Auf dem Weg zum Ich

Ausstellung Die Ausstellung "Taswir. Islamische Bildwelten und Moderne" im Berliner Gropius-Bau unterläuft die Klischees von Ost und West

Islam und Moderne – wer schon bislang den Verdacht gehegt hatte, dass beides schwer zusammen geht, der jüngste Anschlag auf den dänischen Karikaturisten dürfte ihn einmal mehr bestätigt haben. Doch von der Meinungsfreiheit einmal abgesehen: Warum soll der dänische Karikaturrist Kurt Westergaard eigentlich nicht das Recht gehabt haben, Mohammed mit Bombe auf dem Turban zu zeichnen?

Im Sinne eines erweiterten Karikaturbegriffs sieht der Prophet, der auf einer persischen Miniatur aus dem 16. Jahrhundert zu sehen ist, Westergaards Zeichnung in der dänischen Zeitung Jyllands Posten aus dem Jahr 2005 zum Verwechseln ähnlich. Mohammed selbst wie auch sein Schwiegersohn Ali, die mit ikonoklastischem Furor das islamische Heiligtum Ka’ba von heidnischen Idolen säubern, sind da von einem lodernden Feuernimbus umgeben – heilige Krieger in Sachen Religion.

Aus der Berliner Ausstellung kann sich, wer unbedingt will, die landläufigen Klischees über den angeblich kunstfeindlichen Islam herauslesen. Mal ist Mohammeds Gesicht mit einem Schleier verhüllt. Mal ist er nur als Abwesender präsent: Auf einem Bild künden einzig Buchstaben von ihm, auf einem anderen nur seine Sandalen. Ein generelles Bilderverbot lässt sich aus den kostbaren Exponaten aber nicht ableiten. Von ziemlich detailgetreuen Mohammed-Bildern, wie in einer timuridischen Handschrift über die „Himmelfahrt des Propheten“, bis zu den tiefschwarzen Märtyrerbildnissen des palästinensischen Künstlers Taysir Batnijs zeigt die Schau mindestens genauso viele Porträts.

Doch vor allem mit ihrer poetisch-assoziativen statt streng historischen Präsentation gelingt es den Kuratoren Henrik Budde und Almuth Bruckstein Coruh, die festgefügten Bilder von islamischer und moderner Kunst zu unterlaufen. Zwar unterscheidet die Idee von der Kunst als Spiegel und Diener des Göttlichen den Osten vom Westen. Die Fixierung auf die Schrift (des Koran) als Quelle aller Schönheit hat aber viele Künstler seit Goethe beeindruckt. Die roten Tupfer, mit denen Pablo Picasso Ende der vierziger Jahren den Verszyklus Le Chant des Morts des Dichters Pierre Reverdy illustrierte, ähneln verblüffend den Randzeichen auf einer andalusischen Koranhandschrift aus dem 13. Jahrhundert. Die Präsenz der reinen Linie, zu der sich die islamische Kalligraphie so unnachahmlich steigert, ist der Moderne samt Abstraktion näher, als Abgrenzungsfanatiker glauben machen möchten. Und wie man beides verbinden kann, zeigt der türkische Künstler Murat Morova. In seiner Arbeit Ah Min’el Ask-i Memnu (Klage über die verbotene Liebe) gehen den Sufis nachempfundene Versuche, den menschlichen Körper aus Buchstaben zu zeichnen, unmerklich in figürliche Comics über – ein berückendes, homo­erotisch getöntes Joint-Venture in Sachen Liebe und Schönheit.

Dass die Kehrseite solch formaler Schönheit die Strenge ist, demonstriert Mona Hatoums. Ihre Arbeit Light Sentence, eine Skulptur aus gerastertem Stahl, wirkt wie ein Käfig. Doch dass es Auswege aus der scheinbar unentrinnbaren Dialektik gibt, beweist die ägyptische Künstlerin Susan Hefuna. Sie nimmt in ihrer Arbeit die perfekte Symmetrie auf, wie man sie an nordafrikanischen Türflügeln sehen kann, die von einem komplexen Flechtwerk aus geschnitztem Holz überzogen sind. Der kleine Unterschied: In der Mitte der mit schwarzer Tusche bemalten Holzskulptur kann man das titelgebende, Schriftzeichen für Ana lesen. Das Wort kommt aus dem Arabischen und heißt so viel wie: Ich.


TASWIR. Islamische Bildwelten und Moderne Berlin, Martin Gropius Bau, noch bis zum 18. Januar 2010. Katalog, Nicolai, 19

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