Immer wieder will man zurück zum Anfang, zu den beiden Aufnahmen, mit denen diese gewaltige Schau beginnt. US-amerikanische Luftbilder von 1955 und 1960 sind es, aus Rasteraufnahmen zusammengeklebt und aufgeblasen: das Zentrum von Berlin, meterlang aufgebahrt, grandios. Die Stadt von oben, über zehn Jahre nach Kriegsende, vom Bombenschutt befreit, ganze Blocks zwischen alten Straßenläufen leer, neu bewachsen, von Trampelpfaden durchzogen. Enttrümmert heißt das im Fachjargon.
Im Zentrum der Bilder liegen Leipziger und Mehringplatz, folgt man der Friedrichstraße zum oberen Bildrand, wölbt sich da Unter den Linden, links berappelt sich der im Krieg abgeholzte Tiergarten, leer ist der Potsdamer Platz. Ausgehend von diesen Bildern spinnt sich der Gedanke d
Gedanke des Aufbaus: als Notwendigkeit, als Möglichkeit, als Spielfläche politischer Positionen, als utopischer Wurf, aber auch als Unvermögen und Fehlgriff. Nach vorn schauen, könnte man einen Teil der Erzählung dieser Schau zusammenfassen. Nicht viel zurückdenken, vielleicht den anderen.Niemeyer, Mies, Le CorbusierTatsächlich prangten zur Zeit der Aufnahmen Teile der Stalinallee schon im Kleid des sozialistischen Klassizismus. Die Interbau rief 1957 als Antwort des Westens internationale Architekten nach Berlin. Der wunderbare Ausstellungskatalog beleuchtet den heraufziehenden Repräsentationswettstreit: Nachdem Chruschtschow Stalins prunkvolle Ästhetik 1954 beerdigt hatte, stieg die DDR in ihre „nachgeholte Moderne“ ein. Westberlin hatte da mit dem Breitscheidplatz im Schaufenster der Ideologien bereits vorgelegt.Entlang der Ausstellung, die neben kalten Kriegstönen vom RIAS, Modellen, Bauplänen und Fotos auch den anregenden Briefwechsel des Dresdner Architekten Manfred Zumpe mit Walter Gropius über Großsiedlungen und Typenbau zeigt, können wir es ahnen, im Katalog nachlesen: Die Anleihen bei den Großmeistern des Modernismus, Le Corbusier, Oscar Niemeyer oder Mies van der Rohe, waren sektorenübergreifend. Stahlskelette und vorgehängte Fassaden, die Formensprache von Brasília, die Logik der aufgestellten Streichholzschachtel inspirierten die Bauherren in Ost wie West. Ob Europa-Center oder Haus des Lehrers und Kongresszentrum – zwischen dem Diktat der Ökonomie und politischen Feuerzeichen fanden Staat und private Unternehmer im Modernismus ihr Ausdrucksmittel.Placeholder gallery-1Wolf Jobst Siedler mochte später noch so viel über die „gemordete Stadt“ jammern, der Modernismus unterband einen Rückgriff auf den Monumentalismus des Nationalsozialismus, gleichzeitig wollte er nicht zurück zur Ornamentik des bürgerlichen 19. Jahrhunderts. „In Berlin wurden Architektur und Städtebau sektorenübergreifend als Kommunikations- und Propagandamittel eingesetzt, um die jeweils eigene Fortschrittlichkeit unter Beweis zu stellen“, schreibt Dirk Weilemann im Katalog. Und ein klein wenig kann man auch erahnen, warum traditionsbewusste, politisch sensible und zugleich zurückhaltende Modernisten wie Sep Ruf keine große Rolle spielten: „In beiden Teilen der Stadt galt auch nach der Errichtung der Mauer 1961 der Anspruch, ‚hauptstädtisch zu bauen‘.“Wenn man dann – stundenlang – durch die Schwerpunkträume streift, beginnen die beiden Luftaufnahmen wie Wasserzeichen zu wirken, an die abgeräumten Trümmerfelder denkt man noch, wenn man viel später etwa vor der Skizze zum „Wohnkomplex für 3.500 Einwohner, Leipziger Straße“ steht oder zuschaut, wie futuristische Entwürfe in Westberlin Architektur in Design umkippen lassen. Gerade im Design entdecken Stadtplaner und Architekten aber wieder ein utopisches Potenzial, das sich von Innen gegen die große Geste des Modernismus wendet. Zarte Bande sind es, die der Protest gegen Anonymität und Segmentierung ins Lager der Architekten spinnt. Sie spielen nur in Westberlin eine Rolle.Jetzt will man aber wirklich zurück zu den Luftbildern und bleibt prompt an einem Herrn hängen, das Alter zwingt ihn an den Stock. Er ist aufgeregt, ein Foto will er machen, von der herrlichen Skizze des DDR-Staatsratsgebäudes, die Brille hat er vergessen, kann das Datum auf dem Stempel nicht erkennen. Schließlich stellt er sich vor, Roland Korn, späterer Chefarchitekt von Ostberlin, als Leiter des Kollektivs hat er die Skizze, die da hängt, selbst mit Tusche und Federkiel gezeichnet. Er ist, Fachjargon, ganz aus dem Häuschen.Gehen wir eben noch einmal los, Korn erzählt vom Bruch nach 1955, als der Sachlichkeit in der DDR langsam die Tür geöffnet wurde, von den schwierigen Bedingungen der ersten Großprojekte. Er lernte in Weimar, seine Lehrer waren dem Bauhaus verpflichtet. Vieles wurzelte hier, was Korn im repräsentativen Modernismus und den Anforderungen schnell und günstig baubaren Wohnraums entsprechend umsetzte. Dann sagt er noch etwas, das auf den Ausgangspunkt zielt, auf die Luftaufnahmen. Sagt’s mit freudigem Glitzern in den Augen: Nach Berlin habe er gewollt, immer nach Berlin. Beim Aufbau der neuen Stadt helfen.Placeholder infobox-1