Deutschland hat mit Annalena Baerbock eine neue Außenministerin und bekommt, wenn es nach ihr geht, auch eine andere Außenpolitik. Menschenrechtsorientiert soll diese sein, und feministisch. Wenn das mehr sein wird als nur Rhetorik, kann das helfen, auch in einem Bereich die verhärteten Grenzen aufzubrechen, der Deutschlands internationale Reputation zunehmend beschädigt: der Umgang mit dem Genozid an den Herero und Nama. Hier hat die Regierung Angela Merkel einen Scherbenhaufen hinterlassen. Zwar gibt es seit Mai den Entwurf eines Abkommens mit der namibischen Regierung, welches den Genozid als solchen benennt, zumindest im heutigen Sinne, eine Entschuldigung des Bundespräsidenten in Aussicht stellt und eine „Wiederaufbauhilfe“ von 1,1 Milliarden Euro, verteilt über 30 Jahre – allerdings lehnt die Mehrheit der Herero und Nama dieses Abkommen ab. Intransparent zustande gekommen sei es, ohne zufriedenstellende Beteiligung der Opfergruppen, und mit einer viel zu geringen Wiedergutmachung, die zudem nicht als Reparation bezeichnet wird.
Dessen unbeschadet bezeichnete der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) Ende Mai das Abkommen als Meilenstein, aber auch als letztes Wort in dieser Sache, zumindest was vertragliche Verpflichtungen angehe.
Toxisch-männlicher Stil
Nach der erwarteten Zustimmung der namibischen Regierung wollte Maas das paraphierte Abkommen in Namibia unterschreiben, das Flugzeug war schon gebucht. Allein, daraus wurde nichts, denn nach fünfeinhalb Jahren Verhandlungen hinter verschlossenen Türen ist das Ergebnis ein Affront für die Nachkommen der Opfer. Das liegt vor allem am Verfahren. Noch während sich die Regierungen und ihre Verhandlungsdelegationen im Frühsommer selbst feierten, begann es aus Namibia, aber auch international, bereits Proteste zu hageln. Der – inzwischen verstorbene – wortgewaltige Paramount Chief der Herero, Vekuii Rukoro, erklärte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gar zur unerwünschten Person und kündigte Proteste für den Fall seiner geplanten Entschuldigungsrede im namibischen Parlament an. Heiko Maas jedenfalls flog nicht mehr zur Vertragsunterzeichnung nach Namibia.
Eine offizielle Zustimmung des namibischen Parlaments sollte den Vertragsentwurf wohl vom Vorwurf entkräften, über die Köpfe der einzelnen Opfergruppen hinweg verhandelt worden zu sein, auch wenn das Ergebnis angesichts der überwältigenden Mehrheit der SWAPO-Regierung und der Tatsache, dass viele führende Herero und Nama zur Opposition gehören, in seiner Aussagekraft arg beschränkt gewesen wäre. Selbst diese kam bisher nicht zustande.
Nichts zeigt das Versagen der deutschen Verhandlungsdelegation unter der Führung des ehemaligen CDU-Generalsekretärs und Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz, deutlicher als der Showdown im namibischen Parlament im Sommer und Herbst. Die Spannungen innerhalb Namibias in dieser Frage traten offen zutage. Jetzt rächte sich zweimal, dass die deutsche Seite offenbar nicht versucht oder es nicht geschafft hatte, eine breite Beteiligung von Herero und Nama an den Verhandlungen und damit auch eine Zustimmung zu den Ergebnissen zu erreichen. Stattdessen überspielte sie dies mit forschem Auftreten, das ihr in Namibia schon bald die Kritik einbrachte, wie Kolonialherren aufzutreten. Schon als Ruprecht Polenz 2016 bei einem Treffen die Nachkommen der Nama belehrte, sie dürften sich nicht mit den jüdischen Opfern des Holocaust vergleichen, war der Eklat komplett. Polenz vergiftete damit die Stimmung unter vielen der Nachkommen der Opfer nachhaltig. Wer die Singularität des Holocaust einsetzt, um Wiedergutmachungsansprüche von Opfern aus anderen (historischen) Menschenrechtsverletzungen abzuschmettern oder zu beschränken, hätte eigentlich sofort abgelöst werden müssen. Dass dies nicht geschah, lässt sich wohl nur damit erklären, dass Merkel längst das Interesse an dieser Frage verloren hatte, wenn sie es denn je hatte, oder aber, dass auch der Bundesregierung jedes rhetorische Mittel recht war, um sich historischer Verpflichtungen zu entledigen.
Inzwischen ist der Widerstand innerhalb Namibias so groß, dass das namibische Parlament den Vertrag zwar diskutieren, aber nicht darüber abstimmen ließ. Und Anfang Dezember hieß es nun, dass eine Zustimmung des Parlaments gar nicht notwendig sei. Stattdessen wolle man im kommenden Jahr die Wiedergutmachungssumme neu verhandeln. Auch das beantwortet die Frage nach der Akzeptanz des Abkommens in gewisser Weise.
Für die deutsche Regierung ist dies ein ernsthaftes Problem, denn nur eine breite Zustimmung könnte die Verfahrensfehler heilen und dem Abkommen nachträglich Glaubwürdigkeit sichern. Zu ersteren gehört auch der Vorwurf der Verletzung der UN-Konvention zum Schutz indigener Minderheiten, wonach letztere an allen Verhandlungen, die sie betreffen, mit selbstgewählten Vertreter*innen beteiligt sein müssen. Selbstgewählt waren die wenigen handverlesenen Herero und Nama, die an den Verhandlungen teilnahmen, gerade nicht. Auch nicht beteiligt waren die vielen Herero und Nama, die als Folge des Genozids in der Diaspora leben. Sie sind keine namibischen Staatsbürger, können also auch durch die namibische Regierung nicht vertreten werden. Auch dafür hat die deutsche Regierung bisher keine Lösung gefunden.
Gerade historisches Unrecht kann nicht adäquat gegen den Willen der Nachkommen der Betroffenen adressiert werden, sondern nur mit ihnen. Das Unrecht würde sich sonst fortsetzen! Damit wird die Frage nach dem Umgang mit dem Genozid an den Herero und Nama auch zu einem Testfall menschenrechtsorientierter und feministischer Außenpolitik. Setzt das Auswärtige Amt weiter auf Machtpolitik, die der anderen Seite die Rahmenbedingungen auch bei der Aufarbeitung historischen Unrechts vorschreibt, oder verändert sich der Stil? Was das Gebot der Demut als Vertreter der ehemaligen Täter im Angesicht des historischen Traumas nicht vermochte, vielleicht vermag es eine neue, feministische Außenministerin – die toxische diplomatische Männlichkeit in ihre Schranken zu weisen.
Ein Ausweg ist dennoch schwierig, will man Gesichtsverlust vermeiden. Es wird nichts anderes übrig bleiben, als das Abkommen zwischen den Regierungen in Kraft zu setzen und gleichzeitig eine zweite Verhandlungsrunde einzuleiten, mit allen zivilgesellschaftlichen Gruppen in Namibia und auch in der Diaspora. Am Ende stünden zwei Abkommen, aber wenn das der Preis wahrer Versöhnung wäre, wäre er es sicherlich wert. Am 12. Dezember wählte die Ovaherero Traditional Authority mit Mutjinde Katjiua übrigens einen neuen Paramount Chief, nachdem Vekuii Rukoro im Sommer an Covid-19 verstorben war. Dass sich damit am Verhandlungstisch zwei neue Vertreter*innen gegenübersäßen, müsste kein Nachteil sein.
Hoffen auf Claudia Roth
Da in der Regierung Scholz Außenministerin und Kulturstaatsministerin aus der gleichen Partei kommen, besteht zudem die Chance, hier wirklich einen Neuanfang im Umgang mit Deutschlands kolonialem Erbe zu schaffen. Von den drei großen Bereichen, die in der letzten Regierung hätten gelöst werden müssen: der Umgang mit dem Genozid an den Herero und Nama, dem Humboldt-Forum und der kolonialen Raubkunst, sind schließlich nur im Bereich der letzteren wirkliche Fortschritte zu verzeichnen. Die angekündigte Restitution der Benin-Bronzen zeigt, was Diplomatie bewirken kann, wenn sie nur will und man sie lässt.
Das Humboldt-Forum dagegen stolpert von einem Skandal zum anderen. Nach der kolonialen Raubkunst, der Debatte um das Kuppelkreuz und den Kuppelspruch nun der Streit um rechtsextreme Spender. Der eigentliche Skandal bleibt allerdings immer noch außen vor: der Bau an sich, der auch als steingewordener Schlussstrich zu verstehen ist, mit dem die Konzentration auf die „dunklen“ Seiten der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert zurückgedrängt wird zugunsten einer vermeintlich „helleren“ Geschichte vor 1914, als Deutschland auch das Land der Dichter und Denker war, ehe es zu dem der Richter und Henker wurde, so die Lesart. Nicht zuletzt der Genozid an den Herero und Nama weist dagegen darauf hin, dass Völkermord und Rassenstaat schon vor 1933 Teil der deutschen Geschichte waren, in genau jener Epoche, die das preußische Disneyland namens Humboldt-Forum glorifiziert.
Könnte es einen besseren Weg geben als die neue Kulturpolitik, die nach Aussage von Kulturstaatsministerin Claudia Roth auch eine moderne Erinnerungspolitik umfassen soll, einen wirklichen Durchbruch in der historischen Aufarbeitung kolonialer Verbrechen einzuleiten und zu unterstützen? Und als Mahnmal an den Genozid könnte man einen der schönen Innenhöfe des Stadtschlosses mit Sand aus der Omaheke-Wüste auffüllen, wo Tausende Herero starben, und die Fassaden mit Stacheldraht verkleiden, der an die ersten deutschen Konzentrationslager erinnert, in denen Herero wie Nama der Vernichtung durch Vernachlässigung preisgegeben wurden. Das Geld der anonymen Spender wäre dann zumindest für die kritische Auseinandersetzung stärkend eingesetzt worden und nicht zur Verherrlichung der preußisch-deutschen Geschichte, die auch eine Gewaltgeschichte war.
Kommentare 13
Sehr gute Vorschläge, Jürgen Zimmerer.
Sehr gut.
Hoffentlich lesen Frau Baerbock und Frau Roth das.
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Namibia
"Für die deutsche Regierung ist dies ein ernsthaftes Problem, denn nur eine breite Zustimmung könnte die Verfahrensfehler heilen und dem Abkommen nachträglich Glaubwürdigkeit sichern. Zu ersteren gehört auch der Vorwurf der Verletzung der UN-Konvention zum Schutz indigener Minderheiten..."
Humboldt-Forum
"Nicht zuletzt der Genozid an den Herero und Nama weist dagegen darauf hin, dass Völkermord und Rassenstaat schon vor 1933 Teil der deutschen Geschichte waren, in genau jener Epoche, die das preußische Disneyland namens Humboldt-Forum glorifiziert."
Hoffentlich lesen Frau Baerbock und Frau Roth das.
Frau Baerbock macht keine Menschenrechtsbezogene Politik - sie macht ATLANTISCHE (sprich: imperialistische) Politik. Auch auf Frau Roth wage ich nicht zu hoffen. Was wäre denn, wenn "wir" die Herero und Nama ihrem Wunsch gemäß einbeziehen würden ? Würden sich dann nicht die Nachfahren der Opfer des Maji-Maji Krieges in Deutsch Ostaftrika melden - was würden denn unsere NATO Verbündeten sagen, wenn "wir" einen Prezedenzfall schaffen würden ? Denn die haben genauso blutige Kolonialmasaker verübt.
"Nicht zuletzt der Genozid an den Herero und Nama weist dagegen darauf hin, dass Völkermord und Rassenstaat schon vor 1933 Teil der deutschen Geschichte waren, in genau jener Epoche, die das preußische Disneyland namens Humboldt-Forum glorifiziert." - Müsste es nicht "schon vor 1914" heißen?
>>Das Humboldt-Forum dagegen stolpert von einem Skandal zum anderen. Nach der kolonialen Raubkunst, der Debatte um das Kuppelkreuz und den Kuppelspruch nun der Streit um rechtsextreme Spender. Der eigentliche Skandal bleibt allerdings immer noch außen vor: der Bau an sich, der auch als steingewordener Schlussstrich zu verstehen ist, mit dem die Konzentration auf die „dunklen“ Seiten der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert zurückgedrängt wird zugunsten einer vermeintlich „helleren“ Geschichte vor 1914, als Deutschland auch das Land der Dichter und Denker war, ehe es zu dem der Richter und Henker wurde, so die Lesart.<<
Die Wortwahl "Skandal" trifft es nicht so recht. Sie bestätigt die offiziöse Lesart, dass der Retro-Trumm eigentlich eine gute Sache sei, jetzt nur von ein paar Schönheitsfehlern befleckt, die man mit guter (Ampel-)Politik auch wieder abwaschen könnte. Nö, das Ausstellen von kolonial-genozidal geraubten Kulturgütern, die deutschnational-leitkulturell-fundamentalistische Kuppelsymbolik, die in der Natur dieser Sache liegende finanzkräftige Förderung durch National-Kapitalisten - all das sind keine Skandale. Es sind ursächlich und untrennbar mit dem Grundkonzept verbundene Erscheinungen.
Es ist schon bezeichnend, dass die politischen Kräfte aus CDU und natürlich auch SPD, die seit den 1990ern Jahren das Verschwinden des DDR-Palastes betrieben hatten, es nicht nur dort, sondern an vielen anderen Stellen in der neuen alten Reichshauptstadt, viel dringender fanden, die Relikte des DDR-Sozialismus wegzuputzen, als die stadträumlichen Strukturen, Straßennamen und Repräsentationsgebäude, die aus Kaiser- und Nazi-Zeiten stammen, zu überwinden.
An Stellen wie bspw. der Kreuzung Friedrichstraße / Unter den Linden, wo in den 1960er Jahren helle, offene, moderne Platzsituationen entstanden waren, die eine neue, nicht mehr wilhelminische Urbanität schufen, ist die traditionelle Blockrandbebauung wiederhergestellt worden - mit Investorenbauten der wirtschaftlichen und politischen Macht. Die offizielle Begründung: Wiederherstellung des historischen stadträumlichen Grundrisses - als ob das ein Naturgesetz wäre. Es ist ein historisch-punktueller Zustand - der der wilhelminischen Zeit -, der hier nicht in erster Linie aus ästhetischen Gründen rekonstruiert wurde, sondern weil er die urbane Vergegenständlichung der wiederhergestellten Machtverhältnisse ist.
Man wird ganz sprachlos angesichts des Dilettantismus in der Außenpolitik unter dem Maasanzug. Der anmaßende moralische Rigorismus des Hamburger Professors ist allerdings auch nicht von Pappe. Wer sich seine Außenpolitik von Professoren machen läßt, der muss schon ziemlich von allen guten Geistern verlassen sein. Jedenfalls kann der Vertrag nicht bedient werden, solange er nicht ratifiziert ist. Da muss man die Nerven behalten und vor allem klarmachen, dass es keinen Nachschlag gibt. Sonst wird das unnötig teuer. Der Herr Professor möge einstweilen ein Drittmittelprojekt bei der DFG beantragen, um die Nachfahren derer namentlich zu ermitteln, die seinerzeit von der Kolonialpolitik profitiert haben. Damit man die Rechnung auch weiterreichen kann. Das Verbrechen hat schließlich Namen, Anschrift und Gestalt.
Eine einvernehmliche Lösung wäre gut, auch wenn es so lange her ist. Als Herero oder Nama würde ich aber nicht unbedingt auf Baebock und Roth setzen. Aber mal zum Vergleich: Die britische Ausbeutung Indiens über rund 200 Jahre hat bei den Nachfahren der Opfer auch die Frage nach Entschädigungen aufgeworfen. Die Forderungen gehen von 45 Billionen USD (Aussenminister) bis zu 350 Billionen (Historiker). Das Vereinigte Königreich kontert bisher mit der Aufrechnung, dass es Indien schliesslich ein Eisenbahnsystem installiert hätte...
Das ist eine sehr schräge Logik @Mühlenkamper. Was macht in diesem Artikel einen „anmaßenden moralischen Rigorismus des Hamburger Professors“ aus?
Die Argumentation von Jürgen Zimmerer ist in sich schlüssig, und der Zeitpunkt für verantwortliches Handeln der Bundesregierung ist sowieso längst überholt.
„Da muss man die Nerven behalten und vor allem klarmachen, dass es keinen Nachschlag gibt. Sonst wird das unnötig teuer.“
Soso, es gibt keinen ‚Nachschlag...‘?
??
Ich versichere Ihnen, dass Sie in diesem Geiste in Windhoek keinen verlässlichen politischen Fuß auf den Boden bekommen werden.
Die richtige Zeit für grüne deutsche Außenpolitik, ein bedeutendes und qualitativ neues Zeichen in Afrika zu setzen, ist jetzt.
Das wird auf dem ganzen afrikanischen Kontinent beobachtet.
Das Bild vom Scherbenhaufen ist doch zutreffend, denn statt einer moralischen Entspannung der Lage ist doch nur maximaler Schaden eingetreten: In Namibia wurde ein innenpolitischer Konflikt erzeugt, weil die Regierung eben nicht alle Stämme gleichmäßig und fair repräsentiert. Die Deutschen - und es gibt dort ja noch eine deutschstämmige Minderheit im Lande - stehen da als knauserige Völkermörder und hierzulande wird es auch nicht leichter, wenn der Migrant aus Afrika sich diese Milliarde vorhalten lassen muss. Alle sind unzufrieden, beleidigt und empört. Das ist das erwartbare Ergebnis, wenn man Geschichte mit Geld moralisch heilen will. Und dann kommt noch der spezielle Beschwerdeneid der Nachgeborenen hinzu, die eine Gleichbehandlung mit dem Holocaust wünschen. Vielleicht hätte Polenz seine Wahrheit nicht so direkt sagen sollen, aber in der Sache war es doch richtig. Vielleicht war es sehr weise, dass Namibia den Vertrag zurückweist. Das sollte man respektieren und es dabei belassen.
Deutschland hat vor hundert Jahren seine Kolonien an die Siegermächte verloren. Das Thema verlangt heute eine europäische Antwort und vor allem von Frankreich und England sowie Italien und Belgien. Konkret gearbeitet wird in Brüssel aber nur an einer militärischen Eingreiftruppe nicht zuletzt für innerafrikanische Konflikte. Da ist ein weites Feld für moralisch motivierte Politik.
Danke @Mühlenkamper
Es geht wohl weniger um 'moralische Entspannung', wie Sie das nennen.
Es geht auch nicht um Geschenke oder Entwicklungshilfe.
Es geht um eine halbwegs realistische finanzielle Kompensation für die durch die Kolonialzeit entstandenen Schäden.
Fair enough, sollte man meinen.
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https://www.news24.com/news24/Africa/News/we-are-not-proud-of-the-amount-namibia-reacts-to-germanys-genocide-settlement-20210604
'We are not proud of the amount' – Namibia reacts to Germany’s genocide settlement
„Auf die Summe sind wir nicht stolz“ – Namibia reagiert auf Deutschlands Völkermord-Regelung
https://www.youtube.com/watch?v=OGqVtKwxNHQ
Namibia parliament stormed ahead of genocide deal vote
Namibias Parlament gestürmt vor Abstimmung über den Völkermord-Deal
https://www.youtube.com/watch?v=70ECgCzNtxQ
Herero & Nama disagree on Germany-Namibia genocide-compensation deal | DW News
Herero und Nama stimmen nicht zu beim Völkermord-Entschädigungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia
https://www.youtube.com/watch?v=HOp-pVSjUK0
REJECTED! WHY NAMIBIA SHOULD WHOLLY REJECT GERMANYS OFFER!
ABGELEHNT! WARUM NAMIBIA DEUTSCHLANDS ANGEBOT GANZ ABLEHNEN SOLLTE!
Danke für die Links. Aber das kann doch nur die Skepsis verstärken -"genocide-compensation deal" - wie furchtbar. Mir missfällt grundsätzlich diese ganze Entschuldigungs-Haftungs-Entschädigungsmechanik, die aus der amerikanischen Rechtstradition stammt. Es beschädigt die Würde aller Beteiligten, die ja alle bestenfalls Nachfahren sind. Übrigens auch mit Blick auf Deutschland: Wer trägt denn hier die Last dieser Milliarde? Die Forderung nach "Neuanfang" ist womöglich richtig, aber es sollte rein symbolisch ohne Geld versucht werden.
Vielen Dank, @Mühlenkamper.
"Ohne Geld ..." Ist das nicht ein bisschen naiv, und praktisch fast unmöglich?
Alle Rechtsmodelle enthalten ein Element von ‘Schuld und Sühne’, und materielle, auch finanzielle Kompensation ist ein Teil davon.
Die durch die imperiale Kolonisation Afrikas geschaffenen Bedingungen sind sehr oft persistent, z.B. was Landbesitz und Zugang zu natürlichen Ressourcen, Wasser, Mineralien, Flora, Fauna etc. angeht.
Das geht z.B. bis in den heutigen Tourismus-Sektor hinein, schauen Sie sich einmal näher an, wer die großen Wildlife- und Öko-Lodges im südlichen Afrika betreibt.
Kompensation, im Zusammenhang von ‘Schuld und Sühne’, kann sich daher nicht nur auf den Zeitabschnitt des eigentlichen Deutsch-Südwest-Afrika beziehen.
https://en.wikipedia.org/wiki/German_South_West_Africa
Um auf den Ausgangsartikel zurückzukommen: das Thema ist sicherlich ein wertvolles für die Außenpolitik und die koloniale Erinnerungskultur.
Aber auch eine echte Herausforderung.
Vielleicht eine Schuhnummer zu groß für die Parteien im Bundestag.
Ein ähnliches Problem besteht bei den Klima-COPs, hier unter der Begrifflichkeit des ‚loss and damage‘. Ein wesentliches Hindernis in den Verhandlungen ist das Kompensationsregime ('Schuld und Sühne'), da die Verantwortlichkeit für den Klimawechsel nicht einfach gleich an alle Länder verteilt werden kann.
...das eigentliche Ober-Ziel der deutschen Politik ist, bestmöglich aus dem Schlamassel herauszukommen, in den wir uns in den letzten ca. 150 Jahren hineingeritten haben ... oder hineinreiten haben lassen.
PS Besetzung des nationalen Rugby Team von Namibia.
Schau, schau..
http://www.rugby15.co.za/wp-content/uploads/2015/08/image16-704x400.jpg
Der versuch, historische schuld mittels geld zu begleichen, ist eigentlich immer zum scheitern verurteilt. Denn es wird nie genug geld sein, um physisches elend "zu bezahlen". Ausserdem würde die festlegung auf eine bestimmte summe geldes auch einen schlussstrich ziehen - was wohl auch, zumindest teilweise, die deutsche absicht in dieser sache ist.
Viel besser wäre es, eine immer währende verpflichtung einzugehen. Z.B. könnte d-land sich verpflichten, das gesamte ausbildungswesen (von der grundschule bis zur universität) in Namibia für immer und ewig zu bezahlen (das ist bei einer gesamtbevölkerung von ca. 2,2 milloinen, darunter ca. 1 million schüler*innen, auszubildende und student*innen, ein für d-land tragbarer betrag).
Das wiederum dürfte allerdings den ansprüchen der opfer unter den namibischen volksgruppen, insbesonderen den Herero, nicht gerecht werden. Diese verlangen einzelentschädigungszahlungen auf gruppen- bzw. familienbasis.
Gottogottogott!
Bitte NICHT Roth und auch NICHT Baerbock auch nur IRGENDWAS in der Richtung anfassen lassen!