FREITAG: Die SPD machte zuletzt einen äußerst zerstrittenen Eindruck. Jetzt bemüht man sich zwar um ein Bild der Geschlossenheit. Aber wie fest sitzt Kurt Beck tatsächlich noch als Parteichef im Sattel?
BJÖRN BÖHNING: In der vergangenen Woche hat der Parteirat Kurt Beck den Rücken gestärkt, in dieser Woche das Präsidium. Die Berichte über einen Machtkampf in der SPD, angebliche Personalfragen und die Eignung von Kurt Beck spiegeln nicht den Diskussionsstand innerhalb der Partei wider. Die Erregung spielt sich vornehmlich unter der Glocke des Berliner Mediengeschäfts ab. Es gibt eine klare Beschlusslage zu den Koalitionsoptionen der SPD in den Ländern, die ist Anfang dieser Woche noch einmal bestätigt worden.
Anfang voriger Woche hatte es mit der Parteirats-Entscheidung schon einmal so ausgesehen, als ob Beck volle Rückendeckung hat. Kurz darauf wurde eifrig aus der Hecke geschossen. Sind die Loyalitätsbekundungen der Kritiker Becks jetzt glaubhafter?
Es gibt in der Partei kein Verständnis dafür, wenn Beschlüsse einerseits mitgetragen werden, andererseits dann aber Kritik daran über die Medien kommt. Die Mitglieder erwarten ebenso wie die Menschen, dass die SPD eine gute Politik macht. Der Streit der letzten Tage sollte wieder in den Hintergrund treten. Nicht nur mit Blick auf Hessen wäre es angebracht, wenn etwas mehr Ruhe einzieht. Die SPD muss nach vorne schauen.
Es gab Stimmen in der SPD, die sagen, Becks Zugriff auf die Kanzlerkandidatur hätte sich nach Hessen wegen Glaubwürdigkeitsproblemen erledigt. Die Stellevertreter Steinmeier und Steinbrück werden sich über solche Äußerungen sicher freuen, oder?
Ich denke, dass sich weder jemand im Parteivorstand, noch in der Partei insgesamt über solche Erklärungen freut. Die SPD sollte aus einer Sachfrage, dass nämlich die Länder über eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei entscheiden, jetzt nicht eine Machtfrage machen. Zunächst muss geklärt werden, wie wir uns 2009 inhaltlich aufstellen, dann können wir dafür auch die Personen auswählen. Kurt Beck hat für die Kanzlerkandidatur das erste Vorschlagsrecht.
Seeheimer und Netzwerker arbeiten seit Anfang des Jahres enger zusammen. Gerät die SPD-Linke jetzt wieder stärker unter Druck?
Das sehe ich derzeit noch nicht. Im Gegenteil: Die engere Kooperation von Seeheimern und Netzwerkern als gesammelte Parteirechte ist doch zunächst einmal eine Reaktion auf den größer werdenden Einfluss der Parteilinken und ihrer wachsenden Zustimmung innerhalb der SPD. Ich freue mich, wenn Beschlüsse eines Parteitages, die in unserem Sinne waren, zu Aufgeregtheit im rechten Lager der Partei führt.
Es gab mit Beck leichte Korrekturen der Agenda-Politik und eine dezente Öffnung gegenüber der Linken. Wird das auch weiterhin der Kurs der SPD bleiben?
Es wird dabei bleiben, dass die Länder selbst darüber entscheiden, mit welcher Partei sie Koalitionen eingehen. Ich finde es richtig, dass wir diese Debatte jetzt ausführlich führen, auch wenn es dabei manchmal etwas lauter wird. Das ist aber immer noch besser, als nach jeder Landtagswahl aufs neue damit zu beginnen. Zu den Ergebnissen des Parteitags im Oktober 2007 lässt sich klar sagen: Hamburg gilt und das wird auch zukünftig so sein. Die dort gefassten Beschlüsse waren nicht nur für die Linke in der SPD ein Befreiungsschlag, sondern für die Sozialdemokraten insgesamt. Weil wir jetzt wieder in der Lage sind, Wahlergebnisse von 30 Prozent und mehr zu erreichen. Die SPD sollte den Weg, der in Hamburg begonnen wurde, also gute Arbeit und eine sozial gerechte Wirtschaftsordnung, fortsetzen.
Bleibt es beim Volksaktien-Beschluss des Parteitags oder wird die Frage jetzt noch einmal aufgemacht?
Wir haben einen klaren Beschluss, der besagt, dass private Investoren keinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Bahn bekommen dürfen. Außerdem steht fest, dass es keine Trennung von Netz und Betrieb geben darf. Jetzt brauchen wir erst einmal eine Prüfung des Volksaktienmodells und dann wird man sehen, wie die SPD damit auch innerhalb der Koalition vorankommt. Unter Sozialdemokraten gibt es eine breite Skepsis gegenüber einer Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn - die wird zurecht bleiben.
Auch von denen, die einer Kooperation mit der Linken offen gegenüberstehen, wird kritisch angemerkt, die Partei habe kein glaubwürdiges programmatisches Profil. Welche Fragen müssten zwischen SPD und Linkspartei zuallererst geklärt werden?
Ich sehe vor allem drei Felder: Erstens muss die Linkspartei in der Außenpolitik zu mehr Seriosität kommen. Ein Abzug aller Soldaten aus dem Ausland ist völlig ausgeschlossen. Das würde heißen, dass wir beispielsweise keine Rüstungskontrolle vor den Küsten des Libanon haben - das kann keine ernsthafte linke Position sein. Zweitens sind wir auch in der Sozialpolitik auseinander. Die Linkspartei versucht hier mit Versprechen zu punkten, die illusorisch sind. Und drittens muss die Linke zu einer seriösen Haushaltspolitik fähig werden, das heißt, nicht nur vom Geldausgeben reden, sondern auch über die Etatkonsolidierung. Im Übrigen: In Berlin ist die Linkspartei auf diesem Weg schon ein großes Stück weiter als etwa ihr Vorsitzender Oskar Lafontaine.
Sehen Sie überhaupt eine Chance, dass die Linke auf Bundesebene schon bis 2009 koalitionsfähig wird?
Ich erwarte nicht, dass die Linkspartei von ihrem derzeitigen bundespolitischen Protestimage loslassen wird, das der Garant für ihre aktuellen Erfolge ist. Deshalb bin ich sehr skeptisch, ob es in dem genannten Zeitrahmen zu einer ausreichenden Öffnung gegenüber der SPD kommt.
Das Gespräch führte Tom Strohschneider
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