Mit dem deutsch-polnischen Verhältnis steht es zur Zeit nicht zum besten. Dem historisch hergeleiteten Misstrauen der Brüder Kaczynski entspricht eine traditionelle, von Vorbehalten geprägte Distanz in den deutschen Grenzgemeinden gegenüber ihren polnischen Nachbarn. Immerhin weist die Popularitätskurve der einst bis ins Establishment gepflegten Polenwitze nach unten. Und in den polnisch-deutschen Grenzregionen boomen die bilaterale Filmbeziehungen.
So galt die Retrospektive des Neubrandenbuger DokumentArt-Filmfestivals der Oder-Neiße-Grenze im deutschen und polnischen Dokumentarfilm. Neben bekannteren Arbeiten von Andreas Voigt (Grenzland - eine Reise) und Helke Misselwitz (Fremde Oder), die sich dem Thema mit mosaikartigen, bisweilen nostalgischen Spurensuche
ostalgischen Spurensuchen nähern, waren Wochenschauausschnitte und kurze Dokumentarfilme zu sehen. Diese illustrierten beispielhaft die Geschichte von der "Verklärung", so Kurator Kornel Miglus, als "Friedensgrenze" bis hin zu einer offeneren Reflektion. Zunächst feierten die DEFA-Wochenschau Der Augenzeuge und andere Propagandamärchen wie der polnische Film Eine Grenzstadt (1966) die ideologisch verordnete Völkerfreundschaft. Mit der Öffnung der Grenze zwischen Polen und der DDR im Jahre 1972 wurde das Verhältnis unbefangener, und sechs Jahre später durften Volker Koepps Zeitzeugen aus dem Oderbruch in Am Fluss bereits aus dem Nähkästchen ihrer Erinnerungen an die letzten Kriegstage plaudern, womit die deutschen Vertriebenen in den DEFA-Dokumentarfilm eingingen. 1987 setzte sich das polnische Regisseurinnenduo Danuta Halladin und Lidia Zonn in ihrem Breslau-Portrait Spuren, die verschwinden mit nachdenklichem Pragmatismus damit auseinander, wie nach 1945 aus einer deutschen Stadt eine polnische gemacht wurde.Miglus betonte in der Eröffnungsdiskussion die ideologisch-historische Aufladung des Themas und stellte fest, dass sich "bedeutende polnische Filmemacher an diese Last nicht herangetraut" hätten. Inzwischen hat die Karawane auf der "Suche nach einer Symbolik für den europäischen Einigungsprozess", so der Journalist Uwe Rada, den bedeutungsbefrachteten Strom in Richtung Osten übersprungen: "Die Konjunktur der deutsch-polnischen Grenze als symbolischer Ort ist vorbei." Nach Krieg und Umsiedlungen und der zeitweisen Sperrung während der "Solidarnosc"-Bewegung in den achtziger Jahren ist heute, so Miglus, "die Grenze an der Oder längst passé". Womit allerdings die Suche nach älteren und jüngeren Grenzschicksalen - die traurige Bedeutung als EU-Außengrenze, als die die Oder zur Todesfalle für ost- und außereuropäische Flüchtlinge wurde, wird im Film nahezu ausschließlich in Hans-Christian Schmids Lichter thematisiert - aus dem Blickfeld gerät.Die DokumentArt präsentierte den Film Meiner Mutter Land, der von Deutschen erählt, die nach 1945 in der heutigen Wojewodschaft Zachodniopomorskie (Westpommern) blieben. Michael Majerskis Dokumentation lief in Szczecin, wo das Neubrandenburger Festivalteam mit dem Verein OFFycina einen Veranstaltungspartner gefunden hat. Dieses Jahr waren alle Wettbewerbsprogramme auch in der polnischen Ostsee-Metropole zu sehen, zum Teil im 1909 als Helios-Welt-Kino-Theater gegründeten Kino "Pionier", das als ältestes noch betriebenes Kino der Welt gilt. Ab 2008 soll das Programm gemeinsam gestaltet werden. Festivalleiter Holm-Henning Freier erklärt die Fokussierung auf die 400.000-Einwohner zählende Universitätsstadt am Oderhaff mit einer absehbaren Entwicklung des Großraums: "Die deutsch-polnische Grenze wird in den nächsten Jahren immer mehr an Bedeutung verlieren, und bald kommt der Euro als Zahlungsmittel nach Polen. Das heißt, die Stadt Stettin wird bald wieder die Bedeutung für die umliegende Region bekommen, die sie schon einmal hatte." Die Kooperation mit Szczecin ergänzt eine inzwischen dreijährige Partnerschaft mit dem Festival Jugend und Film in Koszalin, mit dem eine deutsch-polnische Jugendvideowerkstatt sowie ein regelmäßiger Programmaustausch organisiert werden.Etwas weiter südlich wird ebenfalls an grenzüberschreitenden Filminitiativen gebastelt. Im deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländereck um Zittau und Görlitz ist das Neiße-Filmfestival über die Grenze nach Zgorzelec gegangen, und das Filmfestival Cottbus präsentiert regelmäßig Programme in Gubin, Poznan und der niederschlesischen Kreisstadt Zielona Gora. Dort fanden im letzten Jahr die Deutsch-Polnischen Filmwochen statt. Heiko Fischer, als Projektleiter auf der deutschen Seite für das Programm zuständig, konstatiert wachsenden Zuspruch und Neugier vor allem eines jungen Publikums, das sich wieder der deutschen Sprache zuwende. Als eine Ursache nennt er "die zunehmende Zahl deutscher Filme, kleiner wie großer, die in Polen in die Kinos kommen, was leider in der anderen Richtung gegen null tendiert".Fischer hält engen Kontakt zum alteingesessenen Lubuser Filmfestival im polnischen Lagow, das sich in diesem Jahr dem Themenkreis "Geschichte, Wahrheit und Versöhnung" widmet. Hinter der pathetischen Überschrift steht nicht zuletzt das Nachdenken über die historischen Mythen der Rolle Polens beim Zusammenbruch des Kommunismus und dem Alltag zwischen 1945 und 1989 - eine Bipolarität, deren Reflexion Programmleiter Tadeusz Sobolewski im polnischen Kino bisher vermisst. "Obwohl ich fast 60 bin, habe ich bisher noch niemanden getroffen, der sich selbst als Kommunisten bezeichnet", formuliert er süffisant im Vorwort des Festivalkataloges und plädiert anders als die Kaczynskis dafür, die volkspolnische Ära nicht zu dämonisieren, sondern als "ein Element der historischen Kontinuität" zu betrachten. Vorbilder für die filmische Bearbeitung jenseits eindeutiger Schwarz-Weiß-Muster sieht Sobolewski in Deutschland, mit Arbeiten wie Good bye, Lenin oder Das Leben der Anderen.Unbeeindruckt von den staatsmännischen Unkenrufen in Sejm und Bundestag werden auf filmkultureller Ebene die offiziellen Beziehungen ausgebaut. Anfang September fand in Berlin unter dem Titel "Moving Europe - Moving Pictures" eine deutsch-polnische Koproduktionskonferenz statt. Für die Zoten im Rahmenprogramm sorgte hier der polnische Kabarettist Steffen Möller, ein gebürtiger Wuppertaler, der 1993 nach Warschau zog. Dort gibt er in der Seifenoper M jak milosc (L wie Liebe) einen Deutschen, der in Polen Frittierkartoffeln anbauen will und dabei von einem Missgeschick ins nächste stolpert.