Auflösung der Grenzen

Handlungsbedarf Jim Thomas von "Action Group on Erosion, Technology and Concentration" (ETC plädiert für ein sofortiges Moratorium für jegliche Art von Nanotechnologie

FREITAG: Ein sofortiges und totales Moratorium für jegliche Art von Nanotechnologie, auch für Laborversuche, ist das nicht Panikmache?
JIM THOMAS: Das Problem ist: Je kleiner die Partikel werden, desto reaktionsfähiger - und folglich auch toxischer - werden sie. Nach unseren Recherchen gibt es keinerlei staatliche Regelungen zu den damit verbundenen Gefahren, in keinem einzigen Land. Bisher ist Nanotech unter dem Radarschirm der behördlichen Kontrollen und Sicherheitsnormen durchgesegelt. So unglaublich das tönen mag: Es gibt auch keine Risk-Assessment-Modelle, kein internationales Labor-Protokoll, wie Nanotechnologie gehandhabt werden soll. Darum müssen wir sofort reagieren, und das Vorsorgeprinzip auch hier einführen.

Am Nanotech-Seminar in Brüssel nahmen neben hochkarätigen ExpertInnen auch Regierungsleute teil, EU-Parlamentarier- und viele NGO-VertreterInnen. Fand Ihre Forderungen bei diesen Leuten Unterstützung?
Ja, bei vielen. EU-ParlamentarierInnen wollen nun im Parlament einen Vorstoß machen und EU-Regelungen einfordern. Viele kamen auch einfach, um sich zu informieren. Eine Expertin der Versicherung Swiss Re wollte zum Beispiel wissen, ob Nanotech- Risiken überhaupt versicherbar sind.

Was sind die nächsten Schritte?
Wir wollen in zwei Schritten vorgehen: Zuerst und dringend braucht es ein Moratorium. Das muss nicht sehr lange dauern, doch die Wissenschaftsgemeinde muss sich erst einmal einig werden, wie Nanotech im Labor gehandhabt werden soll. Als zweiten Schritt braucht es eine größere gesellschaftliche Diskussion über die Anwendung und Kommerzialisierung von Nanotech- Materialien. Es geht da um gesundheitliche und ökologische Risiken, aber auch um so wichtige Fragen wie Diskriminierung von behinderten Menschen, Datenschutzprobleme, Auswirkungen auf den Süden, militärische Anwendungen. Weil die Fragestellungen so breit sind, braucht es dazu eine internationale Konvention im Rahmen der UNO.

Wie könnte eine solche Konvention aussehen?
Das wollen wir nun zusammen mit verschiedenen Zivilgruppen angehen. Wir wollen einen konkreten Vorschlag ausarbeiten, wie ganz generell neue Technologien bewertet und geregelt werden sollen.

Also nicht nur Nanotechnologie?
Richtig, generell neue Techologien, denn am meisten Sorgen macht mir die Integration von Nano- und Gentechnik. Wie Nanotechnik eingesetzt wird, um zum Beispiel Gene oder Viren, überhaupt neuartige Lebewesen - vom Atom an aufwärts - zu konstruieren. Die Grenze zwischen Nano- und Gentechnik löst sich immer mehr auf.

Das Gespräch führte Florianne Koechlin

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