Im Westen wurde nur die Nachricht verbreitet, einer Bürgerwehr sei es gelungen, in Bengasi die islamistische Gruppe Ansar Charia aus einer Kaserne im Stadtzentrum zu vertreiben. Die Aktion habe sich gegen Milizionäre gerichtet, die für den Tod des US-Botschafters am 11. September verantwortlich gemacht werden. Und es klang gut, als das Versprechen der Zentralregierung in Tripolis zitiert wurde, jetzt mit den unberechenbaren Paramilitärs aufzuräumen, die seit dem Umsturz in Libyen mehr denn je das Sagen haben.
Was die westliche Berichterstattung ausblendete: Es ist bisher nicht gelungen, polizeiliche Ordnungskräfte, geschweige denn ein Heer zu formieren, die sich der Exekutive in Tripolis verpflichtet fühlen. Erreichen lässt sich das wohl nur, indem man bei den bewaffneten Gruppen dafür wirbt, sich der Zentralgewalt zu fügen. Genau das scheint in der Ostregion des Landes ein gangbarer Weg zu sein. Bei der erwähnten guten Nachricht fehlte nämlich der Zusatz, dass die Bürger von Bengasi vor ihrem Angriff auf Ansar Charia die ebenfalls als islamistisch geltende Brigade Raf Allah Al Sahati vertrieben hatten, die nominell bereits dem Verteidigungsministerium unterstellt war. Sechs Menschen kamen dabei ums Leben, 40 wurden verletzt. Am gleichen Abend wurde noch eine dritte Gruppe in die Flucht geschlagen.
Warum kam es zu diesem Willensakt der Bürgerwehr ausgerechnet dort, wo der Aufstand gegen Gaddafi im Februar 2011 begann? Offenbar verstärkt sich das Bewusstsein, dass die Autorität des Staates und die Anarchie der Milizen unvereinbar sind. Es sei denn man, richtet sich darauf ein, dass Libyen in einen ähnlichen Zustand der Unregierbarkeit driftet wie das benachbarte Mali. Es hatte in Bengasi bereits eine fragile Allianz regierungsloyaler Paramilitärs gegeben, doch war die am Streit um das Kommando zerbrochen. Der von Tripolis nominierte Sicherheitschef Saleh Doghmane hatte sich nicht durchsetzen können. In dieses Machtvakuum stieß die Bürgerwehr. Man kann ihren Mut nur bewundern. Aber eine republikanische Ordnungsmacht, die der politischen Einheit dient, muss Libyen weiterhin entbehren.
Kommentare 3
Diesen Post, der zunächst versehentlich in meinem Blog zum Mohammed-Video landete, hab ich dort wie folgt kommentiert:
Der Bericht könnte auch für diesen Zusammenhang wichtig sein, aber er bringt nichts Neues, außer einer verfälschenden Wiedergabe der Aussage seiner Quelle.
Man muss aber sehen, dass John Glaser seine Quelleverfälschend wiedergibt. "suggested" (Meyers) ist nicht dasselbe wie "admitted" (Glaser).
Der Bericht, auf den Glaser sich bezieht, bedeudet nur, dass Frau Clinton ihre Lesart des Ereignisses der der Republikaner angepasst hat - vielleicht aus wahltaktischen Gründen.
In der Aufklärung der Ereignisse ist man keinen Schritt weiter, der Al Quaida-Zusammenhang ist bisher reine Spekulation, man hat keine Beweise.
Wir wissen (im Moment) nur, dass wir nichts wissen.
Ja, meine volle Zustimmung.
Auch dem stimme ich zu.
Es ist und bleibt eine Schande, was westliche Politik in anderen Ländern anrichtet, um diese den eigenen Interessen wieder unterzuordnen: Irak, Afgahnistan, Libyen, Syrien ... Die Liste ist noch viel länger, weil das nicht immer kriegerisch passiert. Ich empfehle dazu wieder einmal die Lektüre der Bücher von John Perkins wo er diese Mechanismen, die offenen und verdeckten, aus eigener Erfahrung beschreibt. Im Film "Let's make money" erklärt er das am Beispiel Irak.
2003 schrieb Alain Joxe in Le Monde diplomatique: "ALLEM Anschein nach setzt die imperiale Übermacht nach Art des alten Clausewitz auf die Eigenständigkeit des militärischen gegenüber dem politischen Ziel und hat nur noch die Kontrolle über die Ölquellen und die koloniale Rückeroberung des Nahen Ostens, vielleicht auch eine Strafexpedition als Exempel für die ganze Welt im Visier. Das Imperium enthierarchisiert alles und jedes, ausgenommen das "militärische Kapital" der Feuerkraft und die Beherrschung der kurzen Zeit, wobei Letztere für die politisch-militärische Arbeit und die Langfristigkeit entscheidend ist. So infiziert sich die militärische Planung unter dem Einfluss der elektronischen Revolution am neoliberalen Modell der transnationalen Wirtschaft, die auf elektronisch gemanagten Finanzströmen surft. Diese Art von Wirtschaft beruht nicht auf dem handelsförderlichen Frieden des "fairen Wettbewerbs", sondern auf der zersplitterten Buchhaltung standortungebundener Profitströme, die unabhängig von den Unwägbarkeiten von Produktion und Verkauf ständig fließen müssen.
Der von Bush angekündigte "endlose Krieg", der mit der Militärintervention im Irak begonnen hat, ist ein Krieg ohne Sieg und ohne Frieden, und wahrscheinlich auch ohne wirklichen Wiederaufbau. Man ist es zufrieden, dass Zerstörung und Wiederaufbau Unternehmensgewinne generieren, und opfert die politische Moral und Vernunft auf dem Altar der Unternehmensmoral."
Auch das Chaos nutzt dem Westen, da er nicht mehr eine viel teuerere und starke Zentralregierung schmieren muss, sondern nur noch regionale Warlords in der Gegend, wo die interessierenden Rohstoffe liegen. Die libyschen Ölquellen sind sicher längst gesichert, wie einst die irakischen. Alles andere ist doch für die herrschenden Kreise der führenden westlichen Staaten nicht interessant genung, um sich da wirklich einzumischen. Hauptsache Gaddafi ist weg, der dafür bestraft wurde, dass er das westliche Spiel durchkreuzen wollte, nicht weil er mit Opponenten grausam umging. Schonj beim Krieg gegen den irak ging es nicht um das, was uns als kriegsgrund verkauft wurde: Alan Greenspan, Exchef der US-Notenbank, schrieb in seinen Memoiren: "Es macht mich traurig, dass es politisch unziemlich ist, etwas zuzugeben, was alle wissen: Der Irakkrieg ging vor allem ums Öl." (Quelle)
Wie im Irak so in Libyen usw. usf. Es ist das immer gleiche Muster. Gegenbeispiele sind willkommen.