Aussitzen hilft nicht

Kampfansage Immer mehr Kultureinrichtungen werden von rechts angegriffen. Der Verein „Die Vielen“ sorgt für Gegenwehr
Ausgabe 46/2018

Solidarität statt Privilegien“, das Wort Heiner Müllers wird zitiert, als der Verein Die Vielen sich der Berliner Presse erklärt. Vor der Tür steht ein Auto, geschmückt mit goldenen Fahnen. Es weht Aufbruch durch diesen symbolisch aufgeladenen Vormittag. Am 9. November, 80 Jahre nach der Reichspogromnacht, geht es im Haus des jüdischen Malers und ehemaligen Präsidenten der Akademie der Künste Max Liebermann darum, sich gegen die AfD-Fraktion und ihre Unterstützer zu rüsten, die fordern, Subventionen an Loyalität gegenüber der Leitkultur zu koppeln.

Holger Bergmann, Leiter des Fonds Darstellende Künste und Sprecher des im Sommer 2017 gegründeten gemeinnützigen Vereins, erklärt dessen Idee und Struktur. Der Verein versteht sich als „aktives Netzwerk“ Kulturschaffender, das regional agiert. Zeitgleich zur Berliner Erklärung haben sich in Hamburg, Düsseldorf und Dresden Kulturinstitutionen für ihre Erklärungen zusammengefunden. Solidarität, um sich gegenseitig Beistand zu leisten. Es geht ganz praktisch um Listen mit kompetenten Anwälten, um Erfahrungsaustausch im Umgang mit Attacken von rechts.

Bomben und Debatten

Sprecher*innen auf dem Podium berichten von vermehrten Anfeindungen kleiner und großer Kultureinrichtungen aus der rechten Szene, vor allem jenseits der großen Städte. Vorfälle in Chemnitz, Störungen von Vorstellungen in Theatern in Thüringen, Schauspieler, die das Ensemble des Theaters Altenburg wegen rassistischer Anfeindungen verließen, das und anderes ist durch die Medien gegangen. Feindselige Facebook-Posts und Schmierereien sind hingegen keine Nachricht wert. Lilian Engelmann, Geschäftsführerin der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (nGbK), warnt davor, solche Vorkommnisse zu verharmlosen, sie aussitzen zu wollen. „Die Rechte bekämpft die offene Gesellschaft, die Idee von Gleichheit, Solidarität, Vielfalt ganz grundsätzlich.“ Es handele sich um eine Kampfansage, die als solche auch zu parieren sei. Indem jede und jeder zeigt, wo er oder sie steht. Indem man sich auf die gesellschaftliche Verantwortung der Kunst besinnt. Wie ernst nimmt sie ihre Aufgabe, einen kritischen Dialog anzuleiten, immer wieder verbindende Erlebnisse zu schaffen? Der Vertreter des Deutschen Bühnenvereins stimmte in diesem Kontext selbstkritische Töne an und forderte, den Dialog mit dem Publikum zu suchen und Brücken zu bauen. Theater sind auch Orte der politischen Meinungsbildung.

Dass die Autonomie der Kunst ein hart erkämpftes Privileg ist, das es zu verteidigen gilt, sagte Kathrin Röggla, Vizepräsidentin der Akademie der Künste. „Die Kunst steht in der kritischen Tradition der Aufklärung und ist nicht in den Dienst der Verherrlichung der eigenen Nation zu nehmen, wie rechtsextreme Kräfte es fordern.“ Der Intendant des Friedrichstadt-Palastes, Berndt Schmidt, hat sich im Oktober letzten Jahres deutlich von AfD-Wählern unter seinen Zuschauern distanziert. Er berichtet, wie allein er sich fühlte, als sein Theater daraufhin wegen einer Bombendrohung evakuiert werden musste. Heute wüsste er, an wen er sich wenden könnte: Der Verein Die Vielen ist für solche Fälle Anlaufstelle und Debattenplattform.

In Berlin war vergangenen Freitag erfreulicher Pioniergeist zu spüren. Eine Idee davon, dass die Anfeindungen von rechts helfen, das Gemeinsame besser zu erkennen, das, wofür es sich konstruktiv einzutreten lohnt. Wer sich solidarisch erklären will, kann das seit dem 9. November auch als Privatperson unter dievielen.de tun.

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