Aufkleber für alle

Lauschangriff Der "Echo Jazz" soll so etwas wie die Grammys in winzig werden. Bei der Verleihung gibt es 31 Kategorien - da jubelt die deutsche Musikwirtschaft

Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Echo Jazz zum Vergeben! Echo Jazz? Was das ist? Weiß keiner so richtig. Wer daran teilnimmt? Na die, die ihn verteilen. Ein Event eben, eine festliche Gala, bei der Preise überreicht werden. So etwas wie ein Grammy in winzig. So winzig wie die Branche, die sich hier feiert, etwa ein Hundertstel des ohnehin sehr, sehr abgemagerten Tonträgermarktes. Ein Fest, bei dem die Jazzlabels ACT und Double Moon, C.A.R.E. und Skip feiern, dass sie deutsche Jazzlabels und immer noch selbstständig sind. Mehr oder weniger. Mehr oder weniger selbstständig, mehr oder weniger Jazz, mehr oder weniger deutsch. Letzteres ist ohnehin schnuppe, wenn die Musik gut ist. Und überhaupt würde man dazu tatsächlich gratulieren wollen. Und die großen Branchenfische Universal, Warner, Sony, EMI feiern, dass sie wenigstens eine deutsche Niederlassung haben, weniger Jazz, weniger deutsch, weniger selbstständig – was entsprechend weniger Grund zur Gratulation bietet. Spielt aber alles keine Rolle – es geht um den Anlass. Um bis zu 31 Gründe, kleine Etiketten mit dem Aufdruck „Echo-Gewinner“ auf neue Tonträger zu kleben.

Die Liste der 26 Preisträger, die von einer elfköpfigen Jury aus „herausragenden Persönlichkeiten aus Kultur, Medien und dem Arbeitskreis Jazz des Bundesverbandes Musikindustrie“ – zu Deutsch: von sieben Vertretern von Schallplattenlabeln sowie von zwei Veranstaltern und zwei Journalisten als Bannerträger der Unabhängigkeit – in 24 von 31 Preiskategorien erwählt wurden, ist das eine. Sie zeigt, welche große Plattenfirma sich stark engagiert (Universal) und welches kleine Label Energien investiert (ACT) – wer schreibt, der bleibt. Sicher könnte man genauso gut 31 andere Musiker ehren. Aber das ist nicht das Problem, denn im Großen und Ganzen präsentiert der Echo-Jazz-Musiker, denen man ein Lob durchaus gönnt: das Trio em, die Pianisten Jason Moran oder Brad Mehldau, den Saxofonisten Heinz Sauer und die Posaunisten Nils Wogram und Ray Anderson – konsensfähige Musiker auf hohem Niveau, die den Jazz mit ihren persönlichen Sichtweisen bereichern. Doch die Fülle der Kategorien erstickt jede inhaltliche Profilierung. Und Jazz ohne inhaltliches Profil ist nichts als Marketing.

Konsequenterweise lehnte Manfred Eicher, der Gründer des Labels ECM, den ihm zugedachten Echo für seine Verdienste als „Förderer des Jazz“ ab: Diese Preisverleihung konterkariere die Wahrnehmung seiner Tätigkeit als Musikproduzent „nicht nur an Witz, sondern allen Ernstes.“

Als ein Produzent, dessen Erfolg über vier Jahrzehnte sich nur damit erklären lässt, dass er sich offenkundig für Musik interessiert, bringt Eicher Tucholsky gegen den Echo Jazz in Anschlag: „Je preiser gekrönt, desto durcher er fällt...“

Ob er mit seiner Skepsis gegenüber der Retortengeburt des Echo Jazz Recht behalten wird, das wird sich bei der Preisverleihung am 17.6. in der Gläsernen VW-Manufaktur in Dresden zeigen, wenn der Glamour der Show verlangen wird, dass der musikalische Eigensinn der Preisträger versteckt wird. Wenn bei dieser Gala – wie im Vorjahr – die Musiker bis auf einige Alibitakte ruhiggestellt werden, damit die Kameras und Mikrofone das unverfängliche Geplätscher der strahlenden Show-Acts einfangen können. Wer Musiker ehrt, indem er andere Musiker spielen lässt, zeigt, was er von ihnen hält. Nicht viel nämlich. Entscheidend ist noch immer auf dem Platz.

Die Gewinner des Echo Jazz 2011 wurden am 13.4. von der Deutschen Phono - Akademie, dem Kulturinstitut des Bundesverbandes Musikindustrie e. V. , bekannt gegeben

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