Da horcht die Öffentlichkeit auf: Zwei glänzende Rhetoriker und ernst zu nehmende linke Denker wie Oskar Lafontaine und Gregor Gysi betreten gemeinsam die Bühne einer neuen sozialen Bewegung. Sie will zum Sammelbecken all derer werden, die dem als Reform titulierten Abbau des Sozialstaates widerstehen, sie will gegen die All-Parteien-Koalition des Neoliberalismus antreten.
Doch ob diese Demokratische Linke aus WASG und PDS die sozial Gebeutelten, die von der Globalisierung Verunsicherten, die von der SPD Enttäuschten oder gar die von jeder Art Politik Abgewandten tatsächlich erreichen und vor allem mobilisieren kann, bleibt zweifelhaft. Vorerst wird das Linksbündnis weniger die Linke stärken als vielmehr eine im Abwärtsstrudel befindliche Sozialdemokr
zialdemokratie weiter schwächen, solange die nicht eine deutliche und glaubhafte Alternative zu Schwarz-Gelb sein will.Um eine seriöse Kraft zu werden, die dauerhaft Wähler und politische Akteure an sich bindet, bedarf es der Verlässlichkeit der Personen, der Konsistenz der Programme, der Überzeugungskraft der Strategien und des Realitätsbezuges der Visionen. Wenn sich Parteien neu oder umformieren sammelt sich erfahrungsgemäß stets allerlei Volk - bis hin zu Sektierern und Radikalen, Querulanten und Psychopathen, bis hin zu Personen, die eine bis dato entbehrte Profilierung wittern. Freilich sind damit nicht jene gemeint, die ernsthaft um die Akzeptanz des demokratischen Systems besorgt sind, weil dessen soziale Flankierungen seit Jahren so ungerührt zerstört werden.Aber wer wirklich wofür steht, wird sich auch in diesem Linksbündnis erst allmählich herausstellen. Bekanntlich tut Recht haben gut, solange man sich nicht in den Niederungen der Realität erweisen muss. Eine Konsolidierung braucht überdies Zeit - mehr als drei Monate jedenfalls (Ich habe im Herbst ´89 den "Demokratischen Aufbruch" - noch bevor Angela Merkel kam - erlebt und weiß, was es heißt, von den Geschehnissen überrannt zu werden). Mentale und Milieu bedingte Vorbehalte zwischen der PDS im Osten und einer mehrheitlich aus Linken im Westen rekrutierten WASG kommen nicht nur erschwerend hinzu - sie werden als Differenzen von außen noch zusätzlich geschürt.Die SPD wäre in dieser Situation gut beraten, würde sie weniger auf kernige Geschlossenheitsappelle Wert legen, sondern durch programmatische Leitlinien auffallen, mit denen sich wieder an Kontur gewinnen lässt, ohne sozialromantischen Visionen nachzuhängen. Es gab Zeiten, da wollte die SPD-Führung einmal "die Neue Mitte" repräsentieren - heute ist sie kaum noch eine linke Volkspartei. Der Kanzler spricht enttäuscht von einer "Bringeschuld der Wirtschaft", nachdem er mit seinen Sozialabbau-Reformen so riskante Vorleistungen erbracht hat, und vergisst, dass er nie eine argumentativ überzeugende Antwort auf die Frage zu geben vermochte, warum derart schmerzliche soziale Einschnitte nötig sind.Insofern ist eine vereinigte Linke zuallererst ein Ausdruck für die Krise, in die sich die SPD aus eigener Kraft hinein manövriert hat, aber noch keine neue Chance für eine soziale und nachhaltig wirkende Politik.Man fragt verwundert, wo bleiben eigentlich die strategischen Denker der SPD, wann reißen wirklich durchsetzungsfähige Politiker, hinter denen ausnahmsweise keine Beraterfirmen stehen, das Steuer herum. Die soziale Demokratie braucht Sozial-Demokraten und keine dekretierenden Technokraten. Wer politisch abstürzt, sollte der nicht wenigstens wissen wollen, weshalb und wofür? Wer da fällt, fällt ins Leere, selbst wenn diejenigen, die glauben, künftig ganz oben zu stehen, auch nicht viel mehr als leere Hände vorzuweisen haben. Und das Volk, das wie in Brechts "Kälbermarsch" hinter der Trommel her trottet, möchte es nicht vielleicht wissen, wohin der Weg führt?Vielleicht kommt unter diesen Umständen eine neue Linksgruppierung gerade recht, um als eine außerordentliche geistige und politische Herausforderung für die Sozialdemokratie zu wirken. Es wäre für Deutschland fatal, würden Müntefering Co. dies überhören oder verpassen - wollte die SPD einfach im Schröder´schen "Weiter so" verharren. Es steht außer Frage: Eine Politik, die keine Ziele mehr benennt, wird auch keine Wege mehr finden, schon gar keine neuen. Die "soziale Globalisierung" wäre ein solches Ziel. Dazu allerdings brauchte es auf der politischen Bühne eine sehr kräftige Stimme - gegen den übermächtigen medialen Mainstream derer, die einen Wechsel von Schröder zu Merkel bereits als Verbesserung bejubeln.