Ihm drohen jetzt 175 Jahre Gefängnis. Verstöße gegen das Spionagegesetz in 17 Fällen, unter anderem das legt Donald Trumps Justizministerium dem Wikileaks-Gründer Julian Assange zur Last. Weltweit hat dies eine Welle des Entsetzens ausgelöst, ausnahmslos alle namhaften Journalisten sind sich einig: Das ist nichts anderes als ein direkter Angriff auf den Ersten Zusatzartikel der US-Verfassung – und damit auf den Kern der Pressefreiheit. „Dieser Fall wird über die Zukunft der Medien entscheiden“, twitterte Edward Snowden.
Was viele Journalisten im Gegensatz zu Snowden verschweigen: Assange selbst hat stets unermüdlich behauptet, dass diese Anklage gegen ihn erhoben werden würde und dass er genau deshalb Ecuador um Asyl ersucht habe. Dafür aber wurde er fast ein Jahrzehnt lang von vielen Journalisten als Paranoiker verhöhnt. Sein Ruf wurde sukzessive ruiniert, mir gegenüber sprach Assange von „character assassination“. Und das lange vor dem mutmaßlichen Vergewaltigungsfall in Schweden. Dazu an dieser Stelle nur die Empfehlung, die online zugänglichen Polizeiprotokolle der beiden Frauen, die ihn beschuldigen, zu lesen und daraus eigene Schlüsse zu ziehen.
Indessen beginnen Artikel, die zur Verteidigung Julian Assanges und zur Pressefreiheit geschrieben werden, gern mit einer Variante folgender Zeile: „Auch wenn man Assange nicht mag, muss man jetzt …“ Da ist die Rede von einem „wirren“, „unzuverlässigen“ Mann, der sich nicht oft gewaschen habe. In der New York Times wurde Julian Assange als „bag lady“ bezeichnet, als obdachlose Frau, die ihr Hab und Gut in Tüten mit sich herumträgt. Kritik erschöpft sich oft in einer philisterhaften Pedanterie, die sich obsessiv mit seinem Äußeren und seinen Manieren beschäftigt.
Natürlich kann man ihn kritisieren, weil er jene E-Mails über die Machenschaften Hillary Clintons und von Teilen der Demokratischen Partei zu einem heiklen Zeitpunkt, im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen, veröffentlicht hat. Aber dafür wird er nicht angeklagt.
Angeklagt wird er dafür, mit Chelsea Manning das „Collateral Murder“-Video 2010 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Jene Aufnahme, die zeigt, wie US-Soldaten im Irak von Hubschraubern aus ein Dutzend unschuldiger Menschen töteten und mehrere schwer verletzten. Wie sie dabei einen Heidenspaß zu haben schienen. Das US-Militär hatte skrupellos gelogen und behauptet, die Opfer seien Aufständische gewesen, die Hubschrauber hätten lediglich auf ein Feuergefecht reagiert.
Die Veröffentlichung dieses Videos war im öffentlichen Interesse, genau wie die der Dossiers über Häftlinge, die ohne Gerichtsverfahren in Guantánamo festgehalten wurden, Protokolle der Kriege im Irak und in Afghanistan, die zeigten, dass die Zahl der zivilen Opfer weit über der laut offiziellen Verlautbarungen lag.
Manning sitzt derzeit zum dritten Mal in Haft, weil sie sich standhaft weigert, gegen Assange auszusagen. Assange drohen 175 Jahre Gefängnis. Er war und ist kein Paranoiker. Und doch ist es kaum vorstellbar, dass viele Leute für ihn auf die Straße gehen werden – zu gründlich und ausdauernd haben die Journalisten ihren Job gemacht, die ihn als paranoid, stinkend, irre bezeichnet haben. Er und Manning werden verfolgt, weil sie Kriegsverbrechen aufgedeckt haben. Die Geschichte wird ihnen recht geben.
Kommentare 11
vielen dank!
Sehr gut, danke, hier steht alles drin, was es wesentlich dazu im Moment zu sagen gibt. -Nicht aufhören! Weiter Alarm schlagen!
"UNO-Experte: Assange psychologisch gefoltert"
"UN expert says 'collective persecution' of Julian Assange must end now"
Endlich findet sich auch im FREITAG Solidarität mit Julian Assange. "Wenn die Veröffentlichung von Verbrechen als Verbrechen verfolgt wird, wird man von Verbrechern regiert", hat sinngemäß Edward Snowden geäußert. Feine hochgelobte westliche Wertegemeinschaft!
"Die Geschichte wird ihnen recht geben."
.....immer wieder!
.....und: "WEHdem, DER.....!!!" (zuvor)
....immer wieder!
Danke für den Beitrag......
A. hatte das Prämissenspiel bis zur Folterung mitgespielt.
Es wird ein Menetekel bleiben m.E.
und „man muss“ garnichts.
Domscheit-Berg hatte es in Beweis gesetzt.
und wer gibt Ihnen Recht in Ihrem veritablen Etikettenschwindel?
vmtl reklamieren Sie von Stauffenberg ohne etwas davon kapiert zu haben - sry
Oder waren Sie jener, der mit seiner Bombenaktentasche im Kanzleramt aufschlagen wollte?
.....der Nachfolger von Ursus, Banana King & Co. tobt sich mal wieder aus....kommt mir gerade in den Sinn....ist in gewisser "Weise" auch irgendwie "Gut So".....