Auf dem Abstellgleis

Bundesbahn Die Deutsche Bahn unterliegt zunehmend den Gesetzen der Gewinnmaximierung. Doch sie gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge, die der Staat auf hohem Niveau halten muss
Ausgabe 33/2013

Ausgerechnet Mainz, möchte manch einer sagen, was einer Aufforderung zum Witzemachen gleichkäme. Ausgerechnet im Bundestagswahlkampf, könnte ein anderer stöhnen, denn zumindest die großen Parteien können mit diesem Thema nicht über die Plätze ziehen. Das Debakel der Bundesbahn bei der Besetzung der Stellwerke ist dramatischer als das mit NSA, BND, Pofalla oder Steinmeier. Vor allem aber erzwingt es einschneidendes und kräftiges Handeln. Mainz, wie es sinkt und kracht – solcher Hohn reicht nicht, um mit der Situation fertig zu werden. In der Bundestagswahl könnte aber nun zu beobachten sein, dass nicht Parteien gegen Parteien stehen, sondern die wählende Bevölkerung auf der einen, die Kumpanei der Parteien auf der anderen Seite.

Dabei geht es nicht darum, wer vor drei oder fünf Jahren das eine und wer vor neun oder elf Jahren das andere falsch gemacht hat. Richtig ist, dass der Bahn offensichtlich das Geld fehlt, das sie Jahr für Jahr an die Bundeskasse abliefern muss. Richtig ist auch, dass bei der Bahn vor geraumer Zeit ein rüder Sparprozess in Gang gesetzt wurde, um das Unternehmen an die Börse zu bringen. Zu diesem Punkt soll immerhin angemerkt werden, dass es der verstorbene Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer war, der auf einem Parteitag seiner SPD an führender Stelle dafür sorgte, dass die Bahn nicht restlos den Gesetzen der Gewinnmaximierung unterworfen wurde. Trotzdem war Scheer, dem die SPD nach seinem Tode etliche Minuten ehrenden Andenkens widmete, ein Außenseiter in seiner Partei. Aber nicht nur dort – er war ein Außenseiter im Bundestag, bei den Parteien überhaupt.

Was derzeit in Mainz geschieht, zeigt, dass die Fehlentwicklung, gegen die er sich gestemmt hat, weiterging. Und weitergehen wird, wenn die Politik nicht kräftig zur Ordnung gerufen wird. In einem Bundestagswahlkampf, in dem die Politiker überall auf der Straße herumstehen, besteht immerhin die Möglichkeit dazu.

Kein Spielfeld für Jongleure

Ein Bahnvorstand namens Kefer (hier möchte man mit der Vermutung witzeln, der Name sei falsch geschrieben) verspricht jetzt urplötzlich, es würden mobile Einsatzreserven geschaffen – was bei der regionalspezifischen Aufgabe der Stellwerke bedenklich ist – und überhaupt das Personal aufgestockt. Den Herrn Kefer kennt man aus den Diskussionen über „Stuttgart 21“, wo er mit sanfter Stimme die unbeschreiblich hohe Leistungsfähigkeit der Bahn und ihrer Technik gerühmt hatte. Jetzt grüßt Mainz.

Keine Frage: Die Leistungsfähigkeit der Bahn ist hoch. Wenn man sie lässt. Und damit liegt die Verantwortung bei der Politik. Die Bahn gehört wie die Post, das Wasser, die Schulen zur öffentlichen Daseinsvorsorge, die der Staat auf bestmöglich hohem Niveau halten muss. Sie sind kein Spielfeld für Finanzjongleure. Jetzt kann man das den Politikern sagen, überall, wo man ihnen begegnet und aus welcher Partei auch immer. Man würde ihnen auch gern sagen, dass Banken, zumal systemrelevante, ebenfalls kein Spielfeld für Jongleure sind. Aber das hat bekanntlich bisher nichts genützt. Beim Thema Bahn aber könnte es jetzt anders werden.

Übrigens, so viel Spaß muss sein: Der Mann, der das Debakel bei der Bahn angerichtet hat, Hartmut Mehdorn, soll heute Berlins Großflughafen retten.

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