Zehntausende Anti-TTIP-Demonstranten haben am vergangenen Wochenende in Hannover ein deutliches Zeichen gesetzt. Ein relevanter Teil der bundesdeutschen Bevölkerung ist gegen das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA. Dies zeigte kürzlich auch eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung: Ein Drittel der Befragten lehnt den Vertrag komplett ab. Die breite Contra-Stimmung stellt inzwischen ein ernstes Problem für die Bundesregierung und die EU-Kommission dar, die das Abkommen unbedingt durchbringen wollen.
Nicht nur in Deutschland hat die Freihandelspolitik einen schlechten Ruf. In Österreich könnte die Ablehnung von TTIP bald regierungsamtlich werden. Der möglicherweise neue Bundespräsident ist nämlich gegen das Abkommen: Norbert Hofer, Kandidat und Ideologe der rechtslastigen FPÖ. Auch der wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner, Donald Trump, agitiert seit langem gegen den geplanten Vertrag. Wird die Kritik an TTIP bald von rechts dominiert? Auf der Straße demonstrieren die Linken, aber scheitern könnte das Abkommen letztlich an den Rechten.
Zunächst ist nicht erstaunlich, dass die Ablehnung von Freihandelsabkommen und diverse Spielarten von Fremdenfeindlichkeit offenbar gut kombinierbar sind. Man kann beides als Nationalismus begreifen. In der ökonomischen Variante möchte man seinen Wirtschaftsraum, die Arbeitsplätze, den Wohlstand schützen. In der politischen Version geht es um die Bewahrung nationaler Identität, Kultur und konservativer Werte.
Die linken TTIP-Gegner müssen deutlich machen, dass es ihnen um etwas anderes geht: um soziale und ökologische Standards für alle Menschen und alle Länder. Um den Vorrang der Politik vor Profitinteressen der großen Konzerne. Um Transparenz und Demokratie in den Verhandlungen.
Trotz der wachsenden Ablehnung machen die Institutionen bislang jedoch nicht den Eindruck, als wollten sie von den Freihandelsabkommen lassen. Für die wirtschaftsfreundliche EU-Kommission sind die Vorhaben einfach zu wichtig. Der Sound im Berliner Wirtschaftsministerium klingt so: Wir schaffen das. Man ist bereit weiterzuverhandeln, auch wenn sich das Zeitfenster wegen der US-Präsidentenwahl Ende dieses Jahres erst mal schließt. Aber es dürfte sich wieder öffnen, wenn die Demokratin Hillary Clinton US-Präsidentin wird. Ihre Skepsis gegenüber TTIP, die sie im Wahlkampf formuliert, könnte dann der üblichen Pragmatik weichen. Die US-Konzerne werden Clinton erklären, dass es vorteilhaft für das Geschäft wäre, einen leichteren Zugang zum europäischen Markt zu erhalten.
Die Kritik der Bevölkerung hinterlässt trotzdem Wirkung. Der Protest hat bereits Einfluss auf die Verhandlungen ausgeübt. So will die EU-Kommission die ursprünglich geplanten privaten Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen Regierungen verklagen können, durch einen Investitionsgerichtshof ersetzen, eine abgeschwächte Art des Schiedsgerichts. Doch das nimmt dem Protest nicht den Wind aus den Segeln.
Vorstellbar ist daher diese Variante: EU und USA einigen sich schließlich auf ein TTIP light, ohne Schiedsgerichte, ohne weiteren Einfluss der Unternehmen auf die Gesetzgebung. Aus dem einst geplanten umfassenden Abkommen würde ein konventioneller Vertrag zur Handelserleichterung und zum Zollabbau. Das wäre ein guter Ausgang.
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