Auf die „Trump-Kur“ versessen

Europa/USA Die Politik fungiert immer mehr als Motor einer globalen Wirtschaftskrise, ob es um Italien, Großbritannien oder den amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt geht
Ausgabe 33/2019
Massive Steuersenkungen lieben sowohl Boris Johnson als auch Donald Trump und Matteo Salvini. Das lockt das globale Kapital an
Massive Steuersenkungen lieben sowohl Boris Johnson als auch Donald Trump und Matteo Salvini. Das lockt das globale Kapital an

Foto: Matt Cardy/Getty Images

Für die Weltökonomie gibt es derzeit vor allem eine Bedrohung, deren zerstörerisches Potenzial es mit dem Handelskrieg USA – China aufnehmen kann: die Lage in der EU. Zwar behandeln deren Politiker die Streitfälle Großbritannien und Italien so, als spielten sie sich irgendwie an den Rändern Europas ab. Doch nehmen die Risiken für das Gesamtkonstrukt EU zu. Im Oktober könnten sie sich materialisieren.

Am 31. Oktober ist Brexit-Tag. Die EU und die britische Regierung stehen sich unversöhnlich gegenüber. Ökonomen behelfen sich mit der Quantifizierung von Eintrittswahrscheinlichkeiten à la „Nur noch 30 Prozent Chance eines geordneten Brexits“. Damit zeigen sie aber nur, dass völlig unklar ist, wie das Spiel um den Austritt Großbritanniens ausgeht.

Im Oktober könnte es zudem Neuwahlen in Italien geben, aus denen die rechte Lega als Sieger hervorgeht. Für die EU bedeutet das nichts Gutes. Konflikte mit der Lega um höhere Haushaltsdefizite sind programmiert: Schon im Oktober muss Rom der Kommission seine Finanzplanung für 2020 zur Prüfung vorlegen. Die Rating-Agenturen drohen dem Land mit Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit, sollte man sich den EU-Vorgaben nicht beugen. Zu diesen Gefahrenmomenten gesellt sich noch die US-Regierung, die damit droht, ihren Zollkrieg auf die EU auszuweiten.

Diese politischen Krisen haben sich in wirtschaftlich günstigen Zeiten aufgebaut. Der Aufschwung entschärfte die Gegensätze. Nun geht er zu Ende. Italiens Wirtschaftsleistung stagniert, in Deutschland sinkt sie, ebenso in Großbritannien, dem der harte Brexit eine lange Rezession verheißt. Premier Boris Johnson scheint das nicht zu kümmern. Er kündigt nicht nur höhere Ausgaben in Reihe an, er plant auch massive Steuersenkungen, um das Land zum Magneten für das globale Kapital zu machen. Ähnliches scheint Salvini vorzuschweben, der Italien über die „Trump-Kur“ genesen lassen will, also durch massive Steuersenkungen. Mehr Schulden und ein Steuersenkungswettlauf – ob das die ökonomischen Bilanzen in Ordnung bringt, darf bezweifelt werden. Sicher ist: Geht die Rechnung nicht auf, werden die Patrioten in London und Rom das Ausland verantwortlich machen.

Selbst wenn London einen geregelten Brexit hinbekommt, selbst wenn Italien eine stabile Regierung und ein EU-konformes Budget erreicht und selbst wenn die US-Regierung einen Handelskrieg mit der EU absagt – die Gegensätze bleiben. Die Regierungen, die sich nächste Woche wieder zum G7-Gipfel treffen, erklären immer häufiger eine grundsätzliche Unvereinbarkeit ihrer Interessen mit denen der „Partner“.

Dies bedroht das globale Wirtschafts- und Finanzsystem. Es beruht darauf, dass rivalisierende Standorte Interessengegensätze zum Schutz des Gesamtsystems zurückstellen. Die gegenseitige Abhängigkeit fungierte früher als Konfliktbremse. Heute hingegen versuchen die Regierungen, Abhängigkeiten zu instrumentalisieren, um ihre Interessen durchzukämpfen. Kooperation wird in Zweckbündnissen – gegen die anderen – gesucht. So könnten Trump und Johnson auf dem G7-Gipfel ein US-britisches Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit ankündigen.

Vor zehn Jahren war es die globale Wirtschaftskrise, die die mächtigen Staaten zu einer gemeinsamen politischen Antwort nötigte. Nun sind es die politischen Gegensätze, die eine Wirtschaftskrise beschleunigen.

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