländerbehörde immer wieder der fragwürdigen Methode der Spracherkennung und nimmt zweifelhafte Dienstleistungen in Anspruch. So wandte beispeilsweise eine guineische Delegation, die auf Einladung der Ausländerbehörde gekommen war, die Methode an. "Da sollten Menschen in kürzester Zeit als Staatsangehörige Guineas erkannt werden, manchmal innerhalb von einigen Sekunden aufgrund eines Zurufs", beschreibt Rechtsanwalt Nerlinger das Verfahren. Nun wurde gegen den Leiter der Delegation Anzeige erstattet, nachdem ihn Verhörte als den Kopf jener Schleuserbande erkannten, die sie nach Deutschland brachte - ein pikantes Detail. Christopher Paul wird es freilich nichts helfen. So schnell wie die Abschiebung vollzogen wurde, ist die Rückreise nicht möglich. Und das, obwohl er als Vater eines deutschen Kindes gar nicht erst hätte abgeschoben werden dürfen.